Strukturwandel im Rheinischen RevierLandrat: „Finanzministerium gibt sich ahnungslos“

Lesezeit 4 Minuten
Landrat Michael Kreuzberg fordert Klarheit aus Berlin.

Landrat Michael Kreuzberg fordert Klarheit aus Berlin.

  • Rhein-Erfts Landrat Michael Kreuzberg ist Mitglied der Kohlekommission. Er übt harsche Kritik an Teilen der Bundesregierung und am Bundesfinanzministerium.
  • Auch drängt er auf verbindliche Zusagen zu finanziellen Hilfen beim Thema Strukturwandel: „Je besser und schneller die Strukturmaßnahmen, desto früher der Kohleausstieg.“

Rhein-Erft-Kreis – Harsche Kritik übt der Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Michael Kreuzberg, am Umgang mit der Kohlekommission. Kreuzberg, der Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Berliner Kommission ist, wirft den Bundesministerien für Umwelt und Finanzen mangelnde Kommunikation und dem Finanzministerium zudem „Ahnungslosigkeit“ vor. Mit Kreuzberg sprach Bernd Rupprecht.

Herr Kreuzberg, am Mittwoch wollte die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung eigentlich ihre Abschlussergebnisse vorstellen. Stattdessen wird heute eine neue Arbeitsgruppe tagen. Muss die Kommission nachsitzen?

Nein, die Kommission muss nicht nachsitzen, weil wir uns ganz überwiegend einig waren, heute das Ergebnis unserer Beratungen zu liefern. Wer anderes behauptet, sitzt nicht in der Kommission oder wirft Nebelkerzen auf eigene Verantwortlichkeiten. Im Gegenteil, die Kommission scheint zu gut, zu schnell und zu ausgleichend gearbeitet zu haben, was anscheinend einige überrascht hat. Leider musste die Kommission feststellen, dass Teile der Bundesregierung nicht gut genug aufgestellt sind, um mit der Arbeit der Kommission mitzuhalten. So hat sich mir der Eindruck gebildet, dass zwischen dem Umwelt- und dem Finanzministerium die notwendige Kommunikation nicht stattgefunden hat. Zunächst wurde mit Blick auf die UN-Konferenz in Kattowitz im Dezember hoher Druck aufgebaut, um dort Ergebnisse liefern zu können. Doch ein Gespräch mit dem Bundesfinanzminister fand bis heute nicht statt. Dieser muss ja das Geld für die notwendigen Strukturmaßnahmen bereitstellen. Und auch anderen Bundesministerien scheint die Kommunikation mit dem Bundesfinanzministerium nicht geglückt zu sein. Dieses gibt sich nämlich ahnungslos. Eigentlich ein Skandal, wenn man bedenkt, dass die Kommission seit Juni hart und intensiv arbeitet und um Lösungen ringt.

Alles zum Thema Angela Merkel

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch Kanzlerin Angela Merkel hat darauf bestanden, dass die Kommission ihre Arbeit verlängern soll. Sind die Chancen gestiegen, zu verbindlichen Ergebnissen zu kommen?

Noch einmal nein, da die Kommission bereits auf einem sehr guten Weg war. Der neue Plan sieht vor, dass wir am 1. Februar 2019 definitiv unsere Arbeit abschließen und einen Abschlussbericht vorlegen. Bis dahin müssen Bund und Länder höchst verbindlich festlegen, mit welchen konkreten Maßnahmen sie die Strukturentwicklung unterstützen werden, da die Reviere selbst die Transformationsprozesse nicht alleine bewältigen können. Die Kommission hat eine weitere Arbeitsgruppe eingerichtet, die die strukturpolitischen Notwendigkeiten und Maßnahmen vordiskutiert und vorverhandelt. Klar ist, dass es für das politisch gewollte Auslaufen der Kohleverstromung eine adäquate Unterstützung für die betroffenen Regionen geben muss.

Hat die Kommission eigentlich das Gefühl, nur Feigenblatt zu sein? Man hat ja den Eindruck, die Leitlinien für den Ausstieg werden in Hinterzimmern auf höchsten Ebenen der Bundesregierung getroffen...

Diesen Eindruck könnte man gewinnen, allerdings muss das Hinterzimmer relativ klein sein, wenn noch nicht einmal der Bundesfinanzminister hineinpasst ...

Ist die Kritik der Ost-Ministerpräsidenten, dass wichtige Strukturfragen noch nicht geklärt werden konnten, berechtigt? Das Bundesfinanzministerium spricht immer noch von nur 1,5 Milliarden Euro für Strukturhilfen.

Die Ministerpräsidenten der ost- und mitteldeutschen Bundesländer drängen genau wie ich darauf, dass die Strukturhilfen konkret und verbindlich zugesagt werden müssen. Ich habe stets die Meinung vertreten, dass erst ein vernünftiger Strukturwandel-Fahrplan erstellt werden muss, bevor ein Ausstiegsdatum festgelegt wird. Wenn allerdings im Bundesfinanzministerium so getan wird, als habe man über die 1,5 Milliarden Euro für Strukturhilfen in der laufenden Legislaturperiode hinaus keine weiteren Finanzierungen vorzusehen, frage ich mich, wie uns die notwendige Verlässlichkeit seitens der Bundesregierung für den Strukturwandel-Prozess garantiert werden kann. Dieser Prozess kostet nun mal Geld. Meines Erachtens, da pflichte ich unserem NRW-Wirtschaftsminister Prof. Pinkwart bei, brauchen wir für alle bundesdeutschen Reviere insgesamt einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. Die Hilfen, die dafür notwendig sind, müssen in ein Gesetz gegossen und zusätzlich durch einen Staatsvertrag auf 20 bis 30 Jahre abgesichert werden, um die Ergebnisse auch unter möglicherweise anderen politischen Verhältnisse zu sichern.

Diskutiert wird, dass mehr Kraftwerke im Westen als bislang geplant zuerst stillgelegt werden sollen. Schon in den Jahren ab 2022 sollen mehr Kraftwerke vom Netz gehen ...

Im Rheinischen Revier stehen die ältesten und emissionsintensivsten Kraftwerke Deutschlands. Es stellt überhaupt keine Neuigkeit dar, dass, wenn man über Möglichkeiten der Reduzierung von CO2-Werten spricht, diese als erste im Fokus stehen würden. Als Pragmatiker sage ich: Wenn wir in den Revieren die Alternativen auf dem Arbeitsmarkt entwickelt haben, Preisstabilität erreicht ist und das deutsche Stromnetz dafür gewappnet ist, dann sollten wir aus der Kohle komplett aussteigen. Je besser und schneller die Strukturmaßnahmen und je größer die Unterstützung des Bundes für die Reviere, desto früher der Kohleausstieg. Dies könnte eine Leitlinie sein. Ich plädiere in diesem Zusammenhang dafür, dass die Verteilung der Strukturhilfen neben dem Grad der Betroffenheit auch die Zeitpunkte berücksichtigt, zu denen Kraftwerkskapazitäten vom Markt genommen werden.

Was bedeutet diese Leitlinie für den Hambacher Forst und die Umsiedlungsorte? Gibt es eine Chance für den Wald?

Die Kommission ist nicht für solche Einzelfragen zuständig, die zudem zwischen Bundesregierung und dem bergbaubetreibenden Unternehmen geklärt werden müssen. Persönlich glaube ich, dass die Chance zum Erhalt des Hambacher Forstes gestiegen ist.

KStA abonnieren