Um Besetzungen zu verhindernHäuser in Manheim-alt sollen schneller abgerissen werden

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Die Zahl der Bagger, die in Manheim-alt Häuser abreißen, wurde nach Aussage von Wilhelm Lambertz vom Bürgerbeirat drastisch erhöht.

Die Zahl der Bagger, die in Manheim-alt Häuser abreißen, wurde nach Aussage von Wilhelm Lambertz vom Bürgerbeirat drastisch erhöht.

  • Seit 2012 wird Manheim umgesiedelt.
  • Die Ortsfläche soll für den Braunkohle-Abbau in Anspruch genommen werden.
  • Nun wurde das Tempo der Abrissarbeiten verdreifacht, um neue Hausbesetzungen zu verhindern.

Kerpen-Manheim – Kaum ein Haus ist noch bewohnt – und trotzdem klopft und hämmert es aus vielen verlassenen Gebäuden. Fenster werden herausgetragen, Fliegengitter vor Hausöffnungen gespannt. Zwei Männer schrauben im Parterre Bretter in die hohlen Fensterrahmen. Ein Lastwagen rauscht vorbei. Staub wirbelt auf. Eine Straße weiter schaut man ins Nichts. Dort, wo vor einigen Tagen noch Einfamilienhäuser standen, liegen nun mehrere Schutthaufen. Überall stehen Container, befüllt mit Bauabfällen verschiedener Schadstoffklassen.

So viel wie in diesen Tagen ist noch nie in Manheim-alt abgerissen worden. Das bestätigt die Stadtverwaltung. Der Abbruch solle forciert werden, um erneute Besetzungen der leerstehenden Häuser zu vermeiden, sagt Pressesprecher Erhard Nimtz geradeheraus. Für die vier kürzlich noch besetzten Häuser hatte die Stadt bereits Abrissgenehmigungen erteilt, sie sind vom Erdboden verschwunden.

Zwei Baggerfahrer kommen kaum aneinander vorbei auf dem engen Bauweg. Sie geben sich Mühe, denn der Bauer hat gerade das angrenzende Feld bepflanzt. Die Saat geht auf, das Dorf stirbt. Auf dem Manheimer Friedhof sind schon die meisten Grabsteine verschwunden. Vereinzelt stehen noch welche.

Wunsch des Bürgerbeirats

Wie ein Insekt krabbelt ein Arbeiter über einen ehemaligen Schuppen. Er muss zügig das Eternitdach entfernen, bevor die Bagger kommen. Wegen der möglichen Asbestbelastung trägt er eine Atemschutzmaske. In einem frisch geklinkerten Gebäude hat es gebrannt. Aus dem Vorgarten ragen verrußte Säulen aus der Erde. Auf dem Dach fehlen die Pfannen, auch der Dachstuhl ist angekokelt. Bald wird auch dieses Haus fallen.

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„Das Tempo der Abrissarbeiten ist verdreifacht worden, auch auf unseren Wunsch hin“, berichtet Wilhelm Lambertz, Vorsitzender des Bürgerbeirates Manheim. „Bislang waren hier nur drei Bagger tätig, jetzt sind es zehn. Allerdings ist einer kaputtgegangen – Motorschaden.“ Lambertz kommt aus der Baubranche. Er sei nicht so „zartbesaitet“, sagte er: „Aber manche alten Manheimer, die haben bitterlich geweint, als die Besetzungen begannen.“

Viele Braunkohlegegner verstehen dieses Verhalten nicht. Sie wollen das alte Manheim erhalten. Graffiti verweisen auf „explodierende Mieten“. Der Buirer Kurt Classen schreibt, dass noch nicht alle Manheimer ihre Häuser verkauft hätten. Es werde erwogen, gerichtlich gegen die Abrissgenehmigungen vorzugehen. Wilhelm Lambertz sieht darin allerdings keinen Sinn. „98 Prozent der Leute denken: »Es ist zwar richtig schlimm, dass es jetzt hier halbwegs so aussieht wie im Krieg, aber besser weg als besetzt«.“

Immer weniger Einwohner

Im alten Manheim leben nach der jüngsten Einwohnerstatistik noch 212 Menschen. Bürgerbeiratsvorsitzender Wilhelm Lambertz glaubt, dass es weniger sind: „Viele haben sich noch nicht umgemeldet.“ Er schätzt die Zahl der Alt-Manheimer auf 100, hinzu kommen noch etwa 90 Flüchtlinge, die die Stadt in den leeren Häusern untergebracht hat. Im Umsiedlungsort Manheim-neu wohnen bereits über 1100 Menschen.

Laut Bürgerbeirat gab es früher rund 520 Häuser. Rund 100 seien schon verschwunden, 100 Abrissgenehmigungen beantragt. „Bis Ende 2019 sind 60 Prozent der Häuser weg“, rechnet Lambertz. Ab Mitte 2019 sollen die ersten Straßen beseitigt werden. Derzeit werde „mit Augenmaß“ abgerissen, so der Beiratsvorsitzende: „Links und rechts von einem bewohnten Haus wird natürlich nichts gemacht. Auch die Versorgung mit Strom, Wasser und anderen Leitungen muss natürlich erhalten bleiben, wo noch Menschen leben.“ Bis 2022 müsse der Ort nach den derzeitig gültigen Plänen aber komplett verschwunden sein. (rj)

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