1000 Aktivisten in GewahrsamPolizei zieht nach Protesten am Tagebau positive Bilanz

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Nicht mehr friedlich blieb es, als die Polizei die Aktivisten aus der Grube holen wollte.

Nicht mehr friedlich blieb es, als die Polizei die Aktivisten aus der Grube holen wollte.

Kerpen – Einen Tag nach den Protestaktionen im Tagebau Hambach zieht die Aachener Polizei eine positive Bilanz ihrer Arbeit: Es sei gelungen, die Besetzung von Baggern und anderen Großgeräten zu verhindern. Dabei, sagte Polizeisprecher Paul Kemen, habe es keine „Jagd- und Prügelszene“ gegeben.

Rund 1000 Menschen, die in den Tagebau eingedrungen seien, habe die Polizei vorübergehend in Gewahrsam genommen, um ihre Identität „zur Sicherung der Strafverfahren“ festzustellen, sagte Kemen. Da die meisten keine Ausweispapiere bei sich hatten und auch ihren Namen nicht nannten, wurden sie fotografiert, um die Identität noch ermitteln zu können.

Fast alle Aktivisten wieder entlassen

Dann wurden sie gegen Erteilung eines Platzverweises für den Tagebau wieder freigelassen. Bei „niederschwelligen Straftaten“ sei diese Verfahrensweise so mit der Staatsanwaltschaft abgesprochen, erläuterte die Polizei.

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Dieses Verfahren soll sich bis in den Sonntagabend hingezogen haben. Bis dahin hatte die Aktivisten ihre Aktionen beendet. Wie viele Eindringlinge bislang identifiziert sind, konnte die Polizei am Montag noch nicht sagen.

Mit Ausnahme von zwei Personen sind alle Aktivisten am Sonntag wieder aus der polizeilichen Obhut entlassen worden. Die beiden Männer, die festgenommen wurden, sollten am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden. Ihnen wird Widerstand gegen Polizeibeamte vorgeworfen.

Szene mit Pfefferspray „Momentaufnahme“

Kemen nahm auch Stellung zu zwei Fotos, die die Organisation Ende Gelände mittlerweile im Internet verbreitet: Eines zeigt Polizeibeamte, die aus Gaskartuschen Pfefferspray direkt auf eine Gruppe sitzender Aktivisten sprühen, die sich ihre Hände schützend vor das Gesicht halten. Dabei, sagte Kemen, handele es sich um eine „Momentaufnahme“, die ein falsches Bild der Situation suggeriere. Die Gruppe sei kurz davor gewesen, sich an Widerstandshandlungen zu beteiligen. Dennoch werde die Szene von der Polizei in der Nachbereitung des Einsatzes noch einmal durchleuchtet.

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Ähnlich verfälschend seien auch Bilder, die zeigen sollten, wie berittene Polizisten mit ihren Pferden vermeintlich in eine Gruppe von Aktivisten hineinritten. In Wahrheit sei es so gewesen, dass die Demonstranten auf die Pferde zugelaufen seien, um genau solche Bilder zu erzeugen. So solle die „gute Arbeit“ der Polizei diskreditiert werden, sagte Kemen. Kurzzeitig hätten Aktivisten ein Beladegerät eines Baggers erklimmen können. „Die haben wir aber schnell wieder heruntergeholt.“

Zwei verletzte Polizisten

Die Polizei, die mit rund 1000 Beamten vor Ort war, beklagte bei dem Einsatz zwei Verletzte: Ein Beamter hatte sich die Hand gebrochen, ein anderer sei gebissen worden. Wie hoch die Zahl der Verletzten bei den Aktivisten ist, bleibt unklar. Wie die Organisatoren von Ende Gelände mitteilten, habe die Polizei auf dem Weg in die Grube „konfrontative Situationen“ vermieden. In der Grube sei die Situation aber zeitweise eskaliert.

Bundestagsabgeordnete von Linken und Grünen, die als „parlamentarische Beobachter“ vor Ort waren, werfen der Polizei nun vor, „unverhältnismäßig Gewalt“ angewendet zu haben.

Anders sieht dies der SPD-Landtagsabgeordnete Guido van den Berg: Er wünschte den beiden verletzten Polizeibeamten eine schnelle Genesung. Es sei nun wichtig, die von den Aktivisten begangenen Straftaten des Hausfriedensbruches und der Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte auch effektiv zu verfolgen. Dies dürfe nicht im Sande verlaufen. Auch Verstöße gegen das Vermummungsverbot dürften nicht verharmlost werden.

RWE kündigte bereits zivilrechtliche Maßnahmen an

RWE hatte schon im Vorfeld angekündigt, das „widerrechtliche“ Eindringen in den Tagebau straf- und zivilrechtlich verfolgen zu wollen. Unterstützung für das Bergbauunternehmen gibt es auch von der Initiative „Unser Revier – An Rur und Erft – Unsere Zukunft“. Diese meint, dass Deutschland nicht gleichzeitig aus der Braunkohle und aus der Atomkraft aussteigen könne.

Man brauche „keine Belehrungen von außen“, wie die Energiewende durchgeführt werden solle, sagte Arthur Oster, stellvertretender Vorsitzender Initiative. Zwar bringe der Braunkohletagebau „zweifellos“ Belastungen mit sich, „aber der Nutzen überwiegt deutlich“. Der Strukturwandel durch die Energiewende müsse sozialverträglich ablaufen und dürfe nicht überstürzt werden. „Was die Klimaaktivisten fordern, wäre schlichtweg der Ruin für diese Region.“

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