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Bundestagswahl im Rhein-Erft-KreisSpannende Momente in den Kreishäusern

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Gespannt verfolgte SPD-Kandidat Aaron Spielmanns mit seiner Freundin und Wahlkampfleiterin die Auszählung.

Gespannt verfolgte SPD-Kandidat Aaron Spielmanns mit seiner Freundin und Wahlkampfleiterin die Auszählung.

Bergheim/Euskirchen – Als sich gegen 21 Uhr die Mehrheit für den CDU-Kandidaten Georg Kippels verfestigte, klang Applaus durch das Kreishaus. Nach und nach machten sich die Kandidaten, die den Abend in Bergheim verbracht hatten, auf ins Erdgeschoss, um dem CDU-Kandidaten zu gratulieren. Jubel und große Emotionen waren zuvor allerdings kaum zu hören gewesen. Zu knapp war das Rennen um das Direktmandat im Wahlkreis 91, sodass sich die Christdemokraten erst zu später Stunde ihres Sieges sicher sein konnten.

Eine Mischung aus guter Laune und Anspannung war eine lange Zeit in den Räumen der SPD-Fraktion zu spüren. Das gab auch Kreisfraktionschef Dierk Timm zwischendurch zu. „Wenn man bedenkt, dass wir vor Monaten noch bei 15 Prozent lagen, ist die Stimmung natürlich gut“, kommentierte Timm das Ergebnis der Sozialdemokraten auf Bundesebene. Zu dieser Zeit waren er und seine Genossen noch zuversichtlich, dass ihr Kandidat Aaron Spielmanns das Mandat holen kann. Zwischenzeitlich lagen nur 23 Stimmen zwischen den beiden Kontrahenten.

Rhein-Erft: Grüne werden drittstärkste Kraft

Drittstärkste Kraft im Rhein-Erft-Kreis wurden die Grünen mit rund 13 Prozent bei den Erst- und 14,1 Prozent bei den Zweitstimmen. Zwar sei er angetreten, um zu gewinnen, sagte der Grünen-Kandidat Rüdiger Warnecke am späten Sonntagabend. Trotzdem sei es ein „Riesenergebnis“, vor allem, weil die Grünen im Kreis nur wenige Prozentpunkte hinter dem Bundesergebnis zurückblieben. Das sei nicht immer so gewesen. Er hoffe, sagte Warnecke, dass Georg Kippels besonders in Sachen Strukturwandel für den Rhein-Erft-Kreis aktiv werde. „Und vielleicht können so auch ein paar grüne Ideen aus dem Rhein-Erft-Kreis nach vorne gebracht werden“, sagte Warnecke.

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Grünen-Kreisfraktionschef Elmar Gillet, der den Abend mit einem guten Dutzend Parteikolleginnen und -kollegen im Kreishaus verbrachte, zeigte sich „den Umständen entsprechend zufrieden“, was das Bundesergebnis angeht. In der Wahlkampagne seien zu viele Fehler passiert. „Das geht natürlich auch am Rhein-Erft-Kreis nicht vorbei.“ Dementsprechend waren die Grünen zwar zufrieden, Jubel blieb jedoch aus.

„Keine Regierungsbildung ohne die FDP"

Die FDP mit ihrem Bundestagskandidaten Stefan Westerschulze, der auf knapp 9,1 Prozent kam, verwies auf das starke Bundesergebnis von 11,5 Prozent. In den Zweitstimmen übertrafen die Freien Demokraten im Rhein-Erft-Kreis das Ergebnis sogar noch und kamen auf 12,5 Prozent. „Mein Fazit fällt sehr positiv aus“, sagte Westerschulze.

Eine Regierung im Bund ohne FDP-Beteiligung sei nicht möglich. Jetzt habe man die Chance, „mit starken Inhalten in mögliche Koalitionsverhandlungen zu gehen“. Sein eigenes Ergebnis wollte Westerschulze nicht zu hoch hängen: „Bei einer Partei wie uns sind die Erststimmen eher die Kür.“

Linke: „Katastrophales Ergebnis"

Als „katastrophal“ bewertete Şirin Seitz, Kandidatin der Linken, das bundesweite Ergebnis ihrer Partei. Sie selbst bekam 3 Prozent der Erststimmen. Das bundesweite Ergebnis schlage sich auch in den Ergebnissen vor Ort wieder, kommentierte sie. Die Linke habe es nicht geschafft, ihre Inhalte an die Leute zu bringen. Das liege einerseits an parteiinternen Zwisten, aber auch daran, dass sich die Wechselstimmung, die in der Bundesrepublik herrsche, sich vor allem in der Kanzlerfrage zugespitzt habe. Außerdem glaube sie, dass die Linke Stimmen an SPD und Grüne verloren habe.

So spannend das Rennen um das Direktmandat im Wahlkreis 91 und im Bergheimer Kreishaus war, so anders war die Lage im Wahlkreis 92, im Euskirchener Kreishaus. In dem Zweckbau am Rande der Stadt blieben nach einem stillen Nachmittag auch am Abend die große Spannung und Sause aus. Jubel und Applaus drangen jedenfalls weder aus den Fraktionszimmern in die Flure, noch herrschte Stimmung im Sitzungssaal, wo die Prognosen und Ergebnisse über die Bildschirme flimmerten.

Euskirchen: Seifs Sieg zeichnete sich früh ab

Abgesehen von den verantwortlichen Wahlleitern, einem knappen Dutzend Journalisten und einigen Parteivertretern hatte sich dort kaum jemand eingefunden. Detlef Seif, das zeichnete sich sehr früh ab, wird den Wahlkreis 92, zu dem neben dem gesamten Kreis Euskirchen auch die Rhein-Erft-Kommunen Wesseling, Brühl und Erftstadt gehören, erneut gewinnen.

Immerhin, Herausforderin Dagmar Andres (SPD), der der Sprung nach Berlin über die Liste gelang, war glücklich und gegen 20 Uhr hörte man aus dem Raum der FDP das Ploppen einer Sektflasche. Kurz zuvor war deren Direktkandidat Markus Herbrand eingetroffen, der die ersten Hochrechnungen noch zu Hause an der Seite seiner Frau verfolgt hatte.

Herbrand befürwortet Jamaika

Er sei zufrieden, erwarte aber eine langwierige Regierungsbildung ließ der Gemünder wissen, der über die Liste erneut in den Bundestag einziehen wird. „Daran hatte ich keine großen Zweifel, es hätten schon 5,5 Prozent gereicht“, sagte Herbrand. Er finde es stark, dass seine Partei wieder ein zweistelliges Ergebnis eingefahren hat. „Zudem wird es wohl keine Regierung ohne die FDP geben“, sagte er. Seine Sympathien gelten einem Jamaika-Bündnis. „Das liegt mir als Finanzpolitiker näher, aber wir müssen die kommenden Gespräche abwarten“, urteilte Herbrand.

Marion Sand von den Grünen verließ kurz nach Herbrands Ankunft arg zerknirscht das Kreishaus. Mit dem Resultat, insbesondere im Bund, war sie unglücklich: „Das ist ein schlechtes Ergebnis für das Klima“, sagte die 64-jährige Erftstädterin angesichts des durchschnittlichen Abschneidens ihrer Partei.

Sand bereut harten Wahlkampf nicht

Den harten Wahlkampf habe sie nicht bereut, „weil ich mich mit so vielen neuen Themen intensiv beschäftigt und dadurch viel gelernt habe“. Beim nächsten Mal stehe sie aber nicht mehr zur Verfügung. „Dann sollen Jüngere ran“, sagte Sand.

Immerhin gab es Blumen vom Euskirchener Parteisprecher Thomas Keßeler. „Die habe ich bekommen, weil ich mich in die Eifel gewagt habe“, sagte Sand mit einem Augenzwinkern, ehe sie in die Dämmerung aus Euskirchen entschwand.

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Einige Kilometer weiter in Erftstadt war Stefan Söhngen, Direktkandidat der Linken, am Wahlabend unterwegs. „Das ist natürlich ein bitteres Ergebnis für uns Linke. Umfragen haben uns teilweise bei sechs bis acht Prozent gesehen“, sagte er. Mit dem großen Bangen um den Einzug in den Bundestag habe er nicht gerechnet. Sein persönliches Ergebnis im Wahlkreis findet der 24-Jährige jedoch in Ordnung. „Ich glaube aber, dass wir uns in Zukunft noch deutlich breiter aufstellen müssen, um als Partei für mehr Wählergruppen interessanter zu werden.“ Sollte seine Partei ihn nochmal aufstellen, würde sich der Brühler auch erneut zur Wahl stellen.

In Berlin freute sich derweil Rüdiger Lucassen von der AfD, der ebenfalls über die Liste in den Bundestag einzieht: „Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Die Gesamtumstände waren angesichts der Polarisierung zwischen CDU und SPD nicht ganz einfach für uns.“

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