Bombe eingeschlagenVor 75 Jahren wurde die Metzgerei Wiegand in Frechen zerstört

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Ein Bild aus dem vergangenen Jahrhundert: Die Hüchelner Straße mit der Gaststätte auf der Ecke. Hinten, neben der Personengruppe, steht das Haus mit der Metzgerei.

Ein Bild aus dem vergangenen Jahrhundert: Die Hüchelner Straße mit der Gaststätte auf der Ecke. Hinten, neben der Personengruppe, steht das Haus mit der Metzgerei.

Frechen – Metzgermeister Hans-Jakob Wiegand trägt sich seit langem mit der Idee, die Geschichte seiner Familie und des Familienunternehmens schriftlich zusammenzufassen und in gedruckter Form vorzulegen. Die Basis dazu hat der 78-Jährige bereits auf vielen eng beschriebenen Seiten zu Papier gebracht. Beim neuerlichen Durchblättern fiel ihm jetzt ein Datum vor 75 Jahren ins Auge: der 26. Februar 1943. Damals tobte der Zweite Weltkrieg, die Mutter des knapp dreijährigen Jungen hatte vier Tage zuvor seine Schwester Cilly zur Welt gebracht und lag noch im Frechener Krankenhaus an der Alte Straße.

„Es fielen Bomben auch auf Frechen und die Umgebung. Die Sirenen heulten, auch wir eilten in den Keller“, beschreibt Wiegand die damaligen Erlebnisse. Zusammen mit seinem Vater Johann Josef, der Schwester Trudi und der Oma wartete man dort den Angriff ab. „Es gab auf einmal einen ganz großen Knall, ein Rauschen, Dröhnen und Pfeifen: Steine flogen durch die Luft. Unser Haus war von zwei Bomben getroffen worden, die eine detonierte sofort, die andere hatte einen Zeitzünder, lag irgendwo und konnte jederzeit explodieren. Wir aber lebten alle noch“, heißt es dazu in den Aufzeichnungen.

Unter Einsatz seines Lebens barg der Vater die Familienangehörigen, zog sie unter dem Schutt, Geröll, den herumliegenden Balken und Steinen aus dem Keller ans Tageslicht. Nachbarn eilten zur Hilfe. Die Wiegands wurde erst einmal bei der Familie Dohmen einquartiert, dort saß sie – in Decken gehüllt – vor Schreck noch zitternd – im alten Butterkeller des Molkereigebäudes. Die Detonation der Bombe war auch im Krankenhaus zu hören gewesen und schon wenig später hieß es dort: „In der Hüchelner Straße ist ein Haus zerstört worden.“ Hans-Jakobs Vater eilte ins Hospital, um die Unglücksnachricht selbst zu überbringen und vor allem, um der Mutter mitzuteilen, dass alle wohlauf seien.

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Wenig später begutachtete Johann Josef Wiegand die Schäden an dem Haus und in der Metzgerei, holte aus der noch begehbaren Haushälfte, die persönlichen Sachen heraus. Das Vorderhaus stand noch. Aber ein großes Loch prangte in der Front. Die Polizei vermutete dort eine nicht explodierte Bombe. Dann versuchte der Vater, telefonischen Kontakt zu Verwandten in Oberbettingen bei Hillesheim in der Eifel zu bekommen, die dort einen Hof und ein Transportunternehmen hatten. Hier kam die Familie unter – allerdings ohne den Vater, denn der hatte seine Einberufung zur Wehrmacht bekommen und musste die Uniform anziehen.

Die Familie sah sich in der Eifel erst nach Kriegsende wieder, als der Vater, der aus der US-Gefangenschaft, die er in Sinzig bei Remagen verbrachte, entlassen war. In dem Lager, hatte er auch seinen Bruder wieder gefunden, der ebenfalls in Gefangenschaft gekommen war. Da beide Metzgermeister waren, arbeiteten sie in der Lagerküche.

Zu Fuß ging es schließlich nach Oberbettingen bei Hillesheim, wo Johann Josef Wiegand seine Familie wiederfand. Dank seines Berufs konnte er sehr schnell wieder arbeiten, denn die Bauern in der Umgebung waren froh, dass nun ein Metzger ihre Tiere fachgerecht schlachtete.

Mit Wurst, Speck, Schmalz und Schinken bezahlt.

Schon bald machte sich der Vater nach Frechen auf, um das ausgebombte Haus in Augenschein zu nehmen, das durch eine lange Holzbretterwand abgesperrt war. Wurstküche, Schlacht- und Kühlhaus sowie der Schuppen waren verschont geblieben. Hans-Jakob Wiegand: „Das Haus rechts von unserem Trümmergrundstück, die Nummer 29, gehörte der Familie Engel. Da war mal ein Kolonialwaren- und Textilgeschäft drin, die Räume standen seit langem leer. Meinem Vater kam die Idee, dort wieder eine Metzgerei zu eröffnen.“ Das klappte 1946, die Familie mietete das Ladenlokal sowie die dazu gehörende Dreizimmer-Wohnung für monatlich 80 Mark. Schnell wurden Handwerker mobilisiert, die in der Zeit gern bei einem Metzger arbeiteten, wurden sie doch in der Regel in Naturalien, mit Wurst, Speck, Schmalz und Schinken, bezahlt.

Die Geschäftseinrichtung wurde damals auf dem Kölner Schlachthof organisiert. Und ein alter Schrank, den der Vater aus den Trümmern gerettet hatte, wurde noch über viele Jahrzehnte für die Aufbewahrung der Gewürze und Därme genutzt.

„Wir hatten kaum Ware“

„Die Eröffnung unsere Metzgerei war sehr bescheiden“, heißt es in den Erinnerungen an die ersten Monate des Jahres 1946. „Wir hatten kaum Ware und konnten nur an zwei Tagen in der Woche für wenige Stunden öffnen. Damals kauften die Kunden ja auch noch bis 1948 rationiert mit Lebensmittelmarken ein.“

Inzwischen liegt der 1906 in Efferen von August Wiegand gegründete Familienbetrieb in den Händen der fünften Generation und ist die älteste Metzgerei in Frechen. Hans-Jakob Wiegand: „Es gab in der Stadt früher mal 22 selbstständige Metzgereien, jetzt sind es noch drei Geschäfte.“

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