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„Bürger machen Landwirtschaft“Unternehmen versorgt 100 Mitglieder mit Lebensmitteln

Lesezeit 4 Minuten
Reinhard Kamp (auf dem Traktor), Tanja Schlote und ein paar Helfer setzen Jungpflanzen auf dem Hellmese Hof.

Reinhard Kamp (auf dem Traktor), Tanja Schlote und ein paar Helfer setzen Jungpflanzen auf dem Hellmese Hof.

Pulheim-Stommeln – Die Idee ist denkbar einfach. Die Verbraucher zahlen das, was es kostet, Gemüse anzubauen und zu ernten. Dafür bekommen sie es Woche für Woche frisch vom Feld aus der Region und unverpackt auf den Tisch.

Wo es ein solches Angebot gibt? Schon bald im Mühlenort, auf den Feldern des Hellmese Hofs an der Nettegasse 53. Im Frühjahr soll der Startschuss fallen. „Das ist ein Riesending, wir gründen ein Unternehmen, das nicht gerade klein ist, das Risiko wird auf viele Schultern verteilt“, sagt Reinhard Kamp, dem der Hellmese Hof gehört, den er seit 1991 nach Demeter-Richtlinien bewirtschaftet.

„Mieter“ kümmern sich um Pfelge der Felder

Hof und Verein

Reinhard Kamp hat den Hellmese Hof vor 28 Jahren von seinem Großonkel Johann Kamp übernommen. Seit 1991 bewirtschaftet er die Flächen nach Demeter-Richtlinien. Zu dem kleinbäuerlichen Hof gehören 20 Hektar Ackerland, fünf Hektar Grünland, eine Mutterkuhherde, Schafe und ein Hofladen.

Mehr als 45 Gemüsesorten, aber auch Getreidekulturen, sollen angepflanzt werden. Saisonal. Geerntet wird einmal pro Woche, die Ernte wird zu gleichen Teilen in der Gemeinschaft aufgeteilt. Jedes Mitglied von „Bürger machen Landwirtschaft“ kann auf dem Hof mitarbeiten. Die Initiatoren der GbR möchten den Hof mit den Mitgliedern erhalten und ausbauen. Er soll ein Treffpunkt werden für alle Generationen. (mma)

www.buergermachenlandwirtschaft.de

Die Idee, die GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) „Bürger machen Landwirtschaft“ zu gründen, hat der 64 Jahre alte Landwirt mit der Pulheimerin Tanja Schlote ausgetüftelt. Das nötige Wissen haben sich die beiden im Sommer in einem von Fachleuten begleiteten Förderprogramm der Regionalwert AG angeeignet. „Wir wurden 100 Tage begleitet, jede Woche haben wir uns mit einem anderen Themengebiet beschäftigt, darunter Marketing, Steuern, Recht. Wir haben auch gelernt, einen Business-Plan zu erstellen. Zum Schluss haben wir unser Konzept vor Investoren präsentiert“, sagt Tanja Schlote.

Die zweifache Mutter war nach ihrem Maschinenbau-Studium viele Jahre in einer Firma für Bürogebäudeplanung tätig und dort für Vertrieb und Beratung zuständig. Seit mehr als sechs Jahren nutzt sie Flächen des Hellmese Hofs für ihr Projekt „Mein Gemüsegärtchen“. Die „Mieter“ kümmern sich um die Felder, wässern sie und ernten, was Landwirt Kamp zum Saisonstart eingepflanzt beziehungsweise gesät hat. Das Projekt habe die Liebe zur Landwirtschaft ihn ihr entfacht, sagt Tanja Schlote. Doch zurück zum aktuellen Projekt: Im Business-Plan für das Jahr 2020 sei „alles drin“, sagt Reinhard Kamp.

Finanziell Schwächere zahlen weniger

Dazu zählen unter anderem die Kosten für die Maschinen, das nötige Werkzeug, aber auch eine halbe Stelle für einen Gärtner, eine Hilfskraft für die Feldarbeit und die Koordination, die Tanja Schlote übernehmen wird. Aber auch „Risiken sind eingerechnet, wie etwa Ernteausfälle, weil Jungpflanzen vertrocknen“, sagt Reinhard Kamp. Rund 45 Gemüsesorten wollen die beiden saisonal pflanzen. Die Kosten haben sie für ein Jahr im Voraus kalkuliert und durch die Mitglieder der GbR geteilt. „Der Ertrag dieser Fläche reicht, um 100 Personen zu versorgen“, berichtet Tanja Schlote. Entsprechend suchen sie für das Jahr 2020 100 Mitglieder für ihre GbR, die für ein Jahr das Gemüse erhalten.

Abholen können die Mitglieder es am Erntetag an einer von fünf Verteilstellen in der Nähe des Hofes. Als „Richtpreis“ haben Tanja Schlote und Reinhard Kamp 70 beziehungsweise 110 Euro kalkuliert, die jedes Mitglied, nach Einkommen gestaffelt, monatlich zahlt. Hinzu kommt eine Einmalzahlung in Höhe von 300 bis 400 Euro. Der Betrag werde wieder ausgezahlt, wenn das Mitglied aussteige, so Tanja Schlote. Da die GbR auf das Prinzip Solidarität setzt, zahlen diejenigen, die finanziell schwächer gestellt sind, weniger. Schlote: „Insgesamt muss die kalkulierte Jahressumme jedoch gemeinsam erwirtschaftet werden.“

„Menschen sollen Verantwortung für Landwirtschaft übernehmen“

Neben dem Prinzip Solidarität sind es zwei Motive, die Tanja Schlote und Reinhard Kamp antreiben. „Wir schaffen Arbeitsplätze und bezahlen die Mitarbeiter anständig. Und wir möchten, dass die Menschen um uns herum wach werden, dass sie Verantwortung für die Landwirtschaft übernehmen. Man kann über alles schimpfen, man kann aber auch etwas tun.“

Ihr Konzept „Bürger machen Landwirtschaft“ stellen Tanja Schlote und Reinhard Kamp am Dienstag, 14. Januar, 11. Februar, und 3. März, sowie am Donnerstag, 30. Januar, jeweils 19 bis 20 Uhr, auf dem Hellmese Hof, Nettegasse 53, vor. Auch beim Saatgutfestival am Samstag, 29. Februar, 11 bis 17 Uhr, am VHS-Studienhaus in Köln, Cäcilienstraße 35, sind sie dabei. Anmeldung unter 0151/19435718.

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