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Hilferuf aus BangladeschSo änderte ein kleiner Zettel das Leben von Familie Klütsch

Lesezeit 4 Minuten
Martin (l.) und Claudia Klütsch (r.) mit ihrer „Adoptivfamilie“ aus Bangladesch.

Martin (l.) und Claudia Klütsch (r.) mit ihrer „Adoptivfamilie“ aus Bangladesch.

  • Als Familie Klütsch ein Zettel mit einem Hilferuf aus Banlgadesch erreichte, zögert sie nicht und half.
  • Zuerst schickten sie Geld an Gazi und seine Familie, dann flogen sie sie besuchen. Lesen Sie hier die ganze Geschichte.

Wesseling/ Bangladesch – „Wir haben durch Gazi Einblicke in eine Welt bekommen, die uns ohne ihn nie zugänglich gewesen wäre“, sagt Claudia Klütsch. Tränen rollen der Frau aus Wesseling über die Wangen, wenn sie an den jüngsten Besuch im Mai 2018 bei Gazi und seiner Familie in Bangladesch denkt. „Sie haben uns so viel Herzlichkeit, Dankbarkeit und Gastfreundschaft entgegen gebracht, damit habe ich nicht gerechnet.“

Nur ein Flecken auf der Landkarte

Bis 2006 kannte allerdings auch Claudia Klütsch Bangladesch nur als Fleck auf der Landkarte. Dass sie in ihrem Leben einmal dort hinreisen sollte, um noch dazu einen wirklichen Freund zu besuchen, das hätte sich die vierfache Mutter und Ehefrau aus Wesseling vor 13 Jahren nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen können. Doch genau das passierte. Zuletzt im Mai 2018, haben Martin und Claudia Klütsch den 16-stündigen Flug auf sich genommen und sind zu ihrer „Adoptiv-Familie“, zu ihrem Freund Gazi gereist.

„Ein handgeschriebener kleiner Zettel mit einem Hilferuf hat unser Leben komplett auf den Kopf gestellt“, erklärt die 54-Jährige. In Folie eingepackt und abgeheftet hat der kleine Zettel bis heute seinen festen Platz im dicken Ordner der Eheleute. Im selben Ordner bewahren sie auch die vielen Zeitungsartikel der unglaublichen Geschichte und die Briefe von Gazi auf.

Unscheinbarer Zettel verbirgt wichtige Botschaft

Hunderte Male hat Claudia Klütsch diese Geschichte schon erzählt, als sie mehr zufällig beim Auspacken eines neuen Herrenhemdes 2006 den Hilferuf von Gazi auf dem in krakeliger Schrift und englischer Sprache geschriebenen unscheinbaren Zettel gefunden hat. „Für mich war das damals wie eine persönliche Ansprache, so als habe Gazi direkt vor mir gestanden und gesagt: »Bitte helft uns.«“

Claudia Klütsch folgte ihrem Instinkt und half. Einem ersten Briefwechsel nach Bangladesch folgte schon bald ein regelmäßiger Geldtransfer. Noch im gleichen Jahr reisten die Eheleute zum ersten Mal nach Bangladesch, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass ihr Geld auch sinnvoll investiert ist. So lernten sie Gazi und seine Familie kennen, die zusammen in einer kleinen armseligen Hütte aus Stroh und Wellblech lebten.

Aus Wellblechhütte wird Haus aus Stein

„Gazi ist jeden einzelnen Cent wert“, sagt Claudia Klütsch heute. Mit einem dicken Strauß exotischer Blumen habe er sie am Flugplatz im Mai 2018 in Dhaka in Bangladesch empfangen. Nicht nur, dass er mit seinem Sohn und seinem Schwager die gut eineinhalb-tägige Reise von seinem Dorf in die Hauptstadt für die Begrüßung auf sich genommen hat, Gazi hatte dem Ehepaar aus Wesseling auch versprochen, ihnen die Schönheiten Bangladeschs zu zeigen. „Wir waren im Dschungel den Tiger suchen, haben ihn aber nicht gefunden“, berichtet Claudia Klütsch.

Auch eine Besichtigung in einer Textilfabrik hatte Gazi organisiert. Eine große Überraschung erwartete sie in Gazis Heimatdorf. Aus der Wellblechhütte von 2006 ist ein Haus aus Stein geworden. „Gazi hat von unserem Geld jeden Monat Steine gekauft und so über Jahre hinweg sein Haus gebaut“, sagt Claudia Klütsch. Einen Stromanschluss gebe es auch. „Doch nur maximal eine Stunde am Tag komme auch Strom in das Dorf“, erklärt sie. Via Internet liefen dann inzwischen mehrmals die Woche über WhatsApp oder Skype auch Unterhaltungen über Tausende Kilometer hinweg bis nach Wesseling.

Neuer Blick auf das eigene Leben

Doch es gibt auch Kritik: „Wir sollen mit unserem Geld doch deutsche Familien unterstützen“, bekommt Claudia Klütsch mitunter zu hören. Doch dazu hat sie ihre eigene Meinung. „Nur wer das Elend dort in Bangladesch selber gesehen und erlebt hat, kann begreifen, was es heißt, wirklich arm zu sein“, sagt sie. Ihr zerreiße es das Herz, nicht allen Menschen dort helfen zu können. „Uns hat der Besuch bei Gazi auch deutlich vor Augen geführt, wie gut wir hier leben und auf welch hohem Niveau wir hier jammern“, sagt sie.

Ihre Geschichte mit Gazi, dem Zettel und ihre Besuche in Bangladesch hat Claudia Klütsch jetzt in einem Buch veröffentlicht.

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