Instrument in Frauenthaler KapelleOrgel soll nicht mehr schweigen

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Der Kirchenmusiker und Orgelspezialist Donatus Haus hält die Kalscheuer-Orgel für ein Juwel, da sich das komplette Instrument noch im Originalzustand befindet.

Der Kirchenmusiker und Orgelspezialist Donatus Haus hält die Kalscheuer-Orgel für ein Juwel, da sich das komplette Instrument noch im Originalzustand befindet.

Erftstadt-Frauenthal – „Sie ist wie eine Prinzessin, die nur darauf wartet, wachgeküsst zu werden“, schwärmt Kirchenmusiker Donatus Haus. Die Schönheit, um die es geht, ist allerdings nicht aus Fleisch und Blut, sondern eine Kirchenorgel aus der Nörvenicher Werkstatt der Gebrüder Kalscheuer. Das Besondere an dem Instrument ist, dass sämtliche Teile im Original erhalten ist. Es thront auf der Empore der Frauenthaler Marienkapelle.

Und es hat dann doch einen Makel: Die Orgel gibt seit Jahren keinen Ton mehr von sich. Vor dem neugotischen Schmuckstück steht deshalb eine kleine schlichte elektronische Orgel, die bei Andachten benutzt wird. Man habe zwar bereits mehrfach überlegt, der alten Orgel neues Leben einzuhauchen, doch seien bislang alle Restaurierungspläne am fehlenden Geld gescheitert, berichtet Haus.

Zwei Kostenvoranschläge

Nun gibt es einen neuen Anlauf, angestoßen vom Blessemer Heimatforscher Albert Esser, der dem Blessemer Bürgerforum angehört. An vielen Stellen ist das Forum dabei, Geld für die Orgel aufzutreiben. Benötigt wird eine stattliche Summe. Zwei Kostenvoranschläge liegen vor. Der eine beläuft sich auf 94 000, der andere auf 164 000 Euro.

Die hohen Kosten erklärten sich maßgeblich dadurch, dass alles in kunstvoller Handarbeit ein- und ausgebaut, repariert und in Gang gesetzt werde, erläutert Kantor Haus. Große Schäden am Holz der Orgel wurden durch das falsche Raumklima im Kirchenraum verursacht. In der Kapelle sei es zu warm und viel zu trocken. Daher ziehen sich Trocknungsrisse an verschiedenen Stellen durch das Holz.

Kloster aus dem 13. Jahrhundert

Ihren Ursprung hat die Marienkapelle als kleines Gotteshaus einer Klosteranlage, die eine Ordensgemeinschaft im Mittelalter errichtete. Die Geschichte des Klosters lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen.

Das Ehepaar Münch ließ 1860 die Kapelle herrichten, von nur noch die Außenwände und ein schadhaftes Dach vorhanden waren. Das später als Krankenhauskapelle dienende Gebäude ist Teil der Münch-Stiftung.

Seit 1994 finden hier fast ausschließlich Andachten der Ordensschwestern des benachbarten Klosters statt. Gebaut hat die Orgel sehr wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 1879 und 1888 die Orgelbauwerkstatt der Gebrüder Kalscheuer aus der Nachbarkommune Nörvenich. Im Jahre 1879 wurde die Marienkapelle in westliche Richtung vergrößert. Dabei wurde eine Orgelempore in das Gotteshaus eingebaut. Seit 2002 ist das Musikinstrument allerdings nicht mehr spielbar. Das Instrument verfügt über neun Register auf einem Manual mit angehängtem Pedal. Zur Ausstattung zählen ferner Schleifladen mit mechanischer Spieltraktur und Registratur.

Beim Heizen und Lüften der Kapelle müssen Pfarrer, Kirchendiener, Kirchenmusiker und Kirchenälteste einige Regeln beachten, damit die Orgel keinen Schaden nimmt. Die Raumluft darf sich nur langsam erwärmen oder abkühlen, nämlich maximal ein Grad Celsius pro Stunde. Die Grundtemperatur soll zwischen sechs  und acht Grad, die Höchsttemperatur 16 Grad betragen. Außerdem wird die Luftfeuchtigkeit kontrolliert, diese muss zwischen 40 und 70 Prozent liegen. (kom)

Eine Menge Arbeit wartet auf die Restauratoren auch bei der Wiederherstellung von Windbalg und Lade. Doch es gibt auch Teile des Instruments, die noch erstaunlich gut intakt sind, wie der Spieltisch und die Registerzüge. Das Wellenbrett, wo die technische Umlenkung der Tastenbewegung erfolgt, damit der angepeilte Ton von der Taste zum Ventil kommt, ist laut Donatus Haus handwerklich meisterlich angefertigt worden. Orgeln im Originalzustand erzählen auch Geschichte. So ist die erste Orgelreihe aus Zink gefertigt. Das war nicht immer so. Naheliegend ist laut Kantor Haus, dass die ursprünglichen Prospektpfeifen mit ihrer Zinn-Blei-Legierung im Ersten Weltkrieg einkassiert wurden und das Metall für die Kriegsproduktion gebraucht wurde. Der Ersatz wurde dann aus Zink geschaffen. Auch andere Pfeifen im Orgelinnern wurden ausgetauscht, möglicherweise aus dem gleichen Grund.

Handschriftliche Botschaft

Eine Überraschung ganz anderer Art fand sich für den Kantor beim Öffnen der Hinterwand. Auf der Rückseite eines Bretts hat ein Orgelstimmer die handschriftliche Botschaft „Gestimmt am 7.10.1920 Josef Luther, Bonn/Rh“ hinterlassen. Schaut man sich den Spieltisch genau an, erkennt man Vertiefungen auf einzelnen Tasten. „Diese Töne wurden ganz offensichtlich besonders oft gespielt“, folgert Donatus Haus daraus. Wenn einst in die Tasten gegriffen wurde, bedurfte es des Orgelspielers und eines Kalkanten, also eines Helfers, der durch das Bedienen des Blasebalgs die Luftversorgung der Orgel sicherstellte und stets den Windstandsmesser im Auge hatte, um rechtzeitig Luft nachzupumpen.

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Wenn die Finanzierung klappen sollte, steht nach der Restaurierung dem Musikgenuss in der Kapelle mit seinem ungewöhnlichen Tonnengewölbe nichts mehr im Weg. Haus: „Die Akustik hier ist gut, und der Klang solcher Orgeln ist schön und weich.“

Das Blessemer Bürgerforum wird die Finanzierung des Orgelprojekts koordinieren. Die Stiftung Frauenthal hat in einem Gespräch mit dem Bürgerforum bereits signalisiert, sich zu beteiligen. Die Stiftung ist Eigentümerin der Kapelle und wünscht sich laut ihrem Vorsitzenden Dr. Franz-Georg Rips, dass die Orgel Ende nächsten Jahres wieder in alter Pracht ertönt.

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