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Kindsmutter stets „liebevoll“Mitarbeiter des Jugendamtes sagen im Fall Alina aus

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bmmutterprozess

Die angeklagte Bergheimerin vor dem Landgericht in Köln

Bergheim/Köln – Am zweiten Verhandlungstag im Prozess um eine fast verhungerte fünfjährige Alina wurden mehrere Mitarbeiter des Jugendamtes Bergheim im Zeugenstand gehört. Sie hatten schon früh Kontakt zu Monika S., die sich derzeit wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten muss. Von zwei Mitarbeiter des städtischen „Allgemeinen sozialen Dienstes“ hat sich die Stadt inzwischen getrennt.

Dass die Tochter der Mutter gleichgültig war und ihr das Wohl des Kindes nicht wirklich am Herzen lag, blieb den städtischen Bediensteten offenbar verborgen. Im Gegenteil. Sie habe die Kindsmutter stets als „liebevoll, zugewandt und fürsorglich gegenüber beiden Kindern erlebt,“ sagte Familienhelferin Heidi K. (48) aus und es klang so, als habe die diplomierte Sozialpädagogin einen kompletten anderen Fall im Blick. Nicht bei der Mutter, sondern bei Alina und ihrem Bruder habe sie „Bindungsstörungen“ festgestellt.

„Ich will nicht mehr nach Hause“

Als sie Alina im Kinderkrankenhaus besuchte, wo sich das Kind rasend schnell erholte, habe das Mädchen klar formuliert: „Ich will nicht mehr nach Hause.“ Nach der Entlassung kam Alina in eine Pflegefamilie, blieb dort bis vor einem Monat dort. Danach gab das Jugendamt die Kleine in ein Heim. Seitdem nässt Alina nachts wieder ein, sagte eine Zeugin aus.

Bei ihren Hausbesuchen habe die Wohnung einen „sauberen, aufgeräumten Eindruck gemacht, im Kühlschrank waren ausreichend Lebensmittel, die Kinder machten einen wohlgenährten Eindruck“, sagte die Pädagogin weiter aus. Die Ermittler hingegen hatten bei der Wohnungsdurchsuchung „Schmeißfliegen, Maden, verschimmelte Essensreste, einen leeren Kühlschrank und vermüllte und verdreckte Zimmer“ dokumentiert und dies auch in Bildern festgehalten. Den Widerspruch vermochte K. im Zeugenstand nicht aufzulösen.

Ablehnung bereits kurz nach der Geburt

Alina war erst wenige Minuten auf der Welt, als sie zum ersten Mal die ablehnende Haltung ihrer Mutter zu spüren bekommen haben soll. „Nehmt sie weg“, soll Monika S. gesagt haben, als man ihr das Neugeborene im Kreißsaal in den Arm legen wollte. Alina kam im November 2014 per Kaiserschnitt zur Welt, da war Monika S. 18 Jahre alt.

Die junge Mutter wollte das Kind angeblich nicht, stammte Alina doch aus einer ungewollten Partnerschaft. Ungeliebt, allein gelassen, von Gefühlskälte und Gefühllosigkeit umgeben, entwickelte sich Alina zum Problemfall. So ist es aus den Akten zu entnehmen. Die Mutter kam mit dem zwei Jahre jüngeren Bruder, der im Januar 2016 geboren wurde und aus einer weiteren Beziehung stammte, angeblich besser zurecht, obwohl später auch beim ihm Entwicklungsstörungen festgestellt wurden.

Probleme wurden immer schnell behoben

Monika S. war bereits drei Wochen nach der Geburt von Alina erneut schwanger geworden. Den Vater des Jungen hatte Monika S. dann auch geheiratet. Doch die Ehe hielt nicht lange, das Paar hatte sich 2018 bereits wieder getrennt. Sorgerechts- und Unterhaltsstreitigkeiten riefen erneut das Jugendamt auf den Plan. Die persönlichen Defizite der Mutter, ihre so gut wie nicht vorhandenen sozialen Verhaltensweisen, ihre Egozentrik, ihr Desinteresse an Haushalt und Familie und die emotionale Instabilität - so steht es in den Ermittlungsakten - hätten auch den Mitarbeitern des Jugendamtes auffallen müssen, das bereits 2015 involviert war.

Eintragungen in der Familienakte dokumentieren, dass zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach von „Kindeswohlgefährdungen“ die Rede war. Doch die Probleme seien immer schnell vom Tisch gewesen, da Monika S. stets „kooperativ, authentisch und gut mitgearbeitet habe,“ unterstrich die Familienhelferin die angeblich gut funktionierende Zusammenarbeit. Monika S. sei nicht überfordert gewesen.

Zusammenarbeit mit Jugendamt abgelehnt

Monika S. erhielt für Alina eine sozialpädiatrische Familienhilfe, die allerdings Ende 2019 beendet wurde. Laut Akteneintrag hielt das Jugendamt die Familie „für stabil genug, alleine klar zu kommen“, Monika S. hatte ohnehin eine weitere Zusammenarbeit abgelehnt.

Obwohl zu diesem Zeitpunkt offensichtlich gewesen sein soll, dass Alina als auch ihr Bruder immer wieder im Kindergarten fehlten. „Ein Kindergartenbesuch ist ja freiwillig und nicht zwingend“, hielt die Sozialpädagogin dagegen.

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Als Alina mit akuter Lebensgefahr am 27. August 2020 in die Kinderklinik kam, hatten die Ärzte den grauenvollen körperlichen Zustand des Kindes in Bildern dokumentiert. Der abgemagerte Körper Alinas hatte die Ärzte zu der Aussage veranlasst: „Solche Bilder kennt man sonst nur aus der Tagesschau, aus Hungersnotgebieten.“

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