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Turbulenter Parteitag in FrechenHeike Steinhäuser führt die SPD Rhein-Erft

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Heike Steinhäuser ist überraschend neue Vorsitzende der SPD Rhein-Erft.

Rhein-Erft-Kreis/Frechen – Ein turbulenter Parteitag der SPD Rhein-Erft hat am Samstag einen unerwarteten Ausgang genommen. Am Ende der Mitgliederversammlung in Frechen stand keiner der im Vorfeld bekannten Kandidaten an der Spitze der Partei: weder der bisherige Amtsinhaber Daniel Dobbelstein aus Kerpen noch seine Co-Kandidatin Simone Weesbach aus Brühl noch Herausforderer Thomas Thielemann aus Frechen. Neue Vorsitzende ist überraschend die Bedburgerin Heike Steinhäuser.

Die 64-Jährige ist Vize-Landrätin und Kreistagsabgeordnete. „Wir müssen nun einen Weg gehen, der uns allen guttut“, sagte Steinhäuser, die als Fachbereichsleiterin bei der Stadt Grevenbroich arbeitet. Sie bot allen SPD-Mitgliedern Gespräche an. Zu ihren Stellvertretern wurden Aaron Spielmanns aus Bedburg, Helge Herrwegen aus Wesseling und der Kreistagsfraktionsvorsitzende Dierk Timm aus Pulheim gewählt. Torsten Bielan aus Kerpen bleibt Kassierer, Melani Schmilewski aus Elsdorf löst Ute Meiers als Schriftführerin ab.

Applaus im Stadtsaal

Als das klare Wahlergebnis für Steinhäuser verkündet wurde (85,5 Prozent der Stimmen, 153 Ja-Stimmen, 20 Nein-Stimmen, sechs Enthaltungen), brandete Applaus auf im Stadtsaal Frechen – wohl auch Ausdruck großer Erleichterung. Denn die Querelen und überraschenden Wendungen der vergangenen Monate innerhalb der SPD hatten sich beim Parteitag fortgesetzt. Gegenkandidat Thomas Thielemann aus Frechen hatte seine Einzelkandidatur auf dem Parteitag überraschend zurückgezogen und seine Unterstützung für Dobbelstein und Weesbach zugesagt. Für seine Entscheidung erntete er von vielen Genossen Gelächter.

Fehler eingestanden

„Würde ich die Wahl gewinnen, hätten wir kein Vorstandsteam und müssten einen weiteren Parteitag einberufen“, sagte Thielemann. „Wir brauchen aber ein Team, das tatkräftig die Geschicke der Partei in den kommenden beiden Jahren gestaltet.“ Er bat die SPD-Mitglieder um ein starkes Ergebnis für Dobbelstein und Weesbach.

Thielemann räumte in seiner Bewerbungsrede, die zur Rückzugrede wurde, „Fehler in der Kommunikation“ ein. „Ich habe für meine Kandidatur nicht das Votum meines Ortsvereins“, sagte der 52-Jährige. So mancher aus seinem Frechener Ortsverein sei davon „überrascht, wenn nicht gar überrumpelt“ gewesen. „Die kurzfristige Bewerbung war aus heutiger Sicht ein Fehler.“

Vorsitzender verlässt Parteitag

Mit dem Rückzug war aber der Weg für Dobbelstein und Weesbach nicht frei. Die Mitglieder entschieden sich mit knapper Mehrheit gegen eine Teamlösung und für eine Einzelführung der Partei – worauf Dobbelstein, der nur für eine Teamlösung zur Verfügung stand, den Parteitag verließ: „Ich habe Besseres zu tun.“ Weesbach zog ihre Kandidatur ebenfalls zurück. Es folgte eine lange Unterbrechung der Versammlung, in der in kleinen Gruppen um eine neue Führung für die Partei gerungen wurde. Die Vorsitzenden der Ortsvereine einigten sich schließlich auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag.

Mit fast 200 Mitgliedern war der Parteitag nach Angaben von Versammlungsleiter Ingpeer Meyer der größte seit dem Parteitag zur Landtagswahl 2012. Es war der dritte Anlauf der SPD zur Wahl eines neuen Vorstands: Im November vorigen Jahres war der Parteitag pandemiebedingt verschoben worden, im Juni vertagten sich die Mitglieder, vorgeblich, um Wahlmodalitäten klären zu lassen, tatsächlich aber, weil es Missstimmung um die umstrittene Kandidatur des Pulheimers Torsten Rekewitz gab. Rekewitz zog letztlich seine Kandidatur zurück.

Rückzug aus Kreispolitik

Aus dem alten Vorstand sind nun nur noch Dierk Timm und Torsten Bielan dabei. Die Erftstädterin Dagmar Andres, die die SPD gemeinsam mit Dobbelstein geführt hatte, war nicht mehr angetreten, da sie sich auf ihr Bundestagsmandat konzentrieren will. Andres, die auch bei diesem Parteitag fehlte, weil sie an einer Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion in Dresden teilnahm, kündigte per Videobotschaft zudem an, ihr Kreistagsmandat zum Jahresende niederzulegen.

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Den Wahlen am Samstag vorangegangen war eine aufrüttelnde und selbstkritische Rede des Bedburger Bürgermeisters und scheidenden SPD-Vize-Vorstands Sascha Solbach. Er habe sich monatelang zurückgehalten und versucht, hinter den Kulissen Wogen zu glätten, nun aber appelliere er laut, dass die Partei zusammenstehe. „Wir müssen uns unterhaken und wieder Vertrauen schaffen“, sagte Solbach. Er habe sich geschämt für die Außenwirkung, die die Partei in der vergangenen Zeit erzielt habe, und er sei erschüttert gewesen, wie die Sozialdemokraten miteinander umgegangen seien.

Solbach mahnte, sich politisch lieber mit der „bräsigen Jamaika-Koalition“ auseinanderzusetzen, die sich auf Kreisebene durch Nichtstun auszeichne. Und er mahnte, sich vor Augen zu halten, „dass wir in einen der härtesten Winter gehen, die die Republik je gesehen hat – und wir beschäftigen uns in dieser schwierigen Zeit mit uns selbst und zerfleischen uns.“ Für seine Rede erhielt Solbach langanhaltenden und lauten Applaus.

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