Briefe an 1200 Haushalte täglichUnsere Autorin hat in Brühl den Postboten begleitet

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Was hier so leicht aussieht, ist in Wirklichkeit ziemlich schweißtreibend. Das Postrad wiegt befüllt 70 Kilogramm.

Was hier so leicht aussieht, ist in Wirklichkeit ziemlich schweißtreibend. Das Postrad wiegt befüllt 70 Kilogramm.

  • 18 Kilometer fährt Boris Lorenzen täglich auf seinem Fahrrad, um Post an 1200 Haushalte in Brühl auszuliefern
  • Unsere Autorin hat ihn einen Tag bei der Arbeit begleitet
  • Dabei hat sie nicht nur ordentlich in die Pedale getreten, sondern auch viel über den Weg der Briefe und über das Postboten-Hunde-Klischee gelernt

Brühl – 18 Kilometer radelt Boris Lorenzen jeden Tag durch Brühl, und das alles beruflich. Vier bis fünf Stunden braucht er täglich, um den 1200 Haushalten in seinem Bezirk die Post zuzustellen. Briefe, Werbung und kleine Pakete gehören zu seiner Lieferung. Heute braucht der 37-Jährige etwas länger, denn er hat mich im Schlepptau. Und bis ich mit dem vollbepackten Fahrrad – ich habe leider eines ohne Antriebshilfe gewählt – die Kaiserstraße hoch bin, dauert es etwas länger.

Allein das Rad wiegt 20 Kilogramm. Die beiden vorderen Taschen, die mit Post befüllt sind, wiegen jeweils 15 Kilogramm, die hintere sogar 20 Kilo. Die Taschen werden auf dem Weg immer wieder an Ablagekästen am Straßenrand aufgefüllt. Ich bewege umgerechnet also sechs volle Wasserkästen – den Berg hoch.

Briefzentrum Frechen eines der größten in Deutschland

Ohne zu wissen, was mich bei der Tour erwartet, komme ich morgens noch euphorisch zum Zustellstützpunkt (ZSP) der Post in Brühl. Allzu viele Briefe habe ich im Zeitalter von WhatsApp und E-Mail noch nicht geschrieben, außer vielleicht mal einen an eine Versicherung, trotzdem will ich einmal hinter die Kulissen schauen. Achim Gahr von der Pressestelle der Deutschen Post erklärt mir, was mit den Briefen, die zum Beispiel in Brühl eingeworfen werden, passiert.

Boris Lorenzen hat Volontärin Sarah Herpertz einen Tag lang gezeigt, was zur Arbeit eines Postboten dazugehört.

Boris Lorenzen hat Volontärin Sarah Herpertz einen Tag lang gezeigt, was zur Arbeit eines Postboten dazugehört.

Für alle Briefe, die aus einem Ort kommen, in dem die Postleitzahl mit „50“ beginnt, oder dorthin zugestellt werden sollen, ist das Briefzentrum in Frechen zuständig, das zu den größten in Deutschland zählt. Alle Briefe im Rhein-Erft-Kreis werden also nachmittags aus den Briefkästen geholt und dort hingebracht. Im Briefzentrum werden die Briefe maschinell nach der Zieladresse sortiert und mit einem Strichcode versehen.

Fünfmal die Woche, zu jeder Jahreszeit

Die Post, deren Zielort mit einer anderen Postleitzahl als „50“ beginnt, wird dann in der Nacht an die dafür zuständigen Briefzentren gebracht. Die restliche Post bleibt in Frechen und wird zusammen mit der, die in der Nacht aus anderen Briefzentren dazugekommen ist, von einer sogenannten Gangfolgesortiermaschine noch einmal maschinell nach Zieladresse, also Straße, Hausnummer und dem postalischen Zustellbezirk, sortiert. In Brühl gibt es 21 solcher Maschinen.

Am nächsten Morgen gegen 6.30 Uhr kommen in Brühl bei Boris Lorenzen dann nach Häuserreihenfolge auf seiner Route sortiert alle Briefe an, die er auf seiner Zustelltour verteilen muss. Größere Briefe, Standardbriefe, deren Adressen zum Beispiel schlecht lesbar waren, und kleine Pakete muss er händisch sortieren.

Im Zustellstützpunkt wird die Post sortiert.

Im Zustellstützpunkt wird die Post sortiert.

Gegen 11 Uhr geht es ab aufs Rad. Alle sogenannten Stammzusteller fahren jeden Tag die gleiche Tour ab, fünfmal die Woche, zu jeder Jahreszeit. „Bei Kaiserwetter ist die Bräunung inklusive, am schlimmsten ist es eigentlich, wenn man richtig nass wird“, sagt der 37-Jährige. Viele seiner Kunden kennt er persönlich, vor allen Dingen kennt er aber die Haustüren und Briefkästen. Vom Rad absteigen, die richtige Post in die Hand nehmen, flott zum Briefkasten gehen, einwerfen, wieder aufs Rad steigen, ein paar Meter bis zur nächsten Haustüre fahren, und das Ganze wieder von vorn.

„Auf dem Rad bin ich mein eigener Chef“

„Ich bin hier irgendwie so reingerutscht“, erzählt Boris Lorenzen. Nach der Schule habe er eigentlich Kameramann werden wollen, doch seine Mutter wollte, dass er was „Ordentliches“ lernt, erzählt er weiter. Da entdeckte sie eine Ausbildungsstelle bei der Post als Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen, wie man sie heute nennt. Inzwischen ist der Brühler seit 19 Jahren dabei und Teamleiter. Das heißt, dass er sich nach der Zustellung um weitere Aufgaben in der Zentrale kümmern muss.

Lorenzen beschwert sich nicht, mir scheint, dass er seinen Job gern macht. „Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, bin ich mein eigener Chef, das gefällt mir“, sagt er. Man lerne nette Leute kennen, allerdings auch leichtsinnige.

Vier bis fünf Stunden braucht Boris Lorenzen für seine Tour.

Vier bis fünf Stunden braucht Boris Lorenzen für seine Tour.

Spezielle Schulung zum Umgang mit Hunden

Im September vergangenen Jahres wurde Lorenzen in Brühl von einem Hund gebissen, der im Vorgarten nicht angeleint war. Er wurde am Oberschenkel verletzt. Die Narbe sieht man heute noch. „Die meisten Besitzer sagen dann «Oh, das hat er noch nie gemacht» und sind selbst schockiert“, sagt der 37-Jährige.

„Es gibt kaum Postboten, die noch nie von einem Hund gebissen wurden“, fügt Pressesprecher Achim Gahr hinzu. Dass Hunde und Postboten Feinde sind, ist also mehr als ein Klischee. Um andere Kollegen vor auffälligen Hunden zu warnen, steckt in den Sortierfächern der Haushalte, die solche Tiere halten, ein Warnschild im Zustellstützpunkt. Zudem würden die Zusteller durch spezielle Seminare im Umgang mit Hunden geschult, berichtet Achim Gahr.

57 Millionen Briefe täglich

Lorenzen bleibt nur zu hoffen, dass so etwas nicht noch mal passiert. Denn Arbeit gibt es bei der Post noch reichlich. Abgesehen vom Sonntag werden täglich 57 Millionen Briefe in Deutschland zugestellt. „Wir haben seit Jahren einen Rücklauf von etwa zwei Prozent der Briefe pro Jahr“, sagt Gahr. Aber für Behörden oder Firmen beispielsweise, die Werbung verschicken, seien Briefe immer noch attraktiver als Mails. Zudem seien sie persönlicher.

Vielleicht schreibe auch ich bald noch mal einen Brief auf einem schönem Briefpapier. Vermutlich freut sich der Empfänger beim Lesen darüber wirklich mehr als über eine E-Mail oder WhatsApp-Nachricht. Fragt sich nur, an wen ...

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