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450 Pferde gerettetStallgemeinschaft brachte sich in Blessem in Lebensgefahr

Lesezeit 3 Minuten
Katharina Berg (links) und Lina Füssenich sind vertraut im Umgang mit Pferden.

Katharina Berg (links) und Lina Füssenich sind vertraut im Umgang mit Pferden.

Erftstadt – Zunächst war es nur ein Hilferuf von Reimund Hermann aus einem der drei Reitställe in Blessem, der die Stallgemeinschaft im Gymnicher „Pferdeparadies“ der Familie Esser am Donnerstagmittag erreichte. Wer könne helfen, seine Pferde von der überschwemmten Weide zu holen, fragte der Betreiber des Reitstalles. Es war ein Ruf, der eine beispiellose Hilfsaktion zur Rettung von bis zu 450 Pferden in der gesamten vom Hochwasser bedrohten Region lostreten sollte.

Bald sei eine ganze Kolonne von Transportern und Hängern am Blessemer Reitstall vorgefahren, um die Pferde einzuladen, schildert Katharina Berg. Auf der Straße zur Kiesgrube, die wenig später in den Fluten versacken sollte, habe man noch gewendet. Bis zum Bauch hätten die Tiere schon im Wasser gestanden.

Erftstadt-Blessem: Ein Pferd musste zurückgelassen werden

Lina Füssenich schildert, sie habe Tiere wie Menschen angesichts der Wassermassen vielerorts in einer Art Schockstarre vorgefunden, die Menschen waren unfähig zu handeln. Und selten habe sie Pferde mit einer solchen Energie und Ernsthaftigkeit auf die Hänger und Ladeflächen getrieben.

Nur vor einem Kaltblut von etwa 800 Kilogramm Gewicht habe sie passen müssen. Es habe sich nicht in Bewegung setzen lassen, als einziges habe man es zurücklassen müssen. Was aus dem Tier geworden sei, wisse sie nicht. Auch aus jenem Reitstall, der später gänzlich „im Loch“ verschwunden sei, habe man Pferde abgeholt, schildern die Frauen.

Pferde in Erftstadt gerettet: Das Wasser stand bis zur Brust

Gespenstische Szenen erlebten sie in der Nacht zu Freitag. Die „Ponymädchen“, wie sie sich selbst nennen, waren mit Polizeischutz im Katastrophengebiet unterwegs. Sie hörten das laute Rauschen des Wassers, übertönt nur von den Motoren der Helikopter am Himmel und die zuckenden Blaulichter waren die einzige Orientierung. Bis zur Brust hätten sie in den stockdunklen Reitställen im Wasser gestanden, um die Pferde heraus zu holen. Erst sehr viel später sei ihnen klar geworden, in welche Gefahr sie sich dabei begeben hätten. Immer habe die Gefahr bestanden, mit dem Auto im Wasser und Schlamm steckenzubleiben. Mit bis zu 60 Hängern und Transportern sei man zeitweise unterwegs gewesen.

Erftstadt: Spendenkonto für Futterspenden eingerichtet

Beim Verladen von schwierigen scheuenden Tieren habe sich der Profi Meik Meier bewährt. Der Betreiber des „Pferdetaxis“ sei fremde Tiere gewohnt und habe bei der Rettungsaktion geholfen. Während dieser Zeit organisierte die Familie Esser in der Küche des Hauses gemeinsam mit Sarah Münker, André Heinrich, und vielen, vielen anderen den Verbleib der Tiere. Sie erreichten Betreiber von Reitställen in Vettweiß, Aachen, Glessen, Niederaußem und Rommerskirchen. Im eigenen Reitstall fanden zehn Tiere Platz, teils in eilends errichteten Notboxen.

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Parallel suchten sie nach Futterspenden und richteten das Spendenkonto „Pferdehilfe Erftstadt“ ein. Neben vielen Lastwagen mit Futterspenden seien leider auch solche mit unpassender Ladung auf den Hof gefahren, berichten die Helfer, allein vier Lastwagen mit Kleidung. Die parkten am Montag noch auf einem der benachbarten Höfe, keiner wisse wohin damit. Zahlreiche Telefonate und Anfragen, die Bekleidung weiterzuvermitteln, seien bislang gescheitert, so die Frauen.

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