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„Splitter“ und „Der Kinderzug“Buchvorstellungen im Rhein-Sieg-Kreis

Lesezeit 4 Minuten
Burkard Sondermeier bei einer Lesung.

Burkard Sondermeier bei einer Lesung.

Rhein-Sieg-Kreis – Darf man für eine schöne Frau vom Pfad der Tugend abweichen? Natürlich darf man das, findet Burkard Sondermeier und stibitzte als junger Mann aus der Kölner Oper das lebensgroße Bild einer Tänzerin, in die er sich verguckt hatte.

Die spätere leibhaftige Begegnung verlief allerdings ernüchternd, so dass das Diebesgut schnöde als Renovierungsutensil endete.

Buch „Splitter“ berichtet von Erlebtem und Gehörtem

Es sind Geschichten wie diese, die der Autor, Sammler und Künstler in seinem Buch „Splitter“ zusammengetragen hat, ein kunterbuntes Extrakt aus 25 Jahren Bühnenprogrammen, selbst Erlebtem und Gehörtem.

Die Chansons, Couplets, Amourellchen und Querellchen ergänzen kölsch-kritische Anmerkungen zum Thema Karneval und Episoden bei europäischen Nachbarn. Dabei begleitet der 1946 geborene Autor seine Leser immer wieder in den französischsprachigen Raum: „Ich bin neben einer Kaserne der belgischen Streitkräfte aufgewachsen. Durch die Kontakte mit den Soldaten entwickelte sich meine besondere Beziehung zu dieser Region.“ 

Sondermeier ist genauer Beobachter

So sitzen die Leser mit Sondermeier am Tisch von Ennio Morricone oder erleben den teutonischen Geldadel bei grandiosen Fremdschäm-Momenten in der französischen Spitzengastronomie. Dabei gehen die Episoden über das Anekdotische hinaus. Sondermeier ist ein genauer Beobachter mit einem liebevollen Blick für das Allzu-menschliche – und der Fähigkeit, sich von besonderen Begegnungen und Momenten berühren zu lassen: „Ich scheine solche Geschichten anzuziehen.“ 

Seine elegante, geschliffene Sprache kennt man aus den Bühnenprogrammen, dazu gibt es einige klug ausgewählte Kochanleitungen, und auch die von Sondermeier-Fans verehrten „Willi un Rös“ dürfen nicht fehlen. 

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Schließlich erfahren die Leser noch, weshalb die legendäre Citroën-„Ente“ als Liebesnest nur bedingt tauglich ist, warum Sondermeiers Sohn Yves schon als Dreijähriger ständig eine Zigarette im Mund hatte und wie souverän Familienhund Mira den Weg auf die Konzertbühne fand. Beim Schreiben ist Sondermeier wohl auf den Geschmack gekommen, ein weiterer Band ist nicht ausgeschlossen: „Ich hätte noch einige Geschichten zu erzählen.“

„Splitter“, 120 Seiten, 15 Euro, kann in Neunkirchen in der Buchhandlung Krein erworben und im Kunsthaus Seelscheid bestellt werden.

Verschickt und oft verlassen

Kinderlandverschickung – da stellt man sich Ferien auf dem Bauernhof vor, denkt an bleiche Stadtkinder, die sich in gesunder Landluft erholen und im Heu toben. Tatsächlich war die KLV im Zweiten Weltkrieg eine „gigantische Binnenwanderung“, angeordnet durch einen „Führerbefehl“ und deshalb im Volksmund „Kinderlandverschleppung“ genannt, wie Michaela Küpper schreibt.

Zwei Millionen Jungen und Mädchen wurden zwischen 1940 und 1945 aufs Land geschickt – und zwar nicht nur, um sie vor Luftangriffen in den Städten zu schützen. Dem elterlichen Einfluss entzogen, sollten sie außerdem ganz auf die Ideologie des Nationalsozialismus eingeschworen werden.

„Der Kinderzug“ mit Motiv aus Küppers Familie

Darüber hat die Autorin aus Königswinter einen Roman mit dem Titel „Der Kinderzug“ geschrieben. Das Motiv fand sie in der eigenen Familie. „Mein Vater erzählte mir einmal, er habe vom Krieg gar nicht viel mitbekommen. Fast beiläufig berichtete er, dass er nach Kriegsende allein von Österreich nach Hause gelaufen sei“, erzählt die Autorin, die am Niederrhein aufgewachsen ist.

Sie habe nicht nachgefragt, der Vater starb, als Michaela Küpper ein Teenager war. Erst als Autorin, die schon mehrere Regionalkrimis und den historischen Roman „Kaltenbruch“ veröffentlicht hatte, begann sie in den Archiven und im NS-Dokumentationszentrum Köln zu recherchieren, las Tagebücher und Original-Briefe aus jener Zeit.

Unterschiedlichste Erlebnisse im Roman widergespiegelt

Ihre Faszination wuchs, ebenso wie ihre Verwunderung, „warum dieses Thema erst in den letzten Jahren in die Öffentlichkeit gedrungen und so wenig erforscht ist – im Gegensatz etwa zu den militärischen Aspekten jener Zeit, die bis ins kleinste aufgearbeitet sind“. Dabei habe der oft jahrelange Aufenthalt in einem Lager massive psychische Spuren hinterlassen – und zwar bei einer ganzen Generation.

Zum Beispiel eine Härte und emotionale Sprachlosigkeit, die auch den „Kinderzug“ bestimmt und beklommen macht. Vom Hotel an der Ostsee mit üppiger Verpflegung bis zu verwahrlosten Bretterverschlägen, in denen die Kinder paramilitärischem Drill unterworfen waren, reichte die Skala. Entsprechend unterschiedlich fielen die Erlebnisse aus, die die Diplom-Soziologin im „Kinderzug“ schildert.

Figuren auf Faktenbasis

Ein Jahr lang hat sich Michaela Küpper eingearbeitet. „Biss und Gründlichkeit“ müsse man aufbringen, auch bei scheinbar nebensächlichen Details, etwa um die Frage, ob in Usedom die Häuser verdunkelt wurden.

Auf Faktenbasis ließ sie ihre exemplarische Figuren entstehen. Zum Beispiel Gisela, aus deren Tagebuchaufzeichnungen Naivität, aber auch Pfiffigkeit spricht. „Außerdem eine Tapferkeit und Energie, die mich immer wieder beeindruckt hat, als ich solche Zeugnisse las“, sagt die 54-Jährige, Mutter von zwei Söhnen.

Eigener Roman für Widerstand gegen die NS-zeit in der Region 

Die Kinder ängstigten sich um die Angehörigen, die in den Städten Luftangriffen ausgesetzt waren. Immer häufiger mussten sie Todesnachrichten verkraften, ebenso schlechte Ernährung und katastrophale hygienische Zustände. In der Lehrerin Barbara hat Michaela Küpper eine Hauptfigur entworfen, die von der unerfahrenen Pädagogin zur Retterin avanciert. „Ein unpolitischer Mensch“, der über sich hinauswächst.

Der Versuchung, die junge Lehrerin zur Widerstandskämpferin zu stilisieren, habe sie aber nicht nachgegeben; „das wäre mir zu billig erschienen, angesichts der geringen Zahl dieser Menschen und der großen Masse an Mitläufern“. Dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der Region will Küpper einen eigenen Roman widmen.

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