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Gymnasium auf Rheininsel„Nonnenwerth ist was fürs Leben“ – Schließung Mitte Juli

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Das Franziskus-Gymnasium auf Nonnenwerth schließt zum Ende des Schuljahres.

Bad Honnef/Remagen-Nonnenwerth – Auf der Insel sind noch Jobs zu haben.  Jedenfalls wenn man der Webseite des Franziskus-Gymnasiums Nonnenwerth (FGN) glaubt. Wer die Internetseite anklickt, findet Stellenausschreibungen für Lehrerinnen und Lehrer in den Fächern Englisch, Physik, Biologie, Deutsch, Sport und Bildende Kunst. Auch für ein Freiwilliges Soziales Jahr werden zum 1. August 2021 Bewerber gesucht.

Doch Interessenten dürften bitter enttäuscht werden, sollten sie sich auf die Offerten melden, denn im November, drei Monate nach der Veröffentlichung der Stellenanzeigen, verkündete Schulträger Peter Soliman das Aus für das FGN zum Schuljahresende 2021/2022. 170 Jahre Schulgeschichte gehen mit Beginn der rheinland-pfälzischen Sommerferien zu Ende.

Spricht man Lydia Kalkofen aus Leubsdorf (Verbandsgemeinde Linz) darauf an, reagiert sie „unendlich traurig und enttäuscht“. Ihr Sohn Silas ist einer von rund 500 Schülerinnen und Schülern von Nonnenwerth, die sich eine neue Schule suchen mussten. Er hat fünf Jahre auf dem FGN gelernt, und die Mutter betont, dass er dort „ein Rüstzeug an Wissen und Werten mitbekommen hat, das ihm keiner nehmen kann“.

Ehemalige Schülerin kämpfte lange für Erhalt

Der Neuntklässler ist ein Mathe-As, er hat als Sieger des Mathematik-Landeswettbewerbs von Rheinland-Pfalz gerade an einem dreitägigen Workshop an der Universität Trier teilgenommen. So gaben die Naturwissenschaften auch den Ausschlag für die Schulwahl: Der 15-Jährige wechselt zur CJD-Schule nach Königswinter, weil er dort in der Stufe 10 Leistungskurse in Mathematik und Physik belegen und – ganz wichtig – als Saxophonspieler in die Bigband einsteigen kann. Silas hat Glück, drei Freunde aus Nonnenwerth gehen mit ihm aufs CJD; er hat dort also schon mal Anschluss.

Lydia Kalkofen hat selbst das Abitur auf dem FGN gemacht und spricht mit Dankbarkeit von ihrer Zeit auf der Insel. „Nonnenwerth ist was fürs Leben“, sagt sie. Bis zuletzt kämpfte sie für den Erhalt ihrer Schule.

An der Bundesstraße 42 bei Leubsdorf hat sie ein Plakat aufstellen lassen mit der Aufschrift „Wir sind Nonnenwerth“, den Buchstaben T abgebildet wie ein Tau, das Symbol der franziskanischen Familie. Denn es war der Orden der „Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe“, der 1854 die Rheininsel übernahm.

Verkauf erst vor knapp zwei Jahren

Zum 1. August 2020 verkaufte der Orden die Insel inklusive Schule an die ISR International School on the Rhine GmbH von Peter Soliman. Heute weiß man, dass mit dem Eigentümerwechsel das Ende des FGN eingeläutet wurde.

Wie es zum Niedergang kam

Erst seit 1978 auch Jungen im Unterricht

Mit der Schließung des Gymnasiums geht eine fast 170-jährige Schulgeschichte auf der Rheininsel Nonnenwerth zu Ende. 1854 gründeten dort in einem ehemaligen Gasthof Franziskaner-Ordensschwestern das Kloster St. Clemens, in dem das Privat-Gymnasium untergebracht ist.

Ein zuvor seit dem Mittelalter bestehendes Kloster des Benediktinerinnen-Ordens war 1802 unter französischer Besetzung aufgelöst worden. Bis zur Gründung des Franziskanerinnen-Klosters existierte auf der Insel der Gasthof, in dem unter anderem der amerikanische Schriftsteller James Fenimore Cooper und der Komponist Franz Liszt zu Besuch waren. Die Schule der Franziskanerinnen war zunächst eine reine Mädchenschule, ab 1978 wurden auch Jungen unterrichtet. (dbr)

Den Nonnen fehlte es an Nachwuchs

Wegen Nachwuchsmangels und wegen des hohen Alters der Nonnen verkaufte der Orden 2020 Insel und Schule an den Unternehmer Peter Soliman und seine ISR International School on the Rhine GmbH mit Sitz in Meerbusch. Da er Investitionen in den Brandschutz in Höhe von angeblich zehn Millionen Euro nicht allein tragen könne, verkündete Soliman im vergangenen November das Aus für die Schule.

Er bleibt Eigentümer der Insel und eines Campingplatzes am Rheinufer. Berichte, er wolle auf Nonnenwerth Luxuswohnungen errichten, hat er dementiert. Der Flächennutzungsplan von Remagen erlaubt die Nutzung der Insel nur für Bildungs-, Kirchen- und Sportzwecke. (dbr)

Die Verbitterung darüber ist auch bei Peter Luft noch immer groß. Fünf Kinder des Bauunternehmers aus Mehlem waren auf dem Gymnasium, das sechste Kind sollte dort nach den Sommerferien eingeschult werden. Daraus wird nun nichts mehr. „Wir waren die größte Familie, die jemals auf dem FGN unterrichtet wurde“, sagt Luft und fügt stolz hinzu, alle seine Kinder seien bei den Noten im Einserbereich „durchmarschiert“.

Julius, der älteste Sohn, hat auf Nonnenwerth gerade das Abitur bestanden und beginnt eine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr, seine Geschwister sind auf dem Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (EMA) in Bonn angemeldet worden. Raphael Luft kommt als frisch gekürter Preisträger dorthin: Der Neuntklässler hat im Juni unter 25.000 Teilnehmern beim Bundeswettbewerb der Wirtschaftsjunioren den vierten Platz geholt.

Schülervater bedauert Aus der Tradition

Das EMA habe „fachlich ein hohes Niveau“, freut sich der Vater, es habe die Neuankömmlinge mit einem Grillabend willkommen geheißen. Alle Kinder des FGN kämen „mit hoher Kompetenz“ auf ihre neuen Schulen, deshalb sei es „sehr, sehr schade, dass die Tradition von Nonnenwerth nicht mehr besteht“.

Der Unternehmer ist seit zwei Jahren Vorsitzender von Schulwerk e. V., dem Förderverein der Schule, der 2020 bereit stand, die Finanzlücke von 1,1 Millionen Euro, die zwischen den Fördermitteln des Landes Rheinland-Pfalz und den tatsächlichen Kosten des Schulbetriebs bestand, durch freiwillige Beiträge der Eltern zu schließen.

Zu Lufts Mitstreiterinnen gehört die Co-Vorsitzende Manuela Bauer aus Bad Bodendorf. Sie erzählt von Ängsten, die manche Kinder hätten, weil sie ihr gewohntes Refugium verlassen müssten, und lobt die Lehrer, die sich für die Schülerinnen und Schüler einsetzten, sie, so gut es geht, mit den Unterrichtsplänen der neuen Schulen vertraut machten und psychologische Unterstützung anböten.

Mehr als 80 Schüler wechseln nach Bad Honnef

Allein 83 Schülerinnen und Schüler des FGN starten nach den Sommerferien am Siebengebirgsgymnasium (Sibi) in Bad Honnef, in jeder Jahrgangsstufe etwa 20. „Die Aufnahme hat uns vor eine große Herausforderung gestellt“, berichtete die amtierende Schulleiterin Stefanie Lamsfuß-Schenk.

Die gesamte Sekundarstufe I sei neu geordnet, alle Klassen neu eingeteilt worden. So solle verhindert werden, dass die Nonnenwerther und auch die pro Klasse ein bis zwei Flüchtlingskinder aus der Ukraine sich in Gruppen absondern; sie sollen sich vielmehr gleich ins Sibi integrieren.

Lamsfuß-Schenk: „Das Sibi ist ein Ort der Gemeinschaft“. Nach den Sommerferien wird es unter anderem Wandertage und Fahrten geben, um die Bildung neuer Klassen zu fördern.

1500 Teilnehmer bei Feier erwartet

In Nonnenwerth ist unterdessen allenthalben Abschied zu spüren. Beim letzten Frühjahrskonzert der Schule in der Evangelischen Kirche in Bad Honnef flossen Tränen: „Die Erinnerung wird uns tragen und beschützen auf unseren Lebenswegen“, hieß es am Ende.

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Aufgeben will niemand, auch wenn die Schule schließen muss: „In Würde gekämpft, in Würde gegangen“, sagt Manuela Bauer vom Schulwerk. Der Verein wird bleiben und sich – geht es nach dem Vorsitzenden Peter Luft – mit den beiden anderen Unterstützungsvereinen, dem Schulelternbeirat und dem „Nonnenwerth retten e. V.“, zusammenschließen, „um aufzupassen, was mit der Insel geschieht“.

Erst aber wird gefeiert. Die Schulgemeinde und viele Ehemalige treffen sich am 1. Juli ab 16 Uhr auf einer Wiese unweit des Campingplatzes „Siebengebirgsblick“ in Rolandswerth zum Sommerfest, zu dem 1500 Teilnehmer erwartet werden.

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