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Blankenberger RestaurantGeschichte des Lokals „Zum Alten Turm“ reicht weit zurück

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Blankenberg Restaurant

In der Gaststätte „Zum Alten Turm“ ist heute Franz Drecker (2.v.r.) Chef, rechts seine Tante Elisabeth Keuenhof, die im Haus groß geworden ist. Links steht Walter Keuenhof, daneben Professor Helmut Fischer.

Hennef – Über die Corona-Pandemie ist der Geburtstag in Vergessenheit geraten. „Seit 300 Jahren, so wird bei uns in der Familie erzählt, ist das Haus in unserem Besitz“, sagt Franz Drecker, der mit seiner Frau Laura das Restaurant „Zum Alten Turm“ in Stadt Blankenberg betreibt. 1720, das ist das Jahr, das sein Vater und sein Großvater immer genannt haben als Beginn der eigenen Chronik. Seinen Stammbaum hat er zurückverfolgt, er selbst ist die sechste Generation.

Doch Professor Helmut Fischer, der wohl am besten informierte Heimatforscher aus Stadt Blankenberg, zieht ihm den Zahn, zumindest was diese Daten angeht. Tatsächlich hat er den Namen gefunden, der in Dreckers Stammbaum die Nummer eins ist. Peter Josef Bollig ist aber erst 1808 geboren. Der heiratete Catharina Müller, und es gibt einen klaren Bezug zu dem Gebäude direkt gegenüber des Katharinenturms. Im Urkataster von 1826 hat Fischer auch das Gehöft gefunden, denn: „Buure waren sie hier alle.“

Dort ist Wilhelm Bollig senior geführt. Seine Geschichte führt noch ein bisschen näher heran an jene magische Jahreszahl 1720. Aus Süchterscheid kommend hat er am 18. Mai 1791 Maria Johanna Küpper geheiratet, 19 Jahre jung war sie. Acht Kinder hatte das Paar, das jüngste war eben jener Peter Josef. Wie aber nun genau der „Alte Turm“ an wen gekommen ist, darüber existieren bislang keine Urkunden.

Damit muss die Geschichte aber immer noch nicht erfunden sein, wie Fischer erklärt. Es gebe keine Quellen, die länger zurückreichten. Er hält es für durchaus möglich, dass irgendwo, vielleicht auf einem Speicher, noch Dokumente liegen. Vieles sei aber in den vergangenen Jahrhunderten einfach verschwunden, durch Umzüge, Kriege, Verfall. „Die Geschichte ist weitgehend beseitigt“, resümiert er nüchtern.

Als Gegenbeispiel nennt er Jost Heinrich Höfer. Der Bürgermeister von Stadt Blankenberg hat genau Buch geführt, von 1756 bis 1761. In einer Notiz schreibt er, dass eine Magdalena Westerhauser 19 Brote á acht Albus bekommen habe. Das ist insofern interessant, als jeder etwas größere Bauer einen Backofen im Haus hatte. Das gilt auch für das Ursprungsgebäude am alten Turm, das baugeschichtlich immerhin aus dem Jahr 1600 stammt.

Fischer hält es für denkbar, dass Franz Dreckers Vorfahren 1720 bereits Brot für die anderen Bewohner gebacken haben. Damit könnte die angenommene Familientradition durchaus ihre Entsprechung in der Realität gehabt haben. Aber: Es fehlen die Quellen.

Fakt aber ist, dass die Bolligs Landwirte waren. Das Ensemble war früher eine geschlossene Hofanlage. Elisabeth Keuenhof, Tante von Franz und geborene Drecker, kann sich gut an das Brotbacken erinnern. „Mit einem Handfeger wurde Wasser über die heißen Laiber gestrichen, das war wie eine Glasur“, erzählt sie.

Franz’ Vater und Großvater, beide Johannes Drecker, haben ihm von den Warteschlangen erzählt, die vor der Treppe zum Haus gestanden haben, nachdem die Amerikaner das Instantmehl gebracht hatten. Denn Großvater Drecker hatte zunächst nur Maismehl, das er wie Roggenmehl verbuk. „Das war eine matschige Pampe“, weiß Fischer noch.

Das Lokal

Seit dem Jahr 2002 führt Franz Drecker mit seiner Ehefrau Laura das Haus „Zum Alten Turm“, das zuvor lediglich für Veranstaltungen geöffnet war, als Restaurant. Es verfügt über 120 Sitzplätze, Schankraum, Restaurant, Kaminzimmer (für maximal 18 Personen) und einen Saal (bis zu 35 Personen). Den Lockdown überbrücken die Gastronomen mit Außer-Haus-Verkauf und einem nostalgischen Oberlicht-Wagen vor der Tür. (EB)

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war Tourismus in Stadt Blankenberg erkennbar, an vielen Stellen entstanden Straußenwirtschaften. 1862 wurde die Bahnstation im Tal in Betrieb genommen.

1910 tauchte eine Witwe Drecker auf, Ackerin, Wirtin und Bäckerin, möglicherweise die geborene Helene Bollig, die mit Johannes Drecker, Ur-Urgroßvater von Franz, verheiratet war. Die Familie blieb bei der Gastronomie, das kleine Stübchen vor der heutigen Theke war schon damals Schankraum. Hinten stand ein Stall, dort, wo heute der große Saal ist.

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Das Gewölbe im alten Haus war in den 1960er Jahren der legendäre „Ritterkeller“, eine Art frühe Disco. Viele Hennefer haben dort wohl manche legendäre Fete gefeiert. Eine Musikbox sorgte für die Beats. Das Waschbecken neben der damaligen Toilette existiert heute noch.

Jetzt ist mit Franz die sechste Generation im Dienst am Kunden, er hat das Anwesen zu einem Restaurant ausgebaut (siehe „Das Lokal“). Das Coronajahr 2020 hat er bislang gut überstanden. So gut, dass er seine Angestellten gehalten und durchbezahlt hat – eine gute Basis für die nächsten Jahre.

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