Kampf gegen CoronaMediziner aus dem Rhein-Erft-Kreis sprechen über ihre Erfahrungen

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Mediziner RE-Kreis

In Armenien arbeiten die Ärzte aus Frechen und Erftstadt mit ihren Kollegen gut zusammen.

  • Armenien hat im Kampf gegen das Coronavirus um internationale Hilfe gebeten. 650 Menschen sind in dem nur drei Millionen-Einwohner-Land bereits gestorben.
  • Vier Ärzte aus dem Kreis beteiligen sich an der Hilfsaktion. Unter der Organisation der I.S.A.R. Germany gehören die Mediziner zu einem 16-köpfigen Team, das in mehreren Krankenhäusern der Hauptstadt Jerewan tätig ist.
  • Udo Beißel hat mit Dr. Niclas Puschner, stellvertretender Ärztlicher Leiter Flugdienste bei der Johanniter-Unfall-Hilfe sowie Notarzt im Rhein-Erft-Kreis, und Dr. Johannes Schumacher, tätig im Marien-Hospital Erftstadt, per Videokonferenz gesprochen.

Erftstadt/Frechen – Herr Dr. Puschner, Herr Dr. Schumacher, Sie haben sich spontan entschieden, an der Hilfsaktion teilzunehmen. Wie kam es dazu?

Puschner: Zu dem spontanen Einsatz kam es durch eine spontane Anfrage seitens des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst des Kreises, Dr. Titz. Caritas International hatte ihn angesprochen. Möglich wurde der Einsatz aber erst durch das Zusammenspiel von I.S.A.R. Germany (International Search And Rescue), welche den Einsatz leiten, dem Armenischen Botschafter in Deutschland Aschot Smbatjan, sowie Caritas International, Weltgesundheitsorganisation WHO und Robert Koch-Institut. Ich möchte mich bei meinen Kollegen und Vorgesetzten bedanken, die es durch Dienstübernahmen möglich gemacht haben, das ich teilnehmen kann.

Seit einer Woche sind Sie in Jerewan tätig. Wie stellt sich die Situation dar und was hat Sie überrascht?

Schumacher: Jerewan hat sechs Krankenhäuser und wir sind in den drei größten eingesetzt. Das Krankenhaus, in dem ich bin, war bis vor wenigen Monaten noch eine Ruine mit minimalem Krankenhausbetrieb. Die Armenier haben es geschafft, in wenigen Wochen hier Notfallzentren zu schaffen und Krankenhäuser hergerichtet, medizinisches Gerät herbeigeschafft – das ist wirklich bewundernswert. Woran es mangelt sind Krankenschwestern aus der Inneren Medizin oder der Intensivmedizin.

Johannes Schumacher vom Marien-Hospital Erftstadt.

Johannes Schumacher vom Marien-Hospital Erftstadt.

Mangelt es an Schutzkleidung und Medikamenten?

Puschner: Teils, teils, es reicht, um den täglichen Bedarf der Kollegen zu decken. Mehr Schutzkleidung wäre wünschenswert. Die armenischen Kollegen, die fast Unmenschliches leisten und dabei hoch motiviert und engagiert sind, sind zwar ausgestattet, haben aber aufgrund der Lage auch einen enormen Verbrauch an Schutzkleidung. Schutzkleidung, Medikamente und technische Geräte, das alles wird bis zum Anschlag benötigt. Wir rechnen aber mit baldiger Unterstützung aus Europa.

Niklas Puschner vom St.-Katharinen Hospital in Frechen.

Niklas Puschner vom St.-Katharinen Hospital in Frechen.

In Armenien herrschen Temperaturen von etwa 40 Grad. Welche Auswirkungen hat das auf Sie und ihre Kollegen?

Puschner: Die hohen Temperaturen sind ein Problem. Die Hitze macht das konsequente Tragen adäquater Schutzausrüstung schwierig und ist anstrengend. Um sich selbst zu schützen, muss man Kittel, Hauben, dichtschließende Brillen, FFP2-Masken und manchmal doppelt oder dreifach Handschuhe tragen. Wenn man dann auf der Intensivstation anfängt, Patienten umzulagern, zu waschen, zu pflegen oder die Beatmung einzustellen, dann ist das eine enorme körperliche Anstrengung, bei der man sehr viel schwitzt.

Man muss sich klarmachen, dass nicht nur Ärzte, sondern auch das Pflegepersonal eine 24-Stunden-Schicht nach der anderen fährt, die Kollegen sind übermüdet und müssen zum Teil in sogenannten Kategorie-5-Schutzanzügen diese Temperaturen bis zum Abend hin aushalten. Das ist beileibe kein Spaß. Es gibt fast keine Klimaanlagen.

Armenien zählt zu den Ländern mit den meisten Neuerkrankungen an Tuberkulose. Für diese Lungenerkrankung gibt es einen Impfstoff. Kann der Impfstoff auch bei der Behandlung von Covid-19-Patienten helfen?

Schumacher: Meiner Kenntnis nach nicht. Der Impfstoff kann bei Corona-Patienten nicht helfen.

Wo liegen die Unterschiede zur Arbeit zu Hause?

Puschner: Es gibt etliche Unterschiede, schon in der Organisationsstruktur. Hier übernehmen junge Kollegen schon sehr viel Verantwortung. Zu den Unterschieden zwischen den Kliniken dort und bei uns – da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Wir sind technisch sehr gut ausgestattet und im Vergleich sehr verwöhnt. Wir lernen gerade eine große Lektion Demut. Die Kollegen hier sind es gewohnt, mit sehr geringen Mitteln das Maximale herauszuholen.

Zum besseren Verständnis: Das Personal hier ist erstaunlich gut ausgebildet, mit besserem Equipment würden die Kollegen wesentlich mehr bewirken können. Wir hoffen, auch nach unserer Rückkehr mit den armenischen Kollegen intensiv zusammenarbeiten zu können. Unterstützung von jeder Seite ist uns dabei herzlich willkommen!

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Zum Abschluss eine Frage an Sie beide: Armenien ist bekannt für guten Weinbrand. Wenn Sie am Wochenende wieder bei Ihren Familien sind – Cognac oder Kölsch?

Puschner: Weder Cognac noch Kölsch. Wenn ich am Wochenende ein Bier trinken sollte, dann ein gutes bayerisches Lagerbier.

Schumacher: Ein kühles Kölsch – oder vielleicht auch zwei.

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