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Balanceakt in FrechenErst zur Hochzeit, dann zum Todesfall

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Simon Solde ist Bestatter, hält aber auch Hochzeitsreden.

Simon Solde ist Bestatter, hält aber auch Hochzeitsreden.

Frechen – Regen klatscht gegen die Scheiben. Finster aussehende Gestalten mit Degen an der Hüfte, Ohrringen und Piratenhüten versammeln sich. Da tritt ein schwarzgekleideter Mann mit einem Dreispitz vor. Zuerst zittern seine Hände noch ein wenig, doch als er anfängt zu sprechen, ist seine Stimme fest und klar: „Liebe Freibeuter und Landratten, liebe Hochzeitsgäste“, beginnt er und stellt sich vor als Kapitän Simon Solde, der die Freie Trauung von Skipper Olli und seiner Piratenbraut Teresa übernehmen wird. Der 24-Jährige Frechener bittet darum, etwaige nautische oder kommunikative Instrumente auszuschalten. Skipper und Piratenbraut haben sich über das Internet kennengelernt und sind seit zehn Jahren ein Paar. Als symbolisches Geschenk überreicht Hochzeitsredner Simon Solde ihnen eine Sanduhr.

„Eine Beziehung ist immer in Bewegung wie der Sand in dieser Uhr, wie der Sand auf eurem gemeinsamen Lebensstrand.“ Und er schenkt ihnen einen Kompass: „Schaut in schwierigen Zeiten oder bei schwerwiegenden Entscheidungen auf diesen Kompass und vergesst dabei nie, auf eure innere Stimme und euer Bauchgefühlt zu hören.“ Anschließend besiegelt er die Ehe: „Ihr seid nun eins – Mann und Frau.“

„Ich versuche immer, die richtige Balance zwischen feierlich und romantisch zu finden, ohne zu kitschig zu sein. Es muss ja auch zu den Menschen passen“, sagt der Frechener. Er hat eine Ausbildung zum Bestattungsfachangestellten absolviert, legte dann noch eine Zusatzausbildung zum Sterbebegleiter ab. Hauptberuflich arbeitet er nun als Bestatter, organisiert Begräbnisse und berät die Trauernden. Die Verstorbenen überführt er vom Sterbeort, kleidet sie um, wäscht sie und bereitet sie für eine offene Abschiednahme vor. Freiberuflich arbeitet er als Hochzeitsredner zusammen mit Thorsten Friedrich und ist seit 2011 als freier Redner eingetragen.

Einige Wochen später treffen wir uns auf dem Kölner Westfriedhof wieder. Die Buchsbäume und Rhododendrenbüsche glänzen noch nass von dem Regen der vergangenen Nacht. Vor der Trauerhalle versammeln sich die Angehörigen eines kürzlich Verstorbenen, unter ihnen Simon Solde in schwarzem Anzug und weißem Hemd. „Man muss sich schon darauf einstellen. Es ist eben nicht wie auf einer Hochzeit, ich muss darauf achten, nicht fröhlich zu sein, sondern eher demütig.“ Ein Schluchzen ist zu hören, als die Trauergemeinde, angeführt von der Familie, die Halle betritt, in der der Sarg aufgebahrt ist, umgeben von rund 20 Blumengestecken. „Das ist schon außergewöhnlich viel, normalerweise sind es zwei oder drei“, sagt Solde. Er hat sich neben dem Sarg aufgestellt, um die Trauerrede zu halten. „Auch bei einer Trauerfeier darf gelacht werden, aber es ist schon ein Abschied, der festlich sein sollte.“ Dementsprechend intoniert er auch seine Worte – fest, feierlich. Und nachher gibt er noch zu: „Es ist schon ein guter Ausgleich, ab und zu Hochzeitsreden zu halten. Nur Begräbnisse wären doch ein bisschen deprimierend.“ Bereits am nächsten Tag wird Solde wieder bei zwei Hochzeiten auftreten.

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