Gewalttat in NiederkasselLandgericht setzt Berufungsverfahren aus kuriosem Grund aus

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Ein junger Mann soll seine Verlobte auf diesem Weg nahe der Natorampe in Niederkassel im Oktober 2019 lebensgefährlich verletzt haben. 

Bonn/Niederkassel – Was in der Nacht zum 13. Oktober 2019 auf einem Feldweg in Niederkassel passiert ist, ist bis heute nicht aufgeklärt: Nach einem Heiratsantrag auf der Rheidter Kirmes hatte ein 26-Jähriger seine Verlobte, mit der er einen siebenjährigen Sohn hat, wenige Stunden später fast zu Tode geprügelt. Auf dem Heimweg von der Kirmes soll es zum Streit zwischen dem Paar gekommen sein, angeblich, weil sie zu viel Alkohol getrunken hatte.

Er soll sie geprügelt, ihr gegen den Kopf getreten und sie über den asphaltierten Feldweg gezogen haben. Danach wählte er den Notruf und behauptete, eine „fremde Dame“ blutend im Feld gefunden zu haben.

Amtsgericht sah „exorbitante Gewalt“

„Das Ausmaß der Gewalt war exorbitant“, hieß es im Urteil des Amtsgerichts Siegburg, das den 26-Jährigen im Dezember 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis schickte. Aber der Angeklagte hat Berufung beim Bonner Landgericht eingelegt.

An das, was in der Nacht passiert sei, könne er sich wegen seines massiven Alkoholkonsums nicht erinnern. Diese Version hatte ihm bereits das Schöffengericht nicht geglaubt. Da sein Alkoholgehalt bei der Tat nicht mehr errechenbar war, hatte man jedoch zu seinen Gunsten eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit angenommen und eine milde Strafe ausgesprochen.

Die Zweifel an seiner Erinnerungslücke wurden jetzt auch vor dem Berufungsgericht laut, nachdem erstmalig der Mitschnitt des Notrufs vorgespielt worden war. In dem Gespräch mit der Einsatzleitung „nuschelte oder lallte“ der Angeklagte nicht, sondern man hörte eine „eine klare, aufgeregte Stimme, der Not-Situation angemessen“, so kommentierte es die Rechtsmedizinerin.

Kammervorsitzender richtet eindringliche Worte an Angeklagten

„Für eine Beeinflussung von Alkohol gibt es keine Anhaltspunkte.“ Schließlich sei er sogar in der Lage gewesen „eine Lüge zu erfinden, um seine Tat zu vertuschen“. Ob es nicht doch klüger wäre, die Berufung zurückzunehmen, so der Hinweis des Kammervorsitzenden. Oder doch zu erzählen, was wirklich passiert sei?

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Aber der Angeklagte, der noch nie zuvor wegen einer Gewalttat aufgefallen war, sträubt sich gegen die Gefängnisstrafe. Auch wolle er, so sein Verteidiger, die Frau, der er den Heiratsantrag gemacht hat, nicht verlieren. Ihm tue das alles sehr leid.

Freiwillig zahle er 200 Euro im Monat als Entschädigung und unterstütze sie und den gemeinsamen Sohn weiterhin. Die 30-Jährige jedoch, so ihre Nebenklage-Anwältin, wisse noch nicht, ob sie dem Mann je verzeihen könne. Durch den Gewaltexzess hatte sie lebensbedrohliche Verletzungen erlitten. Jetzt wolle sie das Verfahren abwarten, hieß es.

Das Verfahren wird aber noch auf sich warten lassen. Denn ein kurioser Umstand hat den Bonner Prozess jetzt erst mal gestoppt: Ein Schöffe erinnerte sich beim Verlesen des Urteils, dass ausgerechnet sein Sohn in Siegburg als Schöffe dabei war. Um keinen Revisionsgrund wegen familiärer Befangenheiten zu bieten, wurde das Verfahren erst mal aufgehoben und muss neu terminiert werden.

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