„Wie Kino im Kopf"So wecken Mentoren in Hürth bei Kindern den Spaß am Lesen

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EIne Geistergeschichte liest Mentorin Maria Rasmussen mit ihrem Lesekind Salin.

Hürth – Freudig wartet Salin (14) vor der Schulbibliothek der Hauptschule Kendenich. Minuten später geht die Türe auf. Herzlich begrüßt Maria Rasmussen das Mädchen. Die beiden sind zur Lesestunde verabredet.

Salin lebt seit drei Jahren mit ihrer Familie in Deutschland, in Hürth. Sie ist in Syrien geboren. Doch der Krieg dort zwang ihre Familie zur Flucht. Längst hat sich Salin gut in Hürth eingelebt. Sie besucht die Hauptschule in Kendenich. Salin geht gerne zur Schule. Sehr gut spricht und versteht sie auch die deutsche Sprache. Und sie liest gerne.

Hürther Mentorin hat Zeit und ganz viel Lust aufs Lesen

Diese Lust am Lesen hat sie sicherlich ihrem Ehrgeiz und Wissensdurst, aber auch dem ehrenamtlichen Einsatz ihrer Lesementorin Maria Rasmussen zu verdanken. Die 67-jährige ehemalige Leiterin des Bürgerhauses ist vom Konzept der Lesementoren hundertprozentig überzeugt. Als gelernte Sozialarbeiterin stand für sie deswegen mit dem Eintritt ins Rentnerdasein schnell fest, Lesementorin zu werden. „Ich habe die Zeit und ganz viel Lust“, erklärt sie.

Diese Freude am Ehrenamt spüren auch ihre Schülerinnen und Schüler. Für Maria Rasmussen sind die Lesestunden Begegnungen in großer gegenseitiger Wertschätzung und eine Freundschaft. „Sie sind ein Geschenk“, so Rasmussen. Mentoren und Kinder lernten voneinander und miteinander. „Ich bekomme von den Kindern so viel zurück“, erklärt sie und beschreibt, wie detailliert und farbig ihr Salin von dem so ganz anderen Leben in Syrien, von der Kultur, der Bedeutung der Familien und der Schönheit des Landes erzählt hat.

Lesekind vergisst beim Schmökern die Welt um sich herum

Von Salin weiß Rasmussen, dass die Schulen in Syrien und der Türkei ganz anders sind als die deutschen Schulen. „Das lässt sich gar nicht vergleichen“, sagt Salin. Die deutschen Schulen und die Lesementoren seien einfach toll. Dann schlug Salin das Buch auf: „Wir lesen gerade eine Geistergeschichte“, erzählt sie. Die sei total spannend. Salin weiß, dass sie sich beim Lesen in eine ganz andere Welt versetzen kann. In ihrem Kopf nehmen die Buchhelden Gestalten an, die Szenen verwandeln sich in Bilder, die sich in ihrem Kopf zu einem Film aneinanderreihen. „Beim Lesen kann ich alles um mich herum vergessen“, erzählt sie.

Zwar lese sie auch viel zu Hause, doch am Schönsten sei es mit Maria, ihrer Lesementorin. „Mit ihr macht das Lesen doppelt so viel Spaß“, sagt sie. Maria erkläre ihr alle unbekannten Wörter und verbessere sie, wenn sie Wörter falsch ausspreche. „Wir sprechen und diskutieren aber auch über den Buchinhalt“, sagt Salin.

Tandem trifft sich einmal in der Woche zum Lesen in Kendenich

Rasmussen und ihre Leseschülerin wirken wie eingespieltes ein Team. Inzwischen kennen sie sich schon zwei Jahre. Damals hatte Salins Lehrerin sie für die besondere Leseförderung vorgeschlagen. Seitdem treffen sie sich einmal in der Woche in der Schulbibliothek zur Lesestunde.

Wie wichtig solche Leseförderungen sind, weiß Margret Schaaf schon lange. Federführend hat sie das Projekt der Lesementoren vor zwölf Jahren in Hürth aufgebaut. „Inzwischen haben wir Mentoren an allen elf Grundschulen sowie an der Gesamt- und der Hauptschule“, erklärt sie.

Die Lesementoren sind ein Projekt der Lesefreunde Hürth, dem Förderverein der Stadtbücherei. Zurzeit betreuen 120 Mentoren insgesamt 132 Kinder. Den Erfolg des Projekts sieht sie vor allen Dingen in der eins zu eins Betreuung. „Die Kinder und Jugendlichen genießen die Zeit richtig, wenn sie die ungeteilte Aufmerksamkeit des Mentors haben“, erklärt Schaaf.

Lesefreunde Hürth suchen weitere ehrenamtliche Mentoren

Ziel der Leseförderung sei es, die Freude am Lesen bei den Kindern zu wecken. „Lesen ist ja wie Kino im Kopf, wie eine Reise in eine andere Welt.“ Außerdem wachse der Wortschatz. „Lesen ist aber auch die Grundvoraussetzung dafür, in allen anderen Fächern im Unterricht mitmachen zu können“, so Schaaf. Sie ist sich deswegen sicher: „Lesen macht einfach schlau.“

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Vor ihrem Einsatz in den Schulen lernen die Mentoren in einer Schulung, wie eine Lesestunde gestaltet und wie die Leselust bei den Kindern geweckt werden kann. Kein Mentor wird in seinem Ehrenamt sich selbst überlassen. In kleineren, aber auch größeren Gruppen treffen sich die Mentoren zudem regelmäßig zum Austausch.

Der Bedarf an weiteren Lesementoren ist groß. Insbesondere für die weiterführenden Schulen werden dringend Männer und Frauen für das Ehrenamt gesucht. Die Lesestunden finden nicht während der Schulferien statt. Die nächste Mentor-Schulung ist für den 26. August terminiert, also nach den Sommerferien. Wer Lust und Zeit hat, sollte sich jedoch sehr zeitnah per E-Mail melden.

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