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Prix Pantheon in BonnShahak Shapira und Kollegen liefern ab

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Gewollt böse: Israeli Shahak Shapira (r.) lässt TripAdvisor-Bewertungen für Auschwitz vorlesen. Das Publikum und eine Jury kürten ihn später als Teilnehmer fürs Finale.

Gewollt böse: Israeli Shahak Shapira (r.) lässt TripAdvisor-Bewertungen für Auschwitz vorlesen. Das Publikum und eine Jury kürten ihn später als Teilnehmer fürs Finale.

Bonn – Moderator Tobias Mann sagte so schön: „Der Satire wird es nie an gutem Nachwuchs fehlen.“ Tatsächlich fiel die diesjährige Auswahl der fünf Kandidaten schwer, die am Dienstag in der ersten Runde um den renommierten Prix Pantheon kämpften. Der Preis gilt als der Karriere-Kick für Newcomer aus der deutschen Kleinkunstszene. Zu Preisträgern zählen unter anderem Michael Mittermeier, Rainald Grebe und Carolin Kebekus.

Hochschulgesellschaft aufs Korn genommen

Alle zehn Teilnehmer bewiesen, ob als Liedermacher oder Poetry-Slammer, politisches Engagement, gute Pointen und originelle Texte. Das Saalpublikum im Pantheon und eine unabhängige Jury kürten am Ende allerdings die Künstler Shahak Shapira, Christoph Fritz, Lennart Schilgen, Martin Frank und Liedermacherin Miss Allie für das Finale. Die Kandidaten hatten jeweils zehn Minuten Zeit, um mit ihrem Talent zu überzeugen.

Den Israeli Shapira kündigte Tobias Mann als „Humorforscher“ an, der da sucht, wo es weh tut. Vor einem Jahr habe er die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Geboren in Tel Aviv, aufgewachsen in – Sachsen-Anhalt. Ein Trauerspiel.

Alles zum Thema Carolin Kebekus

Für sich gewinnen konnte der Künstler das Publikum vor allem mit seinen Witzen über Auschwitz und Buchenwald bei TripAdvisor. Welch geschmacklose Auswüchse der „deutsche Bewertungswahn“ haben kann, bewies er mit Kommentaren, die Plattform-User nach ihrem Besuch in den KZs hinterlassen hatten. Extrembeispiele waren „Massenabfertigung der Touristen“, „Die Schilder sind teilweise nicht auf Deutsch: Hier fehlt das Deutsche“ oder „Auschwitz ist nicht behindertengerecht“.

Ebenfalls böse, aber lakonischer, gab sich der Österreicher Christoph Fritz, der gerade mit seinem ersten Soloprogramm „Das jüngste Gesicht“ auf Tour ist. Der Titel spielt auf sein Aussehen an, das er mit dem eines „elfjährigen Ministranten“ vergleicht. Sein Erfolg bei den Ladys beschränke sich deshalb auf kurzsichtige Pädophile. Die scheinbare Naivität, die Fritz dabei ausstrahlte, gipfelte aber immer in knallharten Anklagen.

Apropos Anklage: Mit ihrem Lied „Du kleine Süße“ rechnete Singer-Songwriterin „Miss Allie“ mit jenem Schlossermeister ab, der sie während eines Auftritts einmal in einem Irish Pub belästigt hatte. Auch sie mimt die ahnungslose Unschuld vom Lande, hat allerdings mehr zu bieten als das. Schließlich hat die Künstlerin ihr erstes Album „Mein Herz und die Toilette“ selbst geschrieben, eigenständig aufgenommen und per Crowdfunding finanziert.

Hühnerbeerdigung auf bayrischem Bauernhöfchen

Passend zu ihr präsentierte Lennart Schilgen seine Lieder über die Absurdität von Metal-Bands und den Verlust seiner großen Liebe, die noch gar nicht angefangen hat, weil er ihre auf Kaugummi-Papier geschriebene Nummer verloren hatte. Mit viel Wortwitz, Ironie und einem runden Kurzprogramm, leicht melancholisch und absolut sympathisch, machte er einen selbstsicheren Eindruck.

Der Bayer Martin Frank ließ sich spitzfindig über die deutsche Hochschulgesellschaft aus, die selbst nicht mehr könne als Dienstleister zu bestellen, und überzeugte mit seinem Song über eine Hühnerbeerdigung auf einem bayrischen Bauernhöfchen. Der politische Biss und die thematische Bandbreite, die er trotzdem bedienen kann, machen ihn zu einem ernstzunehmenden Mitstreiter um den diesjährigen Kabarettpreis.

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