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„Füttere den Boden, nicht die Pflanze“Mucher Gruppe bewirtschaftet Land solidarisch

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Solidarische_Landwirtschaft_Much

Gemeinsames Anpacken ist bei der Solawi angesagt, eine Pflicht zum Mitarbeiten gibt es jedoch nicht.

Much – Auf dem Lasagnebeet wachsen keine Nudeln: Zuunterst liegt Pappe, die das Gras zurückhalten soll, obendrauf landen Mist-, Mulch- und Blätterschichten. Hier soll etwas gedeihen, was nach landläufiger Meinung zum Scheitern verurteilt ist: „Gemüse geht nicht in Much“, das haben die Pioniere der Solawi oft gehört. Die Ernteteiler, die sich ganz frisch zusammengeschlossen haben, sind indes zuversichtlich, dass ihr Feldversuch gelingt.

Solawi ist eine Abkürzung und bedeutet „Solidarische Landwirtschaft“, Ableger gibt es in ganz Deutschland. Wer mitmacht, verändert zunächst seine Haltung, „wird vom Konsumenten zum Prosumenten“, erklärt Initiatorin Sabine Müller bei der Auftaktveranstaltung im Eichhof. Denn was und wie produziert wird auf dem halben Hektar Land am Heckberg, das bestimmen die Ernteteiler mit. Sie sind zugleich Arbeitgeber, beschäftigen eine junge Gärtnerin mit einer halben Stelle. Und wer möchte, packt mit an.

Ackerarbeit ist keine Pflicht

Die Arbeit auf dem Acker soll keine Pflicht sein; im Gegensatz zur Monatsgebühr von 100 Euro pro Ernteteiler, unabhängig vom Ertrag. Läuft alles wie geplant, versorgt Solawi Much 60 Menschen übers Jahr mit Gemüse – ein Ernteteiler wird als zwei Personen gerechnet. Mit den Beiträgen ist die wirtschaftliche Basis für Lohnzahlung und Saatgut gesichert, das hat der Gründerkreis, der die Öko-Idee seit einem Jahr entwickelt, errechnet.

Die Ursprünge liegen in Frankreich

Die Idee, dass Konsumenten und Landwirte gemeinsam, nachhaltig und ohne Marktzwänge wirtschaften, stammt aus Frankreich, 2011 gründeten Vorreiter in Deutschland das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es eine Gruppe in Hennef-Hanf um den Demeter-Bauern Bernd Schmitz.

In Much wurde eine gemeinnützige Genossenschaft als Dachorganisation gegründet von ökologisch orientierten Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft stammen. Mit den Ernteteilern, die keine Genossenschaftsmitglieder sein müssen, werden Jahresverträge abgeschlossen.

In Depots an verschiedenen Stellen kann wöchentlich das Gemüse abgeholt werden. Die Erntesaison soll durch den Bau eines Gewächshauses oder durch die Anlage von Folientunneln verlängert werden. (coh)

Eine Physiotherapeutin ist dabei, ein IT-Fachmann, eine Psychologin, Müller ist Kommunikationsexpertin und Coach, mit Martin Höller, der gerade seine Doktorarbeit schreibt, macht ein Agraringenieur mit. Die in Much verwurzelte Familie Höller, die den benachbarten von Bioland zertifizierten Hecknaaferhof betreibt mit Milchvieh- und Mutterkuhhaltung, hat den Grund und Boden unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Zur zuvor extensiv genutzten Weidefläche gehören Reihen alter Obstbäume und Beerensträucher. Die ersten Aktiven trugen die Grasnarbe ab und bereiteten die Felder vor – das Lasagne-Beet und zwei Hügelbeete. Der eingesäte Winterroggen soll als Mulch den Boden lockerer machen und wie das andere organische Material Nährstoffe nach und nach freigeben – auch mit Hilfe der Regenwürmer, die sich hier tummeln.

Pflügen ist tabu

Viel Handarbeit warte auf sie, erzählte die junge Gärtnerin Amayi in der Runde. Hier wird nicht gepflügt, sondern nur die oberste Schicht mit einer Grabegabel gelockert und belüftet, um den Boden zu schonen, Wasser zu sparen und Dünger. „Wir handeln nach der Maxime: Füttere den Boden, nicht die Pflanze.“

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Und: Solawi Much verstehe sich als humanistisch und weltoffen, hier sei kein Platz für Verschwörungstheorien und rechtes Gedankengut. Die gemeinnützige Genossenschaft lebe vom demokratischen Miteinander, so Amayi: „Hier soll auch Freude gedeihen.“

Zunächst ist Idealismus gefragt: Die Jahresverträge laufen ab Januar, die erste Ernte beginnt im Mai. Dennoch ist Sabine Müller zuversichtlich, dass genug Leute am Start sind. Eine Gruppe im Oberbergischen Kreis hatte schnell eine Warteliste mit 140 Interessierten.

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