Yoga-Festival in ErftstadtBeim Aerial-Yoga hängt man in der Luft

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Beim Aerial-Yoga sind Übungen möglich, die ohne Tuch und auf dem Boden niemals funktionieren würden.

Beim Aerial-Yoga sind Übungen möglich, die ohne Tuch und auf dem Boden niemals funktionieren würden.

  • Aerial-Yoga nennt sich eine Variation der Sportart, bei der die Übungen statt auf einer Matte in einem an der Decke befestigten Tuch ausgeführt werden.
  • Man hängt also in der Luft, während man die Übungen durchführt.
  • Unsere Autorin hat es ausprobiert.

Erftstadt – Die Welt steht kopf. In meinen Ohren rauscht das Blut. „Und jetzt streckt ihr euer rechtes Bein nach hinten aus und knickt das Knie. Dann umfasst ihr euren Knöchel mit der rechten Hand und streckt den linken Arm aus“, weist Michèle Brandt an. Rechtes Bein ... Wo genau ist rechts denn jetzt? Ich muss zwei Sekunden überlegen, weil ich kopfüber in einem riesigen Tuch hänge. (Kleiner Tipp: An rechts und links ändert sich auch kopfüber nichts.) Und ehe ich mich versehe, hänge ich in Kapotasana – das ist eine Yoga-Stellung, die Taube.

Die Yoga-Stellung „Die Taube“ ist besonders entspannend für den Nacken und Rücken. Aerial Yoga ist auch für Anfänger geeignet.

Die Yoga-Stellung „Die Taube“ ist besonders entspannend für den Nacken und Rücken. Aerial Yoga ist auch für Anfänger geeignet.

Im Rahmen des Yoga-Festivals des Powerhouse in Erftstadt probiere ich zum ersten Mal Aerial-Yoga aus. Ich bin kein Yoga-Neuling. Hatha- und Vinyasa-Yoga, beides gängige Formen auf der Matte, mache ich schon seit ein paar Jahren. Die Asanas, die verschiedenen Übungen, kenne ich also. An einem Tuch in der Luft zu hängen, ist dagegen eine neue Erfahrung. Und schnell merke ich: Mit dem klassischen Yoga hat diese Form nicht viel zu tun. Das Ein- und Ausatmen und die Konzentration ganz auf sich und den Körper, essenzielle Bestandteile beim Yoga auf der Matte, spielen beim Aerial-Yoga eine untergeordnete Rolle. Zumindest in der Anfangszeit. Stattdessen wird sehr viel geredet.

Es braucht Überwindung

Während Yoga-Lehrerin Michèle Brandt (24) die Übungen vormacht, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass auch ich gleich in genau dieser Haltung hängen werde. Zum einen braucht es etwas Überwindung, darauf zu vertrauen, dass das Tuch einen hält. Zum anderen sehen manche Übungen geradezu spektakulär aus. Von unten in das Tuch „springen“ und dabei eine Rückwärtsrolle machen: Klingt wesentlich komplizierter als es ist. „Hier hat sich noch keiner etwas gebrochen“, versucht uns Michèle Brandt zu beruhigen. „Bisher sind alle unverletzt nach Hause gegangen.“ 2016 hat Brandt die Ausbildung für Aerial-Yoga gemacht, davor hat sie die 200 Stunden Vinyasa-Yogalehrer-Ausbildung absolviert.

Yoga-Lehrerin Michèle Brandt weiß, wie wir elegant in unsere Tücher kommen – und von einer in die andere Position.

Yoga-Lehrerin Michèle Brandt weiß, wie wir elegant in unsere Tücher kommen – und von einer in die andere Position.

„Wir bereiten jetzt den Handstand vor“, kündigt Michèle Brandt an. Wir nehmen die Liegestützposition ein und legen die Füße in das Tuch. Schon das ist enorm anstrengend, da das Tuch nicht ruhig hängt. Im Gegensatz zum üblichen Yoga fehlt hier die Stabilität, die der Boden verleiht. Es braucht Körperspannung und Tiefenmuskulatur.

In der Luft

Aerial-Yoga findet kaum bis gar nicht auf einer Matte statt, sondern in einem sehr großen Tuch, das an der Decke befestigt ist. Es ist ein Mix aus Yoga, Pilates und Gymnastik und hat seinen Ursprung in der Akrobatik. Besonders gut lassen sich Umkehrhaltungen, wie Kopf- und Handstand, und die Balance trainieren, sowie die inneren Muskeln, Kraft und Ausdauer. Die Bandscheiben werden auseinandergezogen, Schultern und Nacken gekräftigt, wodurch sich Verspannungen lösen können. Blutgefäße und Lymphsystem werden entlastet. (jes)

„Und jetzt gehen wir mit den Händen einige Schritte zurück und schieben den Hintern über die Schultern, sodass der Rücken gerade wird. Dann gehen wir wieder zurück und wiederholen die Übung einige Male“, fordert die Lehrerin. Was bei ihr noch federleicht aussah, ist sehr anstrengend, stelle ich fest – und weiß schon jetzt um den Muskelkater am nächsten Tag. Ich versuche, mich auf die Atmung zu konzentrieren, wie ich es aus dem klassischen Yoga kenne. Einatmen, ausatmen.

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Hin- und herschwingen. Ich bin froh, als wir fertig sind. Diese Übung wird definitiv nicht meine liebste werden. Im Gegensatz zum letzten Asana der Stunde: Shavasana – die Totenstellung. Sie bildet den Abschluss einer jeden Yogastunde, um zur Ruhe zu kommen und sich zu entspannen. Wir liegen auf dem Rücken, eingehüllt in unser Tuch, und pendeln vor uns hin. Zum ersten Mal ist es mucksmäuschenstill im Raum und ich genieße die letzten Minuten schwebend im Tuch. Und Michèle Brandt hat recht behalten, wir alle können unverletzt nach Hause gehen.

Das Powerhouse – Zentrum für ganzheitliche Medizin, Otto-Hahn-Allee 12 in Erftstadt-Lechenich, plant ab Herbst regelmäßige Aerial-Yoga Kurse an den Wochenenden.

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