E-Bikes statt SommerurlaubFahrrad-Boom im Rhein-Sieg-Kreis

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Die Fahrrad-Nachfrage boomt zur Zeit.

Die Fahrrad-Nachfrage boomt zur Zeit.

  • „Wir haben einen Hochbetrieb, wie wir ihn in 14 Jahren noch nicht erlebt haben“, sagt Markus Prengel, Inhaber des Radservice Aggertal in Lohmar-Wahlscheid.
  • Reparaturaufträge nimmt Prengel nur noch von bestehenden Kunden entgegen, und auch die muss er schon jetzt auf Juli vertrösten.
  • Im ganzen Kreis gibt es zur Zeit der Corona-Pandemie einen regelrechten Fahrrad-Boom.

Rhein-Sieg-Kreis – Nur noch wenige Wochen wären es bis zum Start der Tour de France gewesen, dem größten Radrennen der Welt. Wegen der Corona-Pandemie wurde sie auf den Herbst verschoben. Doch was die Profiradler auf den Heimtrainern hält, treibt die Freizeitfahrer vor die Tür. Die Fahrradgeschäfte im Rhein-Sieg-Kreis können sich vor Kunden derzeit kaum retten.

„Wir haben einen Hochbetrieb, wie wir ihn in 14 Jahren noch nicht erlebt haben“, sagt Markus Prengel, Inhaber des Radservice Aggertal in Lohmar-Wahlscheid. „Besonders seit dem Beginn der Lockerungen ist die Hölle los. Die Leute können nicht in Urlaub fahren, also geben sie das Geld für ein Fahrrad aus. Neulich war eine Familie da, da haben sich die Eltern für 6000 Euro neue E-Bikes gekauft.“

„Die Leute reagieren auch schon mal ungehalten“

Reparaturaufträge nimmt Prengel nur noch von bestehenden Kunden entgegen, und auch die muss er schon jetzt auf Juli vertrösten. „Wir suchen momentan nach Mitarbeitern, um all die Arbeit zu bewältigen.“ Besonders gesucht sei ein Fahrradmechaniker für die Werkstatt. „Wir sind jeden Tag zwölf bis 14 Stunden beschäftigt“, ergänzt Prengels Frau Olimpia. „Die Leute reagieren auch schon mal ungehalten, wenn wir keine Zeit haben.“ Schon vor dem Beginn der Pandemie haben die Prengels ihr Konzept im Laden umgestellt, Beratungen gibt es nur noch nach Terminabsprache – in der momentanen Situation ohnehin unausweichlich. Während des Lockdowns sprachen sie über Videotelefonie mit den Kunden. Probefahrten boten sie mit einer kontaktfreien Übergabe an, stets wurden die Räder desinfiziert.

In ihrem Geschäft in Wahlscheid bedient Olimpia Prengel die Kunden mit Mundschutz und hinter Plexiglas.

In ihrem Geschäft in Wahlscheid bedient Olimpia Prengel die Kunden mit Mundschutz und hinter Plexiglas.

„Wir haben 2020 mehr Räder verkauft als zur selben Zeit des letzten Jahres, vor allem E-Bikes“, berichtet Olimpia Prengel. „Einen Antrag auf Soforthilfe habe ich zwar ausgefüllt, aber nicht abgeschickt – es war schlichtweg nicht nötig. Wir können uns glücklich schätzen, von der Krise verschont geblieben zu sein.“

Rekordmonate in Hangelar

Beim Fahrrad-Service Hangelar werden Fahrräder nicht verkauft, sondern nur repariert. Doch auch Inhaber Bruno Hoenig profitiert vom Ansturm des Corona-Frühlings. „Wir verzeichnen einen Rekordmonat nach dem anderen“, sagt er. „Das liegt daran, dass die Leute ihre Lebensweise umstellen: weg vom Auto, hin zum ÖPNV, hin zum Rad“, vermutet er. Auch Hoenig benötigt mehr Personal, hat eine Aushilfe eingestellt.

Museumsreif sei das, was die Kunden aus den Kellern holten, zwar noch nicht. „Aber es sind schon auffällig viele alte Räder dabei. Für manche gibt es seit 15 Jahren keine Ersatzteile mehr. Aber wir reparieren alles und finden für fast alles eine Lösung.“ In Hangelar arbeitet man ohne Terminvergabe – noch. „Die gesamte Branche ist am Anschlag“, resümiert Hoenig.

Ausnahmezustand auch in Siegburg

Viel zu tun hat auch Fahrradhändler Christoph Pütz, der seine Werkstatt am Turm in Siegburg betreibt – bei ihm stehen derzeit vor allem Reparaturen an. Das kurioseste Exemplar: ein Tandem-Liegerad. „Seit drei Wochen haben wir hier Ausnahmezustand“, sagt Pütz. „Im Frühjahr haben wir zwar immer Saison, aber nicht so wie jetzt. Seit die Leute vermehrt E-Bikes kaufen, gibt es auch mehr Inspektionen – so ein Teil hat ja eine Wertigkeit wie ein Motorrad“, sagt er. „Vor 30 Jahren war das noch nicht so. Wir haben jetzt also nicht nur wegen Corona viel zu tun.“

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Seinem „Zweiradtreff Pütz“ sei das Schlimmste erspart geblieben, dennoch habe er einige Einbußen zu verzeichnen: „Unser E-Bike-Tag, bei dem die Hersteller mit ihren Trucks kommen und die Leute Probe fahren können, ist komplett ausgefallen.“ Allgemein könnten die Hersteller im Moment nicht jeden Lieferwunsch erfüllen. „Wir haben zwar viel Stress, sind aber froh, gut durch die Krise zu kommen“, resümiert er.

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