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Hoffnung und SkepsisRevier reagiert gemischt auf die Empfehlungen der Kohlekommission

Lesezeit 6 Minuten
Am Niederaußemer RWE-Kraftwerk herrschte allgemein eine gewisse Erleichterung.

Am Niederaußemer RWE-Kraftwerk herrschte allgemein eine gewisse Erleichterung.

  • Gemischte Reaktionen auf den Abschlussbericht der Kohlekommission im Revier
  • RWE sieht gravierende Folgen
  • Gute Chancen für Hambi, Manheim und die Kartbahn

Kerpen/Bergheim – Vernehmbares Aufatmen hier, leichte Zweifel dort – so könnte man die Reaktionen auf die Empfehlungen der Kohlekommission im Revier beschreiben. Während der Chef der Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, von einem „ordentlichen Ergebnis“ spricht, beschleicht manchen Klimaaktivisten am Hambacher Forst ein wenig die Angst. Am Waldrand sagt ein 30-jähriger Kölner: „Der Erhalt des Hambacher Waldes ist nicht nur »wünschenswert«, wie es in der Kommissionsempfehlung heißt, der muss festgeschrieben werden.“

Vor dem Werkstor des Niederaußemer Kraftwerks sieht man hingegen viele entspannte Gesichter. Zwar wollen die meisten anonym bleiben, doch der Optimismus überwiegt.

Rüdiger Boosen, 47-jähriger Schichtleiter aus Bedburg, sagt es ganz offen: „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass man so bedacht mit dem Thema umgeht und die Versorgungssicherheit berücksichtigt. Das ist gut. Atomenergie und Kohle gleichzeitig abzuschaffen, das geht nicht.“

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Erleichterung bei den Kraftwerk-Mitarbeitern

Ein 49 Jahre alter Kollege glaubt nun daran, dass er sich keinen neuen Job mehr suchen muss: „Ich glaube, dass der Übergang finanziell gut abgefedert wird, das war ja bei der Steinkohle auch so. Dass wir die Kraftwerke schließen, ist ja klar, aber klar ist auch, dass man uns noch ein paar Jahre brauchen wird.“

„Hauptsache kein abrupter Stopp. Ich bin ein bisschen beruhigt“, ergänzt ein 53 Jahre alter Quadrath-Ichendorfer. Ein Aachener Elektrotechnik-Ingenieur sieht aber noch Handlungsbedarf: „So schnell ist der Umstieg aber nicht umsetzbar. Die Erneuerbaren schaffen das noch nicht, da muss der Staat noch mehr investieren.“

Darin stimmt der RWE-Mitarbeiter am Werkstor durchaus mit einigen Aktivisten am Hambacher Forst überein. „Die regenerative Energie muss jetzt schneller ausgebaut werden“, sagt einer an der Mahnwache bei Buir. Der 30-jährige Kölner meint aber auch: „Man muss sich jetzt mehr um den Hambacher Forst kümmern. Der Wald liegt auf einer Tonschicht und muss abgedichtet werden, wenn die Tagebaukante immer näher kommt, sonst trocknet er aus und stirbt.“ Auf jeden Fall gehe der Protest weiter, sagt ein anderer Waldbewohner: „Ein Erfolg ist es ja, dass es jetzt überhaupt einmal einen Ausstiegstermin gibt und dass der Hambacher Wald überhaupt erwähnt wird, aber es gibt noch viele Fragezeichen.“ Der Protest müsse und werde weitergehen: „Immerhin ist der Schulterschluss mit der breiten Bevölkerung da.“

Manheim und Kartbahn bleiben auch

Andreas Büttgen von der Initiative Buirer für Buir, ist allerdings sicher, dass der Hambacher Wald gerettet wird: „Aufgrund der Vorverhandlungen mit Bund und Land bin ich mir ziemlich sicher, dass der Wald gerettet wird. Ich bin froh, dass wir nun einen ganz klaren Einstieg in den Kohleausstieg haben.“ Büttgen glaubt, dass das Rheinische Revier früher aus der Kohle aussteigen wird als die Reviere im Osten Deutschlands. Er glaubt auch, dass sowohl Manheim-alt als auch die Manheimer Kartbahn erhalten bleiben können: „RWE hat immer betont, dass es keine spitzen Winkel beim Abbaggern geben kann. Wenn der Hambi bleibt, dann bleiben auch Manheim und die Kartbahn.“

Jutta Schnütgen-Weber vom Kerpener BUND sieht das ähnlich: „Der Hambacher Wald hat jetzt gute Chancen, das ist auch ein großer Schritt für Manheim-alt.“ Sie habe erfahren, dass die Stadt nun doch die befürchteten Rodungen auf öffentlichen Flächen in Manheim-alt aussetzen werde: „Es wäre jetzt sinnvoll, die Bürger von Kerpen einzubeziehen in diese Neuplanungen.“

In einer ersten Reaktion äußerte auch Manfred Maresch, Bezirksleiter der IG BCE Alsdorf, Freude über den Kompromiss: „Es ist sicherlich eine gute Nachricht, dass man sich geeinigt hat. Es wurden zwar eine ganze Menge Sachen vereinbart, die uns nicht glücklich machen, andere werden aber helfen, die Folgen für unsere Kollegen abzufedern.“ Eine gute Nachricht sei es auch, dass der erwartete Braunkohleausstieg für die energieintensiven Betriebe abgefedert werde.

„Vorhersehbar war, dass das rheinische Revier den ersten Schritt machen muss, um die von der Bundesregierung gewollten Klimaschutzmaßnahmen einzuleiten“, heißt es in einer Stellungnahme der CDU Rhein-Erft: „In unserer Energieregion stehen die leistungsstärksten, aber auch ältesten Kraftwerksblöcke.“ Das Revier stehe vor nie dagewesenen Herausforderungen. Für die CDU stehe die soziale Absicherung der Beschäftigten ganz oben auf der Agenda.

„Der Osten hat geschickter verhandelt“, meint der SPD-Parteivorsitzende und Landtagsabgeordnete Guido van den Berg. Das rheinische Revier müsse die Hauptlasten tragen. Dennoch sieht er die Chance, mit dem Kommissionsergebnis nun Planungssicherheit in den Strukturwandel zu bringen.

Startpunkt für Strukturwandel

„Mehr geht immer“, meinen die Grünen im Rhein-Erft-Kreis. Doch mit dem Fahrplan der Kommission habe man endlich einen Startpunkt für den Strukturwandel. Dass der Erhalt des Hambacher Forstes zumindest als wünschenswert deklariert worden sei und notwendige finanzielle Zuschüsse in die Region flössen, sehen die Grünen als „wichtige Etappenziele“.

„Endlich wird der Ausstieg aus der Braunkohle konkret angefasst“, meinen die Linken im Rhein-Erft-Kreis. Zwar bleibe der Kompromiss hinter den Erwartungen vieler Klimaaktivisten zurück, doch wichtige Teilziele würden erreicht. Kritisch sehen die Linken die „zu erwartenden Milliardenentschädigungen für RWE“, wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Kreistags- und Regionalratsfraktion heißt: „Es darf nicht sein, dass RWE am Ende am Ausstieg noch verdient.“

Die Initiative „Kohlenstoffrevier“, der neben Guido van den Berg unter anderem der frühere Landrat Werner Stump (CDU) und der ehemalige FDP-Landtagsabgeordnete Horst Engel angehören, bezeichnet den Kohleausstieg als „völlig unnötig“. Braunkohle sei ein dringend benötigter und noch dazu der einzige heimische Universalrohstoff. Das klimaschädliche CO2 könne in nützliche Produkte umgewandelt werden.

Braunkohlegegner sind mit dem Kompromiss unzufrieden, sie kündigen Widerstand an. „Der Beschluss der Kohlekommission schafft nicht den erhofften Frieden, er feuert den Konflikt um die Kohle weiter an“, heißt es in einer Pressemitteilung der Initiative „Campact“. Es sei erfreulich, dass der Hambacher Wald bleiben solle und der Kohleausstieg beginne. Dennoch würden die Klimaziele auf Jahre verfehlt.

Auch der ehemalige Landrat Klaus Lennartz meldet sich zu Wort: „Der Kompromiss beinhaltet hervorragende Perspektiven für unsere Region. Jetzt müssen wir weg vom politischen Gezänk.“

RWE sieht gravierende Folgen

Dr. Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender der RWE, erklärt: „Die Vorschläge der Kommission haben gravierende Konsequenzen für das Braunkohlengeschäft von RWE. Wir werden die konkreten Folgen für unser Unternehmen sorgfältig analysieren. Bewertungsmaßstab muss sein, dass mit der Politik Lösungen gefunden werden, bei denen weder den Beschäftigten noch dem Unternehmen Nachteile entstehen.“ Es sei aber laut RWE erkennbar, „dass die Vorschläge der Kommission gravierende Folgen für das Braunkohlegeschäft von RWE haben werden“.

Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass zunächst bis 2022 Braun- und Steinkohlekraftwerke schrittweise stillgelegt werden. Die in dem Bericht genannten Stilllegungen von Braunkohlekapazitäten könnten aus Sicht von RWE „nicht ausschließlich im Rheinischen Revier“ erbracht werden. Im Rahmen der 2015 vereinbarten Sicherheitsbereitschaft lege RWE bis 2023 ohnehin Braunkohlekapazitäten im Umfang von 1,5 Gigawatt still, teilte das Unternehmen mit. 1,2 Gigawatt davon seien bereits vom Netz gegangen. Bis 2030 sollen weitere Kohlekraftwerke vom Netz. RWE geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt der Tagebau Inden und das Kraftwerk Weisweiler mit 1,8 Gigawatt installierter Kraftwerksleistung stillgelegt werden.

Erhaltung des Hambacher Forsts kritisch

Das von der Kommission empfohlene Abschlussdatum für die Kohleverstromung 2038 hält das Unternehmen für „deutlich zu früh“. Deshalb sei es vernünftig, dieses Datum 2032 noch einmal einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Dabei sollte dann auch eine „energiewirtschaftlich notwendige Verlängerung“ erwogen werden.

RWE betont, der Bericht der Kommission werde „keine Auswirkungen auf die derzeit laufenden Umsiedlungen im rheinischen Revier“ haben. Den Wunsch der Kommission, den Hambacher Forst zu erhalten, sieht das Unternehmen kritisch. Dies hätte massive Auswirkungen auf die Tagebauplanung, ihre technische Umsetzung und die Kosten, heißt es in einer Pressemitteilung. Das Unternehmen „geht davon aus, dass die Politik das Gespräch zu diesem Thema suchen wird“. (rj)

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