Rassismus-VorwurfBüste von Carl Schurz wird nicht am Schloss Bellevue aufgestellt

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In Liblar soll Carl Schurz seinen Platz behalten. 

Erftstadt – Das war wohl nichts mit Berlin, jedenfalls fürs Erste. Die Büste von Carl Schurz, die am vergangenen Freitag eigentlich im Park von Schloss Bellevue aufgestellt werden sollte, bleibt bis auf Weiteres im Kunstarchiv des Bundespräsidialamtes. Um den gebürtigen Liblarer Schurz, den deutschen Revolutionär und US-Politiker, ist eine Diskussion entbrannt.

Jüngste Forschungen sehen seine Zeit als amerikanischer Innenminister in einem neuen, wenig günstigen Licht. Damals wurden Kinder der indianischen Ureinwohner ihren Familien entrissen und in Internate gesteckt, um sie der Kultur ihres Volkes zu entfremden.

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„Das Bundespräsidialamt nimmt diese Vorwürfe sehr ernst“, teilt dessen Pressestelle mit. Für die vier Erftstädter, die dabei sein sollten, wenn die Büste aufgestellt wird, ist die Reise in die Bundeshauptstadt erst einmal abgesagt. Mit Bürgermeisterin Carolin Weitzel sollten ihre Referentin Marion Schnübbe, Stadtarchivar Dr. Frank Bartsch und Stadtsprecher Christian Kirchharz fahren.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wollte vor seinem Amtssitz an die Väter der deutschen Demokratie erinnern. Carl Schurz gehörte zu den Revolutionären von 1848/49. So kam das Bundespräsidialamt im Sommer vergangenen Jahres mit der Stadt Erftstadt überein, einen Nachguss der Büste, die lange Zeit auf dem Liblarer Carl-Schurz-Platz gestanden hat, im Park von Schloss Bellevue zu platzieren.

Die Gelegenheit war günstig, Erftstadt wollte das fast 100 Jahre alte Original ohnehin im Rathaus aufstellen und einen Nachguss für den Carl-Schurz-Platz anfertigen lassen. Nun hat die Kölner Kunstgießerei Schweitzer, von der auch das Original stammt, eben zwei neue Exemplare gegossen.

Diese Vorwürfe werden Carl Schurz gemacht

Doch mittlerweile ist die Diskussion über den Umgang mit den indigenen Völkern Amerikas auch in Deutschland angekommen. Julius Wilm, der an der Universität Leipzig forscht, hat im Internetmagazin „Geschichte der Gegenwart“ einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel „Jenseits der Legende vom guten Deutschen: Carl Schurz in den USA“. Er nimmt Bezug auf Deb Haarland, die erste indigene Innenministerin der USA. Sie hat die Zwangsverschickung und Umerziehung der Native Americans untersuchen lassen und schreibt von „langanhaltenden generationenübergreifenden Traumata, Zyklen der Gewalt und des Missbrauchs, Verschwinden, vorzeitigen Todesfälle und weitere nicht dokumentierten physischen und psychischen Auswirkungen“.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will an die Ursprünge der deutschen Demokratie erinnern.

Schurz, der von 1877 bis 1881 Innenminister gewesen sei, habe am Aufbau dieser „brutalen Assimilierungsanstalten“ einen herausragenden Anteil. Ein weiterer Vorwurf ist, der Liblarer – Schurz wurde in der Vorburg von Schloss Gracht geboren – habe als Senator die Einführung der Rassentrennung in den Südstaaten Amerikas befördert.

Historiker streiten über Rolle von Carl Schurz

Es gibt aber auch andere Stimmen. Der Freiburger Anglist Professor Wolfgang Hochbruck schreibt: „Schurz’ Ansatz war – und das war selbst aus heutiger Sicht ein großer Schritt – eine möglichst schnelle politische und soziale Integration dessen, was von den indigenen Völkern übrig war, in die weiße Mehrheitsgesellschaft.“

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Alex Burchard, Vorsitzender des Carl-Schurz-Kreises in Erftstadt, sieht das Wirken von Carl Schurz differenziert. Sicher sehe manches, was er entschieden oder getan habe, aus heutiger Sicht rassistisch aus. „Aber er hatte zutiefst menschenfreundliche Beweggründe“, sagt Burchard. Es sei problematisch, Ansichten von heute auf die damalige Zeit umzumünzen.

Im Bundespräsidialamt will man nun abwarten, was die amtliche Aufarbeitung durch das US-Innenministerium ergibt. Eine Entscheidung über die Zukunft der Büste werde im Licht dieser Erkenntnisse getroffen. Eine Entscheidung ist aber nach Angaben der Stadt bereits gefällt: Der Bundespräsident wird die Kosten von 6300 Euro für die Schurz-Büste übernehmen.

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