Kampf um Dörfer und MilliardenDas war das politische Jahr 2020 im Rhein-Erft-Kreis

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Nach dem Beschluss zum Kohle-Aus geht der Kampf um die Dörfer am Tagebau Garzweiler weiter.

Nach dem Beschluss zum Kohle-Aus geht der Kampf um die Dörfer am Tagebau Garzweiler weiter.

Rhein-Erft-Kreis – Politisch gesehen steht der ganze Kreis das ganze Jahr über noch immer unter dem Eindruck des Wendepunkts von 2018: dem Entschluss des Bundes, aus der Kohleverstromung auszusteigen. Wie erwartet, bedeutet der Kompromiss zur Kohle nicht, dass nun Frieden einkehrt ins Revier. Das Ringen um die Milliarden hat begonnen. Der Strukturwandel kommt in Bewegung. Es wird auch Zeit: Am Freitagabend wurde der erste Kraftwerksblock in Niederaußem stillgelegt.

Das war das politische Jahr 2020 in Rhein-Erft

Januar:

Seit dem 15. Januar müssen alle Katzen mit Freigang im Kreis kastriert und gechipt sein. Der Rhein-Erft-Kreis hat  eine Katzenschutzverordnung auf den Weg gebracht, die eine Kastration ab dem fünften Lebensmonat vorgibt, und setzt bei der Durchsetzung der Pflicht auf eine enge Zusammenarbeit mit den Tierschutzvereinen: Der Kreis stellt den Vereinen jährlich 15.000 Euro für Kastrationen zur Verfügung.

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Februar:

Die Post gerät wegen des Abbaus von Briefkästen in die Kritik. Bürger und Politiker äußern ihren Unmut, die Deutsche Post wiederum hält den Kreis nach wie vor für gut versorgt. Aber: Weil das Briefaufkommen sinke, werde es unerschwinglich ein so großes Netz an Briefkästen vorzuhalten. Aber die alte Postzeit, in der an jeder Ecke ein Kasten stand, sei leider vorbei. Die postalische Grundversorgung sei teuer.

März:

Wegen des Coronavirus wird der Ruf nach einer Verschiebung der Kommunalwahl laut. Dem schließt sich auch der damalige Landrat Michael Kreuzberg (CDU) an. „Eine solch besondere Situation benötigt auch besondere Maßnahmen“, sagt Kreuzberg. Zum Wahlkampf gehöre es, bei den Menschen um seine Positionen zu werben. Dies sei nun nicht möglich. Die Wahl soll um wenigstens sechs Monate verschoben werden.

Kohleausstiegsgesetz, Strukturstärkungsgesetz, Leitentscheidung – in Berlin, Düsseldorf und im Rheinischen Revier werden das ganze Jahr über Pakete geschnürt, wird an Rädern und Stellschrauben gedreht, werden Projekte auf die Schiene gebracht. Kein Kumpel soll ins Bergfreie fallen. Und 83 Projekte sollen dafür sorgen, dass der Strukturwandel im Rheinischen Revier endlich greifbar wird und Fahrt aufnimmt. 17 von ihnen sind im Rhein-Erft-Kreis verortet.

Das war das politische Jahr 2020 in Rhein-Erft

April:

Zehn Jahre nach der Vorstellung ihres S-Bahn-Konzepts bemängeln die Sozialdemokraten, dass es mit dem Ausbau der Strecken nur schleppend vorangeht. Am weitesten fortgeschritten sind die Planungen der Erftbahn. Die RB 38 soll zur S 12 ausgebaut werden, die alle 20 Minuten zwischen Bedburg, Köln, Troisdorf und Au an der Sieg fährt. Anfangs träumten die Sozialdemokraten davon, dass das Netz bis 2025 steht.

Mai:

Michael Vogel bleibt Kreisdirektor des Rhein-Erft-Kreises. Der Kreisausschuss, coronabedingt mit allen Befugnissen des Kreistages ausgestattet, wählte den Brühler ohne Gegenstimmen, Enthaltungen und Debatte sowie in offener Abstimmung für weitere acht Jahre. Vogel hat in Bonn Jura studiert und seinen beruflichen Werdegang bei der Stadt Köln begonnen. Er wurde 2012 zum ersten Mal als Kreisdirektor gewählt.

Juni:

Das Jobcenter kündigt einen Wechsel an der Spitze an: Birgit Jung wird ab 2021 Herbert Botz ersetzen, der mit einem Altersteilzeitmodell in den Ruhestand geht. Die 52-jährige Birgit Jung gehört noch der Geschäftsführung des Jobcenters Köln an. Botz ist seit 2007 Geschäftsführer des Jobcenters Rhein-Erft. Das Jobcenter betreut rund 16.500 „Bedarfsgemeinschaften“ im Kreis mit knapp 35.000 Personen.

Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) vergibt Sterne, die den Fortschritt der Projekte anzeigen. Bei drei Sternen kann es in die Umsetzung gehen. So weit ist allerdings kaum eins der Projekt, unter denen auch einige alte Bekannte sind, etwa die „Klimahülle“, eine Traglufthalle, die schon 2016 als gemeinsames Projekt von Bergheim, Bedburg und Elsdorf für zukunftsorientierte Unternehmen vorgestellt wurde, oder der Campus Rhein-Erft der TH Köln in Erftstadt.

Das war das politische Jahr 2020 in Rhein-Erft

Juli:

Die Bahnhaltestellen entlang der Erftbahn vermögen nicht gerade zu glänzen. Gleich vier Stationen an der RB 38 hat der Verband Nahverkehr Rheinland nach einer Begutachtung im vorigen Jahr ein „nicht mehr akzeptables Erscheinungsbild“ attestiert. Dazu zählen Bergheim, Zieverich, Quadrath-Ichendorf und auch Bedburg. Der Mängelbericht zu 199 Stationen im NVR-Einzugsgebiet liegt im Sommer vor.

August:

Mit rund 8,6 Millionen Euro werden die sieben Krankenhäuser im Kreis vom Land bedacht. Den größten Anteil unter den Krankenhäusern im Kreis erhält das Katharinen-Hospital in Frechen mit rund 2,6 Millionen Euro, das Marienhospital in Brühl bekommt immerhin noch 1,4 Millionen Euro. Das Geld können die Kliniken im Kreis in Sanierungen und Modernisierungen investieren.

September:

Streiks legen den Öffentlichen Personennahverkehr lahm. Im Rhein-Erft-Kreis sind etwa die Stadtbahnlinien 7, 16 und 1 betroffen, aber auch viele Busse der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft. Auch der Schülerverkehr, sofern er in Linienbusse integriert ist, leidet unter den Arbeitsniederlegungen. Die Pendler sind vielerorts zwar gut vorbereitet, reagieren auf die Belastung aber meist genervt.

Weitere Projekte auf der Liste: das „AI-Village“ für künstliche Intelligenz in Hürth, ein Wärmespeicherkraftwerk in Bergheim oder die Wiederbelebung des Zuckerfabrikgeländes in Elsdorf als „Food-Campus“. Auch in Sachen Verkehr soll es vorangehen: Mit den Linien Köln-Niederaußem und Frechen-Kerpen sind gleich zwei Stadtbahnstrecken Teil der Projekte. Das Strukturstärkungsgesetz, das im August in Kraft getreten ist, sieht zudem weitere S-Bahn-Projekte vor – das Revier soll von Linien zwischen Köln, Düsseldorf und Aachen durchzogen werden.

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Oktober:

Der scheidende Landrat Michael Kreuzberg (CDU) setzt kurz vor seinem Abschied noch eine politische Marke: Er spricht sich in der Diskussion um eine Rheinquerung klar für einen Tunnel auf Kölner Stadtgebiet aus. Das würde den größten verkehrlichen Nutzen bringen und die größte Akzeptanz in der Region finden. „Das ist für Mensch und Tier die Lösung, die am meisten Sinn macht“, sagt Kreuzberg.

November:

Der Rhein-Erft-Kreis hat sich dazu entschieden, fast zehn Prozent seines Erdgasbedarfs mit sogenanntem Windgas zu decken. Das Gas wird mit überschüssigem Strom aus Windkraft oder Photovoltaik erzeugt. Wenigstens 300.000 Kilowattstunden will sich die Kreisverwaltung künftig jährlich vom Energieversorger GVG für seine Gebäude wie Berufskollegs und Förderschulen liefern lassen.

Dezember:

Der Kreis erhält zwei Schnellbuslinien: In 86 Minuten von Brühl nach Dormagen oder in 92 Minuten von Elsdorf nach Wesseling – die neuen Schnellbuslinien der REVG, die mit dem Wechsel zum Winterfahrplan an den Start gegangen sind, machen das ohne eigenes Auto möglich. Die Busse fahren von 5 bis 21 Uhr stündlich, samstags ab 9 Uhr, an Sonn- und Feiertagen alle zwei Stunden ab 11 Uhr.

Wie es mit den Tagebauen bis zu ihrem endgültigen Ende weitergeht, soll die neue Leitentscheidung der Landesregierung klären. Und um die gibt es noch mal richtig Ärger. Anwohner des Tagebaus und Vertreter von Umweltverbänden bemängeln fehlende Beteiligung. Und als im Dezember dann auch noch bekannt wird, dass die Landesregierung ein Gutachten zurückgehalten haben soll, das den möglichen Erhalt von Dörfern rund am den Tagebau Garzweiler bescheinigt, ist die Empörung groß.

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Die Rettung von Berverath, Keyenberg, Kuckum, Lützerath, Oberwestrich und Unterwestrich, die in der Leitentscheidung nicht vorgesehen ist, hatten auch Mitglieder der Kohlekommission gefordert, etwa Antje Grothus von der Initiative Buirer für Buir.

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