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Die Zukunft der OrganspendeEin Sterben, das Leben verlängert

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Die Zahl der Organspender liegt weit hinter jener der Patienten, die auf ein Spenderorgan warten.

Die Zahl der Organspender liegt weit hinter jener der Patienten, die auf ein Spenderorgan warten.

  • Das Thema Organspende wird stark diskutiert.
  • Nach wie vor gibt es viel zu wenige Organspender, lang sind die Wartelisten für eine Transplantation.
  • Unsere Autoren haben mit einer Transplantationsbeauftragten und einem Notfallseelsorger gesprochen.

Rhein-Sieg-Kreis – Heute stimmen die Mitglieder des Bundestags über die Zukunft der Organspende ab – nicht zuletzt, weil die Zahl der Organspender weit hinter jener der Patienten liegt, die auf ein Spenderorgan warten.

Dass im Tod des einen Patienten die Chance auf ein Weiterleben für den anderen liegt – damit muss sich Dr. Monika Bös fast täglich auseinandersetzen. Die 47-Jährige Oberärztin ist die Transplantationsbeauftragte der GFO Kliniken in Troisdorf. Organtransplantationen sind hier kein Thema, als sogenannte Entnahmekrankenhäuser gelten mit St. Josef und St. Johannes aber beide Betriebsstätten des Krankenhausträgers.

Wenige Organspenden in Troisdorf

„Leider wenige“ Organspenden gebe es in Troisdorf, sagt die Fachärztin für Neurologie. Mehr als einmal im Jahr geschehe das kaum; im Durchschnitt der vergangenen Jahre lehnten in etwa zwei weiteren Fällen Angehörige eine Organentnahme ab.

Patienten, die dafür in Frage kommen, „sehen wir wenige“. Auch bei der vorgeschriebenen jährlichen Durchsicht der Liste von in der Klinik Gestorbenen, um unter Umständen „übersehene“ mögliche Organspender zu ermitteln: Männer und Frauen nämlich, bei denen die Kriterien des Hirntods erfüllt sind.

Ein Zustand, den eigentlich erst die moderne Intensivmedizin möglich gemacht hat, wie Dr. Bös erläutert. „Der Mensch ist an der Maschine lebendig, das Hirn aber gibt keine Befehle mehr.“ Häufig sind es Unfallopfer, die in einem solchen Zustand in Kliniken behandelt werden. Schlaganfallpatienten, auf deren Behandlung man in Sieglar spezialisiert ist, werden aber selten beatmet. Eine ethische Abwägung im Fall schwerster Schädigung nach einem Hirnschlag haben die Verantwortlichen der Klinik getroffen: Hat der Notarzt sich für eine Beatmung des Patienten entschieden, „dann gehen wir das mit“. Ansonsten aber, so Monika Bös, „respektieren wir die Natur“.

Manchmal, so weiß sie aus ihrer bis 2008 zurückreichenden Erfahrung als Transplantationsbeauftragte, kommen die Angehörigen nach dem Tod eines Patienten auf die Klinik zu. In anderen Fällen sprechen Ärzte und Ärztinnen die Hinterbliebenen an; versuchen zu erfahren, wie der Verstorbene zur Organspende stand. „In der Neurochirurgie hatte ich viele Gespräche, wo die Angehörigen das nicht wussten.“ Da war das Thema in den Familien nie erörtert worden. Keine Überraschung für Bös. „Wer beschäftigt sich schon freiwillig mit dem Tod?“ Persönlich gibt sich die Ärztin als „großer Freund der Widerspruchsregelung“ zu erkennen. „Weil die Leute dann darüber nachdenken müssen.“

Es gibt den Zwang, darüber zu sprechen

Auch Notfallseelsorger Albi Roebke begrüßt die Debatte: „Es gibt den Zwang, über ein Thema zu reden, über das keiner reden will.“ Gab es früher Traditionen oder Konventionen, etwa den Besuch bei der Beerdigung, so beschäftigten sich die Menschen immer weniger mit dem Tod – gerade wegen der medizinischen Fortschritte. Dabei weist er auf ein Dilemma hin: „Für die Operationsteams ist es eine große psychische Belastung, einen, und sei es auch nur durch eine Maschine, atmenden Patienten durch die Entnahme von Organen zu töten.“

Roebke hat nach schweren Unfällen Angehörige begleitet, zum Beispiel Eltern, deren Kinder intensivmedizinisch behandelt wurden. Nachdem Ärzte Hirntod festgestellt hatten, stand die Organentnahme zur Debatte. „In den meisten Fällen waren die Eltern klar und befürworteten das.“ Wichtig sei, dass sich die Menschen vorher Gedanken gemacht hätten. Schwierig werde es, wenn das nicht passiert sei, wenn Vater und Mutter unterschiedlicher Meinung seien. „Das ist ein massiver Dissens; in der eigentlich unerträglichen Situation, dass das Kind stirbt, kommt ein neues Problem hinzu.“ Auch wenn es kein Trost sein könne, glaubt er, dass eine Organspende zumindest eines geben kann: „Der ganzen Sinnlosigkeit ein Fünkchen Sinn abzugewinnen – einem anderen Kind Leben zu schenken.“

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