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„Jeck mal anders“Bachemer Prinz Kai I. ist Autist – Mutter Katja steht ihm zur Seite

Lesezeit 3 Minuten
Gemeinsam sind sie stark: Prinz Kai I. und seine Mutter Katja I. setzen sich für Inklusion ein.

Gemeinsam sind sie stark: Prinz Kai I. und seine Mutter Katja I. setzen sich für Inklusion ein.

  • Prinz Kai I. ist jecker Regent in Bachem – und Autist.
  • Große Unterstützung, nicht nur im Karneval, kriegt er von Mutter Katja, die sich besonders für Inklusion einsetzt.
  • Wie sie die Session meistern und was sie zum unschlagbaren Team macht. Die Reportage.

Frechen-Bachem – Es lag etwas in der Luft im Haus Burggraben. Alle waren ein wenig aufgeregt vor der Proklamation des neuen Prinzenpaares. Alle? Alle, außer dem Prinzen selbst. Von Nervosität keine Spur, er strahlte über das ganze Gesicht und sah äußerst zufrieden aus. Kein Wunder, schließlich geht gerade sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung, einmal Karnevalsprinz in seinem Heimatort Bachem zu sein. Eigentlich unvorstellbar, denn Kai Wallraf ist Autist.

Schon im Kleinkindalter wurde bei ihm eine „globale Entwicklungsstörung“ festgestellt. Das Sprechen fällt dem 17-Jährigen schwer, und anfassen lässt er sich nur von Menschen, die er gut kennt. Bützen schon gar nicht. Aber dafür kann er andere Dinge, zum Beispiel Stadtpläne und Buslinien auswendig lernen, Regeln einhalten und sich unbändig über den rheinischen Karneval freuen. „Als Kai sieben Jahre alt war, waren wir zum ersten Mal beim Rosenmontagszug in Köln“, erinnerte sich seine Mutter Katja Wallraf. „Als nach fünfeinhalb Stunden der letzte Wagen an uns vorbeigerollt war, sagte er zu mir: »Mama, mehr.«“

Ihr Motto: „Jeck mal anders“

Damit waren die Weichen gestellt. Seit sechs Jahren läuft Kai bei den „Jecken mit Händikäpp“ der Lebenshilfe Rhein-Erft mit. „Und immer leuchten seine Augen“, sagt seine Mutter. Genauso wie beim Einmarsch zur Proklamation am Samstag. In der einen Hand hielt er einen Korb mit Kamelle, mit der anderen Hand hielt er seine Mutter fest. Vater Michael hatte die Beiden als Adjutant fest im Blick, ebenso Prinzenführer Günter Clauss und Fahrer Günter Dreschmann. Ihr Motto: „Jeck mal anders“. Und tatsächlich, die beiden stellen die Traditionen in Bachem auf den Kopf. „Das erste Mutter-Sohn-Prinzenpaar und der erste Autist als Karnevalsprinz. Ich glaube, sowas hat es noch nie gegeben“, sagte Wolfgang Pullem, Vorsitzender der Zuggemeinschaft „Bachem bliev Bachem“.

Auch das Publikum im ausverkauften Haus Burggraben hielt nichts mehr auf den Stühlen, tosender Applaus begleitete das Prinzenpaar zur Bühne, unterstützt von den Rhein-Erft-Perlen, der Stadtgarde Kerpen und der KG Jeck im Rän. „Toll, dass wir nach einem Jahr ohne Tollitäten endlich wieder ein Prinzenpaar haben. Den beiden fliegen die Herzen ja nur so zu“, freute sich Willi Schuh von der Zuggemeinschaft. Oben auf der Bühne konnte sich Prinz Kai I. angesichts der Zuneigung seines Narrenvolkes ein paar Tränen nicht verkneifen.

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Besonderer Auftritt für das Mutter-Sohn-Prinzenpaar

Nach der Übergabe der Insignien, einer Pfauenfeder für den Prinzen, eines Diadems für die Prinzessin und Blumen von Bürgermeisterin Susanne Stupp, folgte ein Auftritt der besonderen Art. Das Mutter-Sohn-Prinzenpaar präsentierte „Du bes Kölle“ in Gebärdensprache. „Ich bin ganz gerührt“, sagte Wolfgang Pullem. Da war er nicht der Einzige. „Wir wollen die Inklusion voranbringen“, erklärte Katja Wallraf. „Es hat sich schon viel getan, aber es gibt noch Luft nach oben. Als Prinzenpaar können wir dazu beitragen, dass sich etwas ändert.“

Kai Wallraf besucht die Paul-Kraemer-Förderschule in Frechen-Habbelrath. Aber jetzt ist er erst einmal der Prinz von Bachem. Und er zeigt: Nicht nur jeder Jeck ist anders, jeder Karnevalsprinz ist es auch.

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