Hambacher ForstSo bewerten die Kommissionsmitglieder aus Rhein-Erft den Kompromiss

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Hambacher Forst 2014

Der Hambacher Forst (Archivbild)

Rhein-Erft-Kreis – Die Kohlekommission hat im Berliner Bundeswirtschaftsministerium nach einer mehr als 20-stündigen Marathonsitzung am frühen Samstagmorgen ihren Abschlussbericht vorgelegt. Antje Grothus von der Initiative Buirer für Buir sowie Michael Kreuzberg (CDU), Landrat des Rhein-Erft-Kreises, sind beide Mitglieder der Kohlekommission und haben das Papier gebilligt und unterzeichnet. Bernd Rupprecht stellte beiden die gleichen Fragen.

Glauben Sie, dass die Ergebnisse der Kohlekommission zu 100 Prozent umgesetzt werden?

Grothus

Antje Grothus

Grothus: Wir gehen davon aus, dass die vorgelegten Empfehlungen zeitnah und umfassend umgesetzt werden. Als Kommissionsmitglied werde ich versuchen, diesen Prozess kritisch zu begleiten. Meine Arbeit geht also intensiv weiter.

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Kreuzberg: Wenn ich nicht an den Abschlussbericht und die vereinbarten Maßnahmen glauben würde, dann hätte ich dem Ganzen nicht zugestimmt. Es handelt sich dabei um ein eng miteinander verzahntes Maßnahmenpaket, und ich möchte ausdrücklich betonen, dass sämtliche Einzelmaßnahmen einander bedingen. Der Strukturwandel in den Revieren wird noch mehrere Generationen intensiv beschäftigen. Die beschlossenen Maßnahmen sichern den Prozess langfristig „enkelsicher“ ab.

kreuzberg

Michael Kreuzberg

Kritik an den Entscheidungen wird es auch jetzt geben. Wie werden Sie damit umgehen?

Grothus: Konstruktive Kritik ist bei mir immer willkommen. Ich selbst habe ja auch große Kritikpunkte am Endbericht, zum Beispiel was Empfehlungen zu Entschädigungsleistungen und Strompreiskompensation für die Industrie angehen. Allerdings ist das ein Abwägungsprozess, wenn mit diesen zweistelligen Milliardenbeträgen in Zukunft dreistellige Milliardenbeträge an Klimafolge- und Klimaanpassungskosten vermieden werden können.

Kreuzberg: Wenn die Kritik nur von einer Seite käme, würde ich mir mehr Sorgen machen. Dann hätten wir nämlich etwas falsch gemacht und keinen fairen Kompromiss gefunden, der dem energiepolitischen Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit gerecht wird. Allen Seiten wurden hierfür große Zugeständnisse abverlangt. Wir sind uns dessen bewusst, dass es harte Einschnitte für viele Betroffene in den Revieren bedeutet und dass es ein schmaler Grat zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und Klimaschutz ist.

Es gibt konkrete Zusagen des Bundes für viele Ausstiegsmilliarden. Wird das Geld reichen?

Grothus: Ja, wenn es nicht in unsinnige Projekte gesteckt wird. Wir haben Kriterien definiert, dass die Projekte, die mit Mitteln des Bundes gefördert werden, im Einklang mit den international vereinbarten Sustainable Development Goals (SDGs) stehen müssen, um langfristig tragfähige Entwicklungen zu unterstützen. Besonders wichtig ist dabei die Förderung einer CO2-neutralen Wirtschaft. Auch zivilgesellschaftliche Aktivitäten und Lebensqualität sollen gestärkt werden.

Kreuzberg: Sie finden im Bericht die konkrete Zusage des Bundes über 1,5 Milliarden Euro für ein Sofortprogramm bis 2021. Diese sind auch unabdingbar für einen Anschub der Initialmaßnahmen, welche in allen Revieren nur auf den Startschuss warten. Darüber hinaus finden Sie eine ganze Reihe weiterer sehr konkreter Förderzusagen wie beispielsweise die 40 Milliarden Euro als langfristige Unterstützung in den nächsten 20 Jahren. Der Bund ist sich seiner besonderen Verantwortung bewusst, die Regionen dauerhaft bei dem anstehenden Strukturwandel zu unterstützen.

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Der Ausstieg aus der Kohle wird Tausende Arbeitsplätze über Jahre gesehen im Revier kosten. Was sagen Sie den Leuten?

Kreuzberg: Es wird durch den vereinbarten und auf Jahre angelegten Kohleausstieg zwangsläufig zu Umstrukturierungen von Arbeitsplätzen kommen, diese werden aber sozialverträglich gestaltet werden. Das heißt konkret, es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben, zudem werden es umfangreiche Um- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Auszubildenden geben. Weiterhin wird ein Mitarbeiterpool eingerichtet, um die Fachkräfte auf Wunsch dort einzusetzen, wo das Fachwissen gebraucht wird. Zu diesen ganzen Maßnahmen wird es aber natürlich das oberste Ziel sein, weiterhin für Firmenansiedlungen zu sorgen und als Energie- und Bildungsstandort für Unternehmen und Einwohner attraktiv zu sein.

Grothus: Die Sozialverträglichkeit für die Beschäftigen ist sichergestellt. Die für die betroffenen Anwohner und die Umsiedler nach wie vor nicht. Im Geiste der Formulierungen der Einleitung muss die Kommission sich daher mangelnde Glaubwürdigkeit unterstellen lassen. Da ist jetzt die Landesregierung gefordert. Beispielsweise das Leid, das Umsiedlungen mit sich bringen, zu beenden.

Im Beschluss der Kommission steht die Formulierung, es sei wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt. Wann ist der Erhalt des Forstes gesichert, und löst das nun alle Konflikte?

Kreuzberg: Von den geänderten Rahmenbedingungen sind selbstverständlich auch die Betriebspläne der Tagebaue betroffen. Die Abbaufelder werden sich zwangsläufig verändern. Die Kommission hält es in diesem Zusammenhang für wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt. Sollte es keine weitere Notwendigkeit zur Beanspruchung der Flächen geben, soll der Wald erhalten bleiben. Wichtig ist mir aber auch: Der Hambacher Forst ist zwischenzeitlich so etwas wie ein Symbol für den Klimaschutz geworden. Mir ist es vor allem wichtig, dass es dort endlich wieder friedlich zugeht und die unsägliche Gewalt von Teilen der Aktivisten ein Ende hat. Im Übrigen ist der Erhalt des Hambacher Forstes allein noch kein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Viel wichtiger sind hierfür Maßnahmen wie die Löschung von CO2-Zertifikaten im Umfang der CO²-Einsparungen im Zuge des Ausstiegs aus der Kohle.

Grothus: Dass eine Kommission in dieser Zusammensetzung, die noch vor einigen Monaten formuliert hat, dass der Wald nicht in ihr Mandat fällt, sich nun dessen Erhalt von der Bundesregierung wünscht, ist ein großer Erfolg, den wir einer sehr engagierten Zivilgesellschaft und den juristischen Bemühungen des BUND verdanken. Nein, die Konflikte können nicht per Beschluss von Berlin aus gelöst werden. Das ist die Aufgabe aller beteiligten Akteure vor Ort. Insbesondere die Landesregierung muss sich hier endlich ihrer Verantwortung bewusstwerden und sich gestaltend und befriedend einbringen.

Was wird aus den geplanten Umsiedlungen der sieben Dörfer an den Tagebauen Garzweiler und Hambach?

Kreuzberg: Bezogen auf die Umsiedlungsorte bittet die Kommission die jeweiligen Landesregierungen, mit den Betroffenen vor Ort in einen Dialog einzutreten, um soziale und wirtschaftliche Härten zu vermeiden.

Grothus: Die Landesregierungen sollen mit den Betroffenen reden. Soziale und wirtschaftliche Härten sollen vermieden werden. Das soll die Umsiedlerinnen, auf die RWE seit Monaten einen geradezu unmenschlichen Druck ausgeübt hat, entlasten. Die vereinbarten Stilllegungen von Braunkohlekraftwerkskapazitäten stellen den Erhalt der Dörfer sicher.   

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