Leute an Rhein und ErftFasziniert von schönen Waffen

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Wilhelm Breidenbach schwärmt vor allem für historische Gewehre, wie etwa einen preußischen Hinterlader von 1871, den er mit viel Liebe zum Detail restauriert hat.

Wilhelm Breidenbach schwärmt vor allem für historische Gewehre, wie etwa einen preußischen Hinterlader von 1871, den er mit viel Liebe zum Detail restauriert hat.

Brühl – Wer den Büchsenmachermeister Wilhelm Breidenbach finden will, muss sein Ziel ziemlich genau anvisieren. Seine Werkstatt liegt versteckt in der Kuhgasse, umgeben von großen Obstwiesen. Das Klingelschild an der Hauswand ist unbeschriftet. Nichts deutet darauf hin, dass hier der einzige Büchsenmacher im Rhein-Erft-Kreis zu finden ist. Hinter Traktoren und landwirtschaftlichem Gerät lugt der 57-Jährige mit dem rauschenden Bart hervor. „Wer mich braucht, der weiß, wo er mich findet“, sagt er lachend zur Begrüßung.

Dass hier keiner zufällig vorbeischaut, das ist Breidenbach gerade recht. Historisch betrachtet allerdings bedauerlich: Denn wer die Treppen zu seiner 150 Quadratmeter großen Werkstatt im Keller heruntersteigt, begibt sich auf eine Zeitreise: Der Handwerker steht bei schummrigem Licht an seiner Büchsenmacher-Drehbank, die er mit dem Fußpedal antreibt. „Die stammt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg“, berichtet er stolz. „Mit der kann man Hundertstelmillimeter abdrehen.“ So können etwa die kleinen Schrauben der geschmiedeten Basküle – das ist das Metallstück, das das Schloss zum Spannen und den Auslöser der Waffe enthält – exakt eingepasst werden.

In der Hand hält Breidenbach eine Büchse aus dem Jahr 1871. Ein preußischer Hinterlader. Neben ihm liegt ein Modell aus der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik Berlin aus dem Jahr 1898, das er gerade zum Jagdgewehr umbaut. Dahinter steht ein verstaubtes Telefon, so ein schwarzes hohes mit klackernder Wählscheibe, wie man es nur noch aus alten Schwarz-Weiß-Filmen kennt. Breidenbachs Tor zur Welt.

Die Luft riecht nach Metall und Öl. In der Ecke eine gemauerte Feuerstelle, auf der Breidenbach auf dem Amboss Rohlinge schmiedet. Dutzende Maschinen stehen in dem feucht-kühlen Raum, allesamt mindestens ein Jahrhundert alt: Gravurmaschinen, Fräsmaschinen, Drehbänke und Schraubstöcke in vielen Größen. Hier ist alles Handarbeit.

Seine Leidenschaft für den Waffenbau entdeckte der Brühler schon als Junge. Dabei ging es ihm nie um das Schießen. Damit hat er bis heute außer als Schütze bei der Kyffhäuser-Kameradschaft Badorf-Eckdorf nichts am Hut. Es ist die Ästhetik der Waffen in Verbindung mit der komplexen Technik, die ihn fasziniert: „Gut anzufassen und mit ganz präziser Funktion. Dazu diese Eleganz aus Holz und Stahl“, schwärmt er. Man müsse unglaublich genau arbeiten, das liege ihm.

Aber so recht ran getraut hat Breidenbach sich dann doch nicht an diesen exotischen Beruf. Er machte eine Lehre als Werkzeugmacher, arbeitete sechs Jahre in dem Beruf. „Dann habe ich doch noch den Rappel gekriegt.“ Der Traum vom Büchsenmacher hat ihn nicht losgelassen. Er, der seine Heimat Brühl nie gern verließ, packte sein Bündel und brach nach Österreich auf. In der Büchsenmacherstadt Ferlach erkämpfte er sich einen Platz in der Höheren Technischen Bundesanstalt und bestand nach einigen Jahren die Meisterprüfung mit Auszeichnung.

Danach kehrte er zurück ins Rheinland und machte sich mit 27 Jahren in Brühl selbstständig. Dabei hat sich der Vater dreier erwachsener Kinder auf die Reparatur von Gewehren und das Ziehen von Spezialläufen spezialisiert. Seine Steckenpferd sind historische Waffen, die er mit viel Liebe restauriert. Die Schützen der umliegenden Schützenvereine lassen ihre Gewehre hier ebenso warten und reparieren wie Jäger aus der Umgebung. Für dieses Jahr ist sein Auftragsbuch schon voll.

Liebhaberstücke

Bei der Neuanfertigung von Waffen kann Breidenbach mit den industriell gefertigten Gewehren nicht konkurrieren. Das will er auch nicht. Seine Produkte sind Liebhaberstücke. So wie sein Erstling, ein Hahndrilling, der blatthoch das Deutsche Waffenjournal von 1989 zierte: „An die 600 Stunden habe ich daran gearbeitet.“ Der Aufwand für eine von Hand gearbeitet Büchse ist enorm: „Klar, dass die wenigsten sich das leisten.“ Allein das Schnitzen des Gewehrschafts aus einem Stück Nussbaumholz dauere eine Woche: Danach werden in mühevoller Kleinarbeit mit filigranen Feilen Muster in Büchsenschaft und Backe eingebracht: etwa die Fischhaut oder die bayerische Backe mit Flamme.

Für den Gewehrlauf steht Breidenbach an seiner Gewehrlaufziehbank, die er aus Eisenbahnschienen selbst gebaut hat. Gerade hat er einen Lauf eingespannt, den er mit einer großen Kurbel bearbeitet. Winzig kleine, ölige Späne fallen in eine Plastikwanne. Zehn bis zwölf Stunden kurbelt er hier in gleichförmigem Rhythmus spiralförmige Linien in den Lauf, die später für den perfekten Drall der Kugel sorgen sollen. Das hat etwas Meditatives, Versunkenes.

Wenn er hier steht, kann er ganz im Augenblick sein. „Ich bin ein sehr geselliger Mensch“, erzählt Breidenbach. Engagiert in der Pfarrgemeinde und in der Dorfgemeinschaft. Wo ehrenamtliches Engagement gefragt ist, ist der Mann mit dem Streifenhemd zur Stelle. Aber dann komme immer dieser Augenblick, da er zurück müsse in seinen Werkzeugkeller, um ganz bei sich zu sein. „Das spüre ich ganz genau. Wenn ich diesen Rückzug in die Arbeit mit mir ganz alleine nicht habe, werde ich unausgeglichen.“

Auch wenn seine Werkstatt eher versteckt liegt, geht Breidenbach mit seinem Beruf offen um. Wer ihn näher kenne, den irritiere seine Arbeit nicht im Geringsten. „Und die meisten anderen, denen ich sage, dass ich Büchsenmacher bin, die denken eh, ich produziere Konserven.“

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