Streit um GutachtenRWE will im Hambacher Forst großflächig roden

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Hambacher Forst dpa neu

Der Wald muss dem Braunkohletagebau weichen.

Kerpen-Buir – Das Unternehmen RWE will im kommenden Herbst und Winter mehr als die Hälfte der noch bestehenden rund 200 Hektar großen Restflächen des Hambacher Forstes abholzen. Das Unternehmen beruft sich dabei auf ein Gutachten, das den Charakter des Waldes als potenzielles FFH-Schutzgebiet (Flora, Fauna, Habitat) nach europäischen Recht verneint. Was steht in diesem Gutachten und wie geht es im Hambacher Forst nun weiter? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Von wem stammt das Gutachten?

Der Kieler Biologe Ulrich Mierwald hat das Gutachten im Auftrag des Unternehmens angefertigt. Es diente als Grundlage für die Zulassung des Hauptbetriebsplanes für den Tagebau Hambach für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis 2020 durch die Bezirksregierung Arnsberg.

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Zu welchem Schluss kommt der Experte?

Wie Mierwald berichtet, sei der Hambacher Wald kein Bestandteil des europäischen ökologischen Netzes Natura 2000. Das besteht aus Gebieten mit seltenen Tieren und Pflanzen, die dann als FFH-Gebiet besonders geschützt sind. Anfang der 2000er-Jahre musste das Land NRW dafür geeignete Gebiete der Europäischen Kommission melden, habe dies aber im Falle des Hambacher Forstes unterlassen, obwohl dort etwa die streng geschützte Bechstein-Fledermaus lebt. Dies sei rechtens gewesen, da das Land nicht alle Fleddermaus-Gebiete habe anmelden müssen, sondern hier eine Auswahl treffen durfte. Es sei ausreichend gewesen, genügend andere Gebiete bei der EU für das Natura-Netz anzumelden. Die Liste der FFH-Gebiete ohne den Hambacher Forst sei so auch schon 2006 von der EU bestätigt worden. „Das Meldeverfahren ist nun abgeschlossen.“

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Ist das nicht schlecht für die Fledermaus?

Den Hambacher Forst nachträglich noch zu einem FFH-Gebiet zu erklären sei laut Bundesverwaltungsgericht nur dann zwingend, wenn es für die Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Arten notwendig ist. Dies sei jedoch etwa bei der Bechstein-Fledermaus nicht der Fall. So leben davon im Hambacher Forst noch zwei Kolonien mit jeweils rund 35 Weibchen. Im Land NRW gebe es aber noch zwölf andere Kolonien, etwa im Münsterland, mit insgesamt 426 Weibchen, deren Zahl sogar in den letzten Jahren angewachsen sei. „Aus keinem der Schutzgebiet liegen Berichte vor, dass sich die Habitatqualität verschlechtert hat.“ Auf den Hambacher Forst könne so als Lebensraum der Bechstein-Fledermaus verzichtet werden, ohne die Art zu gefährden.

Wie sieht es bei den Pflanzen im Hambacher Forst aus?

Im Bereich Vegetation sei es ähnlich, so der Gutachter: Demnach zählen im Hambacher Forst 138 Hektar zum Lebensraumtyp Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald. Davon gebe es aber alleine im Land NRW noch 4652 Hektar, die zu 98 Prozent gut bis sehr gut erhalten seien. Auch hier gebe es also keine Rechtfertigung, den Wald als FFH-Gebiet noch nachzumelden. So gebe es etwa auch bei Weilerswist im Kreis Euskirchen noch 232 Hektar dieses Waldtypus, die ebenfalls kein FFH-Gebiet seien.

Was sagt RWE?

Auch ohne den FFH-Schutzstatus investiere das Unternehmen rund 50 Millionen Euro in den Artenschutz rund um den Tagebau Hambach, berichtet Michael Eyll-Vetter, Leiter Tagebau. Die beim Unternehmen für Naturschutz zuständige Sandra Janz berichtete, dass für die Fledermäuse rund 700 Hektar in der Umgebung des Tagebaus neu aufgeforstet und bepflanzt werden. So könnten sich die Tiere an den neuen Baumreihen entlang bewegen und so neue Lebensräume in den Wäldern rund um Kerpen und Nörvenich erreichen.

Was sagen die Kritiker?

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält das Gutachten für nicht zutreffend. Mierwald habe sich etwa beim Punkt „Gebietsmeldung“ einen von den gesetzlichen Kriterien abweichenden eigenen Bewertungsrahmen geschaffen. Es stelle sich die Frage, ob es ein „Gefälligkeitsgutachten“ sei. So würden auch die Restflächen des einst 4000 Hektar großen Waldes die Kriterien für eine Aufnahme in das europäische Netz Natura 2000 erfüllen. Bei den Meldungen von FFH-Gebieten könne kein Schlussstrich gezogen werden.

Wie geht es nun weiter?

Die Rodungen dürfen aus Naturschutzgründen erst ab dem 1. Oktober beginnen. Der BUND wird erneut versuchen, dies auf juristischem Wege zu verhindern und hat beim Verwaltungsgericht Köln die Aufhebung des RWE-Hauptbetriebsplans bis 2020 beantragt.

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