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Hermerather Mühle in Neunkirchen-SeelscheidDas Ende der Hähnchen-Ära am Werschbach

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Neunkirchen-Seelscheid – Für ihre leckeren halben Hähnchen ist die Hermerather Mühle weit über die Grenzen des Kreises hinaus bekannt. „Sogar aus England sind im Sommer Gäste gekommen, die von unserem knusprigen Geflügel gehört hatten“, sagt Reiner Haas. Er betreibt heute zusammen mit seiner Frau Doris die idyllische Gaststätte, die sich in einem alten Mühlenraum befindet.

Alles begann vor rund 200 Jahren. Alois Haas aus Much bekam das Angebot, die Mühle in Hermerath zu erwerben. Er überlegte nicht lange und kaufte die Immobilie am Werschbach. Die Geschäfte liefen. Die Mühle blieb im Familienbesitz und wurde weitervererbt, auch Hubert Haas wurde daher Müller. Er führte den Betrieb bis zum Jahr 1962. „Dann lohnte sich das Geschäft nicht mehr“, erinnert sich sein Sohn Reiner, „die Bauern hatten eigene Schrotmühen“.

Seine Eltern orientierten sich um und bauten die Mühle zu einer Gastwirtschaft aus. Es war der richtige Entschluss. Das Lokal im romantischen Tal brummte, Stammgäste kamen aus der näheren Umgebung, Wanderer nutzten die Hermerather Mühle, um Rast zu machen.

Die gute Seele der Gaststätte war Elisabeth Haas. Sie führte den Betrieb zielstrebig und neigte zu unkonventionellen Lösungen. „Wenn es mal nach einigen Gläsern Bier Streit zwischen Hitzköpfen gab, dann ging meine Mutter mutig mit dem Schrubber dazwischen“, erinnert sich Reiner Haas schmunzelnd. Neben den Hähnchen stand damals auch das selbst gemachte Gulasch der Mutter auf der Speisekarte. Zum Beginn gab es nur Flaschenbier, später wurde dann eine Zapfanlage eingebaut.

Reiner Haas machte eine Ausbildung im Maschinenbau und half seinen Eltern ab und zu in der Gaststätte. 1985 starb sein Vater im Alter von 75 Jahren. Für seine Mutter war die Arbeit im Lokal mehr als ein Job. Deswegen führte sie den Betrieb auch engagiert weiter. 300 Gäste kamen im Oktober 1998 zu ihrem achtzigsten Geburtstag – da war es sehr eng im Schankraum und die Gratulanten standen bis weit vor der Türe Schlange. Ein Schlaganfall zwang Elisabeth Haas dazu, im Jahr 1999 ihr Engagement in der Gaststätte zu beenden. Schwiegertochter Doris stand dann von 11 bis 14 Uhr beim Mittaggeschäft hinterm Tresen, Ehemann Reiner half abends.

Schnell entschloss sich das Ehepaar, die Sache professioneller anzugehen. Reiner Haas stieg voll in das Geschäft ein und im Jahr 2001 entstand vor dem Haus ein repräsentativer Wintergarten. An schönen Tagen konnte dort ausgiebig und auch laut gefeiert werden, bis in die tiefe Nacht. Im einsamen Tal störte der Lärm keinen.

„Es wird auch mal Zeit an den Ruhestand zu denken“

Das wussten auch die Ratsmitglieder. Und nach so mancher Sitzung traf man sich noch in der Hermerather Mühle zur Nachbesprechung – natürlich gab es für die hungrigen Politiker ein halbes knuspriges Hähnchen. Auch Willy Millowitsch war zu Gast. Als die Serie Kommissar Kleefisch in der Nähe gedreht wurde, kehrte er ein, bestellte sich allerdings einen Riesenteller Reibekuchen, „den er dann nicht aufbekam“, erinnert sich Reiner Haas.

Irgendwann ist alles vorbei. Das Ehepaar Haas schließt die Hermerather Mühe zum Jahresende. Der Gastraum wird zur Wohnung umgebaut. „Ich bin jetzt 69, meine Frau Doris ist 66 Jahre alt, da wird es auch mal Zeit, an den Ruhestand zu denken“, sagt Reiner Haas. „Zudem wollen die Kinder die Gaststätte nicht übernehmen. Der Umbau ist daher die beste Lösung“, ergänzt Doris Haas.

In der kommenden Woche ist die Hermerather Mühle geschlossen. „Wir fahren an die Mosel“, berichtet Reiner Haas. Ab Dienstag, 20. Oktober, ist dann wieder ab elf Uhr geöffnet. Und am 20. Dezember wird die Kneipe leer getrunken. „Das Glas Bier kostet dann nur einen Euro“, sagt Reiner Haas.

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