Leser erzählenMit zehn PS 2000 Kilometer durchs Land

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Eine Reifenpanne stoppte das Duo in der Nähe der Pfalz. Schnell war der Reifen gewechselt.

  • Unter dem Motto „Ferien anno dazumal“ erinnern sich Leserinnen und Leser an Reisen, die sie als Kind, Jugendliche oder junge Erwachsene unternommen haben.
  • Clemens Nienhaus (82) aus Neunkirchen-Seelscheid begab sich 1959 auf eine interessante Deutschlandrundfahrt.
  • Hier erzählt er von einem gewagten Abenteuer auf nur zehn PS.

Neunkirchen-Seelscheid – Nach Abschluss meiner Lehre als Maschinenschlosser in Bocholt habe ich zur Weiterbildung als Landmaschinenschlosser nahezu ein Jahr bei der damals führenden Landmaschinen- und Traktorenfabrik Fahr in Gottmadingen bei Singen/Hohentwiel nahe dem Bodensee verbracht.

Die örtliche Kolpingsfamilie wurde zur geistigen Heimat, es entwickelten sich Freundschaften. Mit einem Freund, der aus Lamspringe/Vorharz stammte, verabredete ich mich im Sommer 1959 zu einer großen Deutschlandrundfahrt. Ich besaß einen Motorroller, eine Zündapp Bella. Von meinem Elternhaus in Rhede/Kreis Borken starteten wir mit minimalem Gepäck eine dreiwöchige Reise.

Ein gewagtes Abenteuer

Das war ein gewagtes Abenteuer, denn die Bella, ein Zweitakter, hatte eine Motorleistung von nur zehn PS und wurde nur durch den Fahrtwind, der durch einen Tunnel der Karosserie strömte, gekühlt. Deshalb war eine zügige Fahrweise mit genügend Fahrtwind erforderlich. Helmpflicht und Motorradkleidung waren damals noch nicht üblich. Wir waren sommerlich gekleidet, der Sommer 1959 war sehr warm, ohne nennenswerte Niederschläge und damit ideal für Zweiradfahrer.

Die erste Tagestour von zirka 320 Kilometern führte uns nach Mainz. Übernachtet haben wir fast immer in Kolpinghäusern, da diese für Kolpingbrüder auf „Tour“ eine Nacht kostenfrei waren, wenn auch nur in Mehrbett-Zimmern.

Die Beethovenhalle befand sich noch im Bau

In Bonn machten wir eine erste Station und besichtigten die noch im Bau befindliche Beethovenhalle. Spannend war die Fahrt entlang des Rheins. Die kurvenreichen Straßen waren noch nicht für den sich entwickelnden Autoverkehr ausgebaut.

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Unvergesslich ist für Clemens Nienhaus seine Tour auf dem Motorroller Zündapp Bella.

In der Nähe der Pfalz bei Kaub ereilte uns eine Reifenpanne, ein Radwechsel auf offener Straße wurde fällig. Da wir beide des Schraubens mächtig waren, bedeutete dies nur eine kurze Unterbrechung auf der anstrengenden, sich über viele Stunden erstreckenden Fahrt. Natürlich musste beim nächsten Halt die Reparatur des Reifens erfolgen, denn bei der hohen Belastung mit zwei Personen und Gepäck konnte sich eine solche Panne durchaus wiederholen.

Eine Tortur

Der zweite Tag führte uns zu den Höhen des Schwarzwalds. Die Auffahrt auf die Schwarzwaldhochstraße war eine Tortur. Der Motor kam bei den gewaltigen Steigungen an seine Leistungsgrenze, durch den fehlende Fahrtwind bei weniger als zehn Kilometern pro Stunde drohte ein Motorschaden durch Überhitzung.

Doch der Motor hat diese Strapaze überstanden, und wir kamen nach einer weiteren Übernachtung wohlbehalten in Gottmadingen, unserem Zwischenziel, an. Dort hatten die Kolpingbrüder für uns eine Überraschung vorbereitet. In der Nähe von Stein am Rhein (Schweiz) wurde am Ufer des Bodensees eine Tanzfläche aufgebaut. So konnten wir das Wiedersehen ausgiebig bis in die Nacht hinein feiern.

Eine Woche in Gottmadingen

In Gottmadingen blieben wir eine Woche, frischten Bekanntschaften auf und unternahmen Touren in die nahe Schweiz, zum Rheinfall in Schaffhausen und zur Bodenseehalbinsel Höri. Über Lindau und Isny ging es weiter nach Ulm. Dort trafen wir erneut ehemalige Kollegen, die als Austauschgesellen bei KHD Magirus beschäftigt waren. Weitere Höhepunkte waren Dinkelsbühl, Rothenburg ob der Tauber und die Residenz in Würzburg mit dem großen freitragenden Gewölbe von Balthasar Neumann. Damals waren diese Sehenswürdigkeiten noch nicht von Touristen überlaufen.

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Weiter ging es Richtung Kassel mit Zwischenstopp in Veitshöchheim. Nach drei Wochen erreichten wir schließlich das Elternhaus meines Freundes in Lamspringe. Nach einigen Tagen der Erholung mit Kurztouren in den Harz, unter anderem zur neuen Okertalsperre, begann für mich die 350 Kilometer lange Heimfahrt nach Rhede. Die Rundreise über insgesamt mehr als 2000 Kilometer mit vielen Erlebnissen ist bis heute unvergessen.

Die Serie

Unter dem Motto „Ferien anno dazumal“ erinnern sich Leserinnen und Leser an Reisen, die sie als Kind, Jugendliche oder junge Erwachsene unternommen haben. Clemens Nienhaus (82) aus Neunkirchen-Seelscheid begab sich 1959 auf eine interessante Deutschlandrundfahrt.

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