„Ich bin entsetzt und verzweifelt“Brühlerin kämpft für Pflegeanspruch ihrer Tochter

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Maike Jouaux (r.) kümmert sich stundenweise liebevoll um die behinderte Annika.

Brühl – Den im März bekannt gewordenen Arbeitsentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium zum Pflegereformgesetz hat die Brühlerin Katrin Kossorz aufmerksam gelesen. Eine Passage besonders, denn sie betrifft auch die Pflege ihrer mehrfach behinderten Tochter. Annika ist 14 Jahre alt. Sie kann nicht sprechen, nicht selbstständig laufen und ist geistig beeinträchtigt. „Sie braucht rund um die Uhr Hilfe“, sagt ihre Mutter.

Die Pläne des Gesundheitsministers zur Verhinderungspflege entsetzen Katrin Kossorz: „Was nach diesem Positionspapier geplant ist, macht mich fassungslos“, so die 51-Jährige, denn sie gefährdeten ihre Berufstätigkeit. Kossorz ist an zwei Tagen für 16 Stunden bei einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft tätig. Zwei Brühler Sonderpädagogikstudentinnen, Maike Jouaux und Anna Balster, betreuen in dieser Zeit liebevoll ihre Tochter. Finanziert wird dies über die Verhinderungspflege. Sie sichert so die Berufstätigkeit der Mutter ab.

„Es gibt keine sachlich plausible Begründung“

Doch dies könnte sich mit dem neuen Entwurf ändern. Bisher standen Eltern pflegebedürftiger behinderter Kinder bis zu 2418 Euro zur Finanzierung von kurzzeitiger Pflege zur Verfügung. Künftig sollen die Mittel zur Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege auf 3300 Euro zusammengelegt werden. Für die stundenweise Inanspruchnahme der Verhinderungspflege können dann nach dem bekannt gewordenen Entwurf nur noch 40 Prozent, also 1320 Euro, abgerechnet werden.

„Warum“, fragt sich Kossorz. „Es gibt keine sachlich plausible Begründung.“ Sie sammelt Unterschriften für eine Petition auf der Online-Plattform Open Petition.

Aktuelle Gesetzesvorlage bewirkt das Gegenteil

Zu den finanziellen Belastungen für pflegende Angehörige kommen auch zeitliche und emotionale Belastungen. „Hier sind noch mehr Unterstützungsangebote nötig, gerade was eine flexiblere, bedarfsgerechtere Anpassung der Betreuungsleistungen der Pflegekassen an unterschiedliche Pflegegrade und an die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen betrifft“, sagt sie. „Darum ringe ich immer wieder mit Interessensverbänden.“

Die aktuelle Gesetzesvorlage bewirke aber genau das Gegenteil. „Ich bin entsetzt und verzweifelt“, schrieb Kossorz in einem Brief an den CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif, der den Rhein-Erft-Kreis in Berlin vertritt und sich für das Anliegen der Brühler Familie stark macht.

Kritik an Spahn

Mit der kommenden Einschränkung könnten Eltern behinderter Kinder immer schlechter berufstätig sein. Schließlich müssten auch Randzeiten der Schulen und oder Ferienzeiten abgedeckt werden, argumentiert Kossorz. „Die ohnehin knappen, unverständlicherweise für alle Pflegegrade pauschalisierten und nicht auf junge Menschen angepassten Betreuungsleistungen für hohe Pflegegrade sind für uns eine essenzielle Stütze im Alltag“, führt sie aus. „Ich bin in Teilzeit berufstätig und kämpfe darum, dass dies möglich bleibt.“

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Minister Spahn verkenne offenbar vollkommen die Bedarfe von pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen. Das sei gesellschaftspolitisch ein herber Rückschlag, wenn pflegende Angehörige ihre Arbeitszeit reduzieren oder ihre Berufstätigkeit ganz aufgeben müssten, weil eine Vereinbarkeit von Beruf und Pflege nicht mehr machbar sei. Kossorz: „Diese Vorschläge können nicht das Ziel einer inklusiven Politik sein.“

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