Nachwuchs fehltElsdorfer Männergesangsverein löst sich nach 86 Jahren auf

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Klavier und Notenschrank werden das Probenlokal in der Gaststätte Keuth verlassen. Willi Wilkens (l.) und Karlheinz Heinen wollen dem Gesang irgendwie treu bleiben.

Klavier und Notenschrank werden das Probenlokal in der Gaststätte Keuth verlassen. Willi Wilkens (l.) und Karlheinz Heinen wollen dem Gesang irgendwie treu bleiben.

Elsdorf – Den Männergesangverein Elsdorf (EMGV) gibt es nicht mehr. Nach 86 Jahren wurde der Chor nach der jüngsten Jahreshauptversammlung aufgelöst. Nachwuchsmangel und fehlender Vorstand ließen den Sängern keine Wahl. Jetzt wurde die Streichung aus dem Vereinsregister beantragt.

Schon in den vergangenen Jahren zeichnete sich der Weg ab. Die nur noch 13 Sänger, von denen vier über 90 Jahre alt sind, mussten Auftritte absagen, weil durch Krankheit und Todesfälle keine Chorstärke mehr erreicht werden konnte. So konnte der Chor im vergangenen Jahr erstmals nicht wie gewohnt beim Angelsdorfer Christkindlmarkt auftreten.

EMGV: Keine Konzerte mehr

Der Sängerball, seit über 60 Jahren fester Bestandteil des Elsdorfer Karnevals, wurde im vergangenen Jahr wegen nachlassenden Interesses am Schwoof erstmals zu einer Party abgespeckt. Statt der jährlichen Konzerte gab es seit einigen Jahren nur noch gemütliche Nachmittage mit Choreinlagen.

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Vor acht Jahren war der EMGV, hier mit Vereinswirtin Fia Müller beim Konzert im Josephsheim, noch gut besetzt.

Vor acht Jahren war der EMGV, hier mit Vereinswirtin Fia Müller beim Konzert im Josephsheim, noch gut besetzt.

Jetzt zogen die verbliebenen Sänger den Schlussstrich. Nachdem Vorsitzender Helmut Esser im vergangenen Jahr zurückgetreten war, übernahm Toni Schiffer die Führung der Chorgeschäfte kommissarisch. Bei der jetzt angesetzten Neuwahl stellte sich niemand für das Amt zur Verfügung. „Ohne Vorstand geht es auch rechtlich nicht“, sagte Karlheinz Heinen, mit Willi Wilkens mit der Information der Öffentlichkeit beauftragt. Zudem gebe es „zu wenig Pep im Repertoire“. Moderneres Liedgut sei den Sängern nur schwer zu vermitteln, sagt Heinen.

EMGV spaltete sich 1934 vom Kirchenchor ab

Beide sind mit Herzblut der Chormusik verpflichtet. „Wir überlegen, ob wir ohne Vereinsstatus als Doppelquartett oder ähnliches weitermachen“, sagt Heinen, der den Chor bis 2011 eineinhalb Jahrzehnte Lang geführt hatte. Auf jeden Fall solle die Gemeinschaft erhalten bleiben. Jeden ersten Donnerstag wollen sich die Sänger treffen, „aber nur zum gemütlichen Beisammensein“, wie Wilkens sagt.

Gegründet wurde der EMGV 1934 als Abspaltung vom Kirchenchor. Familie Mertens mit Johann, Christian, Jean, Rudi und Josef, Josef Ging, Walter Malmen und Theo Behr, der damals zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde und dieses Amt ein Vierteljahrhundert lang umsichtig ausübte, waren die Gründer. Erster Chorleiter war der Bedburger Dirigent Nettesheim, wie die Chronik ausweist.

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Zu seinen bekannteren Nachfolgern gehörte der Bergheimer Musikdirektor Christoph Klöver, der ambitionierte Konzerte mit befreundeten Chören und seinem Bergheimer VHS-Orchester und erstmals mit Chorsätzen der leichten Muse mit den Sängern auf die Beine stellte.

Mitbegründer Theo Behr.

Mitbegründer Theo Behr.

1984 übernahm Harald Düren den Dirigentenstab. Der Rödinger Kirchenmusiker prägte den Chor 33 Jahre lang maßgeblich. Nach dessen Tod übernahm 2017 der Quadrath-Ichendorfer Organist Martin Machnik die Arbeit am Pult.

Verein taufte Kalb feierlich

Highlights des Chorlebens waren neben den jährlichen Sängerbällen, Konzerten und Ausflügen weihnachtliche Auftritte in Altenheimen, bei der Kranzniederlegungen, in Gottesdiensten und die Beteiligung am Pfarr- und am Schützenfest. Bis heute gerne erzählt wird die Geschichte von der Kalbstaufe, die den freundschaftlichen Zusammenhalt der Sangesfreunde dokumentiert. 1971 sollte eine Kuh kalben. Landwirt Willi Keuth wartete ungeduldig auf das Ereignis. Während einer Chorprobe war es so weit. Kurzerhand holte ein Sänger das Kälbchen ins Probenlokal Lienemanns, wo das Tier feierlich getauft wurde. Eine amtliche Geburtsurkunde im Chorarchiv belegt den Akt.

Seit 1987 war die Gaststätte Keuth die Sängerheimat. Wirtin Fia Müller will das Klavier und den Notenschrank, die neben Bildern und Urkunden an den Wänden an den EMGV erinnern, vorerst noch stehen lassen. „Vielleicht entwickelt sich aus einer informellen Sängerrunde doch wieder ein klangstarkes Ensemble“, hofft Heinen. Denn schon 1967 stand der Chor mit nur noch zehn Sängern vor der Auflösung, konnte sich durch eine Werbekampagne jedoch wieder erholen. Ob das noch einmal gelingt, ist angesichts der großen Probleme vieler Chöre jedoch fraglich.

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