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Brühler SchlossBesondere Führung gibt Blick hinter die Kulissen

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Die Galerie gleich unter dem Dach des Treppenhauses ist kleinen Besuchergruppen vorbehalten.

Brühl – Eine Spurensuche „kreuz und quer durch das Schloss“ verspricht Stephan Ernest der kleinen Besuchergruppe an der Schlosskasse an Ostersonntag.

Er will gemeinsam mit den beiden Ehepaaren und dem Journalisten „die Steine umdrehen“ und einen „Blick hinter die Kulissen“ werfen. Und wirklich wählt er einen Weg durch das Schloss, der nur selten den roten Teppich kreuzt, über den das Führungsteam rund um die Historikerin Christiane Winkler sonst viele Tausend Menschen jährlich durch das Rokokoschloss lotst.

Erneuerung der Elektrik im Brühler Schloss war Mammutaufgabe

Vielmehr öffnet Ernest die niedrige Kellerklappe am Nordflügel: „Vorsicht mit dem Kopf.“ Eine staubige Treppe führt hier in ein kühles geräumiges Kellergewölbe. Schwarze Basaltfundamente und Stücke von Treppen, die ins Nirgendwo führen, erinnern an die Reste der mittelalterlichen Burg, auf deren Fundamenten das Schlossgebäude aus roten Ziegeln im 18. Jahrhundert gebaut wurde.

Heutige moderne Elektroinstallationstechnik in verzinkten Kabelkanälen weist auf eines der Mammutprojekte der vergangenen Jahre hin, die Erneuerung der Elektrik aus dem Jahr 1912, verbunden mit dem Austausch der Beleuchtung gegen Energiesparlampen.

Zu einem der höchsten begehbaren Punkte, die großen Besuchergruppen aus Sicherheitsgründen verschlossen ist, führt Ernest die Gruppe, nämlich zur Galerie, gleich unter der Decke mit den berühmten Fresken des Italieners Carlo Carlone. Über die schiefen Stufen der Treppe im Südflügel des Schlosses, die im Zuge eines Erdbeben in den 60er-Jahren schief gezogen wurden, geht es dafür ins Dachgeschoss.

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In den Gängen finden sich große Elektromotoren, mit deren Hilfe die viele hundert Kilogramm schweren Kronleuchter in den repräsentativen Räumen zu Boden gelassen werden können. Revisionsluken führen zum doppelten Boden über den reich geschmückten Decken des großen Speisesaales. Am Ende des Ganges warnt Ernest die Besucher noch, sich nicht auf das Geländer der Galerie zu stützen, es sei mehr ein „Zierrat“ ohne eigentliche Funktion.

Überlebensgroße Figuren der griechischen Sagenwelt im Brühler Schloss

Ein Blick in die schier unendliche Tiefe des reich geschmückten Treppenhauses flößt auf dem wackelig scheinenden hölzernen Fußboden der Galerie Respekt ein. Überlebensgroße Stuckfiguren der griechischen Sagenwelt scheinen die Galerie von unten zu halten. Aber auch das sei ähnlich wie die Gewölbewirkung der Freskenmalerei des Carlo Carlone an der Decke nur eine Täuschung, klärt Ernest auf.

Die Figuren – unter ihnen Diana, die Göttin der Nacht und der Jagd mit einer Mondsichel an der Stirn – tragen nichts, sie sind eher wie von unten dran geklebt. Vertrauen in die Statik vermitteln hier allein mächtige grün lackierte horizontale Stahlstützen, die aus Sicherungsgründen in die Galerie eingezogen worden sind. Sie halten auch die Beleuchtung, die das 200 Quadratmeter große Deckengemälde rundum mit gleichmäßig hellem Licht ausleuchtet.

Auch hier oben geht es Ernest um Spurensuche. Da ist die dunkle Linie am Hals der Dame mit dem blauen Kleid, ein Farbfehler noch aus der Fertigungszeit des Frescos, der Malerei mit Pigmenten in täglich neu aufgetragenen, frischen Putz. In erstaunlichen 13 Tagen „Malzeit“ sei das Deckengemälde entstanden, berichtet der Fachmann.

Spurensuche durch Brühler Schloss geht ins Detail

Überhaupt geht die Spurensuche bis ins Detail, da zeigt Ernest in einem ungeschminkten Porträt die Warze neben der Nase des Kurfürsten Clemens August. Oder er lenkt die Aufmerksamkeit auf die nicht ausradierten Bleistiftstriche, mit denen Handwerker den Ort einer Rosette auf der Wand anzeichneten, als sie einen Bombenschaden aus dem Zweiten Weltkrieg in den ehemaligen Privaträumen des Kurfürsten im Nordflügel reparierten. Spuren der Staatsempfänge der Bonner Republik finden sich in einem Reinraum im Südkeller, wo das Essen für mehr als 300 Gäste, angeliefert aus einer Bonner Gaststätte, warmgehalten und arrangiert wurde.

Staatsempfangsatmosphäre auch im Waschraum mit einer Toilette aus den 60er-Jahren, die einen Bidetstrahl per Fußdruck entsandte. Überhaupt erhält das Wort „Stuhlgang“ in den Ausführungen des Schlossführers eine einleuchtende, neue Bedeutung, denn einen Stuhl mit eingelassener Porzellanschüssel brachten Diener dem Kurfürsten zur Erleichterung genau dorthin, wo er eben benötigt wurde.

Nach gut zweieinhalb Stunden sind die Besucher satt von Eindrücken, reizvollen Ausblicken und Kunstgeschichte. Die Themenführung „Alte und neue Geheimnisse im Schloss“ und andere Führungen unter dem Motto „Altes neu erleben“ werden bis November angeboten.

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