Zehn Billionen Euro für KlassenfahrtFehlbuchung des Jobcenters löst Diskussion aus

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Zehn Billionen Euro sprengen die Kapazität eines Überweisungsträgers und auch der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit.

Zehn Billionen Euro sprengen die Kapazität eines Überweisungsträgers und auch der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit.

  • Die Fehlbuchung des Jobcenters hat im Rhein-Erft-Kreis für Diskussionen gesorgt.
  • Jobcenter-Geschäftsführer Herbert Botz soll verschiedene Ursachen für den Fehler genannt haben.
  • Kreis-Sozialdezernent Christian Nettersheim sprach von „einigen solcher Fehler in den vergangenen Jahren.“

Rhein-Erft-Kreis – Das hätte eine Klassenfahrt in Saus und Braus werden können. Das Jobcenter hat im Rahmen des Bildungs- und Teilhabegesetzes einer Schule im Kreis statt 195 Euro zehn Billionen Euro überweisen wollen. Die Fehlbuchung wurde erst in letzter Instanz bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg gestoppt.

Im November wurde der Schule für einen Schüler, dessen Eltern die Kosten für die Klassenfahrt nicht aufbringen konnten, ein Zuschuss von 195 Euro gewährt. Wie Jobcenter-Geschäftsführer Herbert Botz auf Nachfrage mitteilt, sollte das Geld einen Monat später zur Auszahlung direkt an die Schule gebracht werden. „Dafür muss der Prozess neu angestoßen werden. Dabei ist die falsche Zahl entstanden. Wie genau, das wissen wir noch nicht. Möglicherweise hat sich ein Computer aufgehängt“, mutmaßt Botz.

„Zehn Billionen wären der Bundesbank aufgefallen“

Eine Gegenkontrolle im Jobcenter habe es nicht gegeben. „Die findet erst ab 500 Euro statt. Sonst würden wir das personell gar nicht schaffen bei über 17.000 Leistungsberechtigten im Kreisgebiet.“ Er schloss aus, „dass jemand mit dem Kopf auf die Tastatur gefallen ist“.

Gestoppt wurde die Zahlung, die wie üblich über das BA-Rechenzentrum in Nürnberg abgewickelt wird, weil die Zahlungssummen dort gedeckelt sind. „Zehn Billionen wären später auch der Bundesbank aufgefallen“, wiegelt Botz ab, „und es ist auch nichts getrickst worden.“ Bei Zahlungen unter 500 Euro vertraue man darauf, dass die Empfänger Abweichungen reklamierten. Eine Buchführung, die ausgesprochene Bewilligungen mit tatsächlichen Überweisungen abgleiche, gebe es nicht.

Mehrere Fehler in den vergangenen Jahren

Kreis-Sozialdezernent Christian Nettersheim, der zusammen mit Willi Zylajew (CDU) und Hans Krings (SPD) in der Trägergesellschaft des von Brühler Arbeitsagentur und Kreis gemeinsam getragenen Jobcenters sitzt, stellt dagegen dar, dass Botz in der Trägerversammlung eingeräumt habe, „dass ein Mitarbeiter den Betrag irrtümlich eingegeben habe“. Im Anschluss habe es in der Frechener Zentrale des Jobcenters ein „Gespräch“ mit der Düsseldorfer BA-Regionaldirektion gegeben „mit dem Ziel, dass so etwas nicht mehr passiert“.

Als Konsequenzen seien kurzfristige Schulungen der Mitarbeiter, auch zu Korruptionsverhalten, und regelmäßige Wechsel der Tandems, die die Zahlungen eingeben und gegenkontrollieren, beschlossen worden. Nettersheim sprach von „einigen solcher Fehler in den vergangenen Jahren. Darunter auch mutwillige, die jedoch aufgeklärt und geahndet worden seien“. Im aktuellen Fall, der allein deshalb gerettet werden konnte, weil der BA-Computer nicht mehr als eine Billion Euro auszahlen könne, „ist ein Versäumnis zu sehen. Das hätte auffallen müssen“, sagt Nettersheim.

Jobcenter sollte sich weniger um Mitarbeiter kümmern müssen

Zylajew, der wie Nettersheim und Krings nicht wusste, dass im Jobcenter erst ab 500 Euro das Vier-Augen-Prinzip gilt, sieht die Gefahr, „dass das Jobcenter die Überweisungskompetenz verliert“. Zudem kritisiert er die fehlende Plausibilitätsprüfung in der Software, „die wir teuer bei der BA einkaufen müssen und die ihr Geld nicht wert ist“. Zudem findet er, „dass sich das Jobcenter mehr für die Leistungsempfänger interessieren muss, als sich um die Mitarbeiter kümmern zu müssen“.

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Die Grenze, wann eine Gegenkontrolle einsetzt, liege „im Ermessen und in Abwägung des Geschäftsführers“, sagt Krings unisono mit Zylajew. Auch Krings treibt mehr die Sorge um, „ob die Kunden ordentlich bedient werden. Die letztlich gestoppte Zahlung ist nicht besorgniserregend“, findet er. „Fehler passieren schon mal.“

Die Schulklasse musste sich am Ende doch mit den zugesagten 195 Euro für ihre Abschlussfahrt begnügen.

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