Prozess gegen BraunkohlegegnerNur noch ein Aktivist aus dem Hambacher Forst in U-Haft

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Ihre Gesichter verdeckten die vier Angeklagten vor Gericht. Bislang konnte ihre Identität noch nicht geklärt werden.

Ihre Gesichter verdeckten die vier Angeklagten vor Gericht. Bislang konnte ihre Identität noch nicht geklärt werden.

Kerpen – Wer sind diese jungen Leute? Das Amtsgericht Kerpen wusste nichts über die Braunkohlegegner, die am Donnerstag zum Prozessauftakt im Saal saßen. Name, Alter, Nationalität, Anschrift. Alles nicht bekannt. Im Januar sollen sie mit Blockaden gegen weitere Rodungen in dem uralten Waldgebiet am Tagebau Hambach protestiert haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Alle vier wurden mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Genannt wurden sie nur „UP“: Unbekannte Person.

Seit Januar saßen die vier Angeklagten in Haft, nun sind immerhin drei der Aktivisten wieder auf freiem Fuß. Möglicherweise stammen einige von ihnen aus dem Ausland, die zwei jungen Frauen und Männer verständigten sich im Gerichtssaal auf Französisch und Englisch mit ihren Anwälten und Dolmetschern.

Aktivisten wollten Herkunft verschleiern

Die Aktivisten haben sich große Mühe gegeben, ihre Herkunft zu verschleiern. Bei ihrer Festnahme hatten sie Handflächen und Fingerkuppen so mit Sekundenkleber verschmiert, dass keine Fingerabdrücke genommen werden konnten. Das vermutliche Kalkül: Normalerweise kann ein Verdächtiger etwa bei Widerstandshandlungen nur kurze Zeit in Gewahrsam genommen werden, um die Identität festzustellen. Ohne Ausweise und mit verschmierten Fingern ist das aber oft kaum möglich. Nicht selten werden die Randalierer dann wegen der Geringfügigkeit ihres Vergehens freigelassen. Im aktuellen Fall wurde die Untersuchungshaft jedoch verlängert, was rechtlich möglich ist, um die Beschuldigten vor Gericht zu stellen, so der Aachener Staatsanwalt Jost Schützeberg.

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Polizisten berichten davon, dass sich andere Aktivisten sogar freiwillig einkoten oder mit Menstruationsblut einreiben, damit die Beamten sie nicht anfassen. Auch wenn die Finger der Verdächtigen schließlich mit Chemikalien vom Klebstoff befreit seien, würden sich die Festgenommenen mit aller Macht dagegen wehren, dass Abdrücke gemacht werden – und drohten mit Anzeigen wegen Körperverletzung. „Letztlich bleiben dann nur Fotos, worauf aber immer wieder das Gesicht verzogen wird, damit die Bilder nicht zum Abgleich in Datenbanken taugen.“

„Es ist kein Widerstand, wenn ich mich nur ankette“

Die Angeklagten in Kerpen wurden vor etwa zwei Monaten festgenommen. Mehrere Hundert Polizisten hatten versucht, im Hambacher Forst, der dem Tagebau weichen soll, Barrikaden zu räumen, die dort auf den Wegen errichtet worden waren. Von den Beschuldigten saß einer in einer metertiefen Grube, in der er sich angekettet hatte. Zwei andere Angeklagte saßen auf einem dreibeinigem Holzgestell, auch sie hatten sich angekettet. Die vierte Person soll in Seilen gehangen haben. Alle vier mussten von der Polizei gelöst werden, bevor die Barrikaden geräumt werden konnten.

Nach Ansicht des Kölner Strafverteidigers Christian Mertens habe es sich bei den Aktionen nicht um eine Straftat gehandelt. „Es ist kein Widerstand, wenn ich mich nur ankette.“ Die Angeklagten hätten deshalb erst gar nicht inhaftiert werden dürfen. Zudem sei die lange Untersuchungshaft nur darauf zurückzuführen, dass sie die Angaben ihrer Personalien verweigern. Dies täten die Angeklagten, um für ihren Prozess eine möglichst große Aufmerksamkeit zu erreichen.

Die Verhandlung wurde vertagt. Ob die drei „Unbekannten“, die wegen der bereits verbüßten Haft auf freien Fuß gesetzt wurden, zum neuen Termin auch erscheinen, bleibt abzuwarten. Der vierte Beschuldigte bleibt weiter im Gefängnis, weil er ein Messer bei sich geführt haben soll. (mit det)

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