Karl-Heinz LandDer Visionär aus der rheinischen Provinz

Lesezeit 5 Minuten
Ganz entspannt im Hier und Jetzt sitzt Karl-Heinz Land vor seinem Elternhaus in Striefen. Nach der Schule und den „überschaubaren Möglichkeiten“ zog er zunächst nach Bonn.

Ganz entspannt im Hier und Jetzt sitzt Karl-Heinz Land vor seinem Elternhaus in Striefen. Nach der Schule und den „überschaubaren Möglichkeiten“ zog er zunächst nach Bonn.

Hennef – Wenn Karl-Heinz Land „irgendwann“ aufhört zu arbeiten, möchte er studieren. Denn ein Studium fehlt dem 56-Jährigen noch. Für eine Karriere in höchsten Managementpositionen und als erfolgreicher Berater und Investor brauchte der 56-Jährige den Hochschulabschluss nicht.

Auch ohne Studium saß der Visionär mit 30 Jahren erstmals auf einem Geschäftsführer-Sessel. Heute ist er unter anderem Chef einer von ihm gegründeten Strategie-Beratungsfirma mit dem Namen „Neuland“.

Auf Einladung von Oberbürgermeisterin Henriette Reker stellt der gebürtige Hennefer im Kölner Rathaus am Montagabend sein viertes Buch „Erde 5.0“ vor. Im Publikum werden Unternehmer und Politiker sitzen. Digitalisierung und die damit einhergehende Dematerialisierung sind die Kernthemen des Buchs.

Aufbruchzeit der Informatik

14 Monate hat Land daran geschrieben. „Ich will damit Denkmodelle anstoßen“, sagt er, ganz im Sinne des Untertitels „Die Zukunft provozieren“. Energie und den Glauben, etwas bewegen zu können, hatte der Vater dreier Kindern früh in sich entdeckt: „Ich war ein Nestflüchter.“ Nach der Schule und den „überschaubaren Möglichkeiten“ in seinem Heimatdorf Striefen („Viel Natur, einmal am Tag Bus nach Hennef und zurück“) zog es ihn nach Bonn, dann nach Aachen, wo er in einer Informatikfirma Fuß fasste.

„Das war die Gnade der Zeit“, erklärt Land. „In der IT war damals doch jeder ein Einsteiger.“ Er fand zur amerikanischen Start-up-Firma Oracle, die damals rund 300 Mitarbeiter hatte und jährlich 12 Millionen Dollar umsetzte. Als er sie 1994 nach acht Jahren als Vertriebsleiter Großkunden International verlässt, zählte sie 10.000 Mitarbeiter, machte eine Milliarde Umsatz.

Schlüsselbegriffe

Digitalisierung: „Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Was vernetzt werden, kann wird vernetzt. Was automatisiert werden kann, wird automatisiert“, sagt Land. Für ihn ist die Digitalisierung mit ihrer exponentiellen Leistungszunahme der Schlüssel für die Zukunft.

Dematerialisierung: Immer mehr physische Güter verwandlen sich in Software und Apps, sagt Land. „Mit den Produkten verschwinden auch Fabriken, Maschinen, Facharbeiter, ja ganze Wertschöpfungsketten ins Nichts.“ (loi)

Danach gründete Land selbst Start-Up-Unternehmen – bis heute rund 50 – und begleitete sie bei den Börsengängen, „internationalisierte“ sie, war in vielen Teilhaber oder saß in den Aufsichtsräten. Rund 1000 Vorträge hat er gehalten, vor „Big Shots“, wie er die Größen in Politik und Wirtschaft nennt, vor Studenten und Managern. 2006 wurde der Hennefer vom World Economic Forum (WEF) in Davos zum Technology Pioneer des Jahres gewählt. Das amerikanische Time Magazin berichtete weltweit darüber.

Lands Ausführungen ziehen einen in den Bann

Sein Talent, „anschaulich erklären zu können“, habe ihn vorangebracht, glaubt er. In der Tat ziehen seine Ausführungen einen gleich in den Bann. Er entwirft – gleichwohl strukturiert – visionäre Bilder mit vielen Verästelungen und kühnen Ideen.

Er spricht über das Grundeinkommen, das für ihn „alternativlos“ ist, weil der Mensch durch die umfassende Automatisierung irgendwann ohnehin nicht mehr arbeiten müsse. Finanzieren könnte man es über Roboter-Steuern: „Mit den Robotern wird doch dann viel Geld verdient.“

Der Flüchtlingszuzug der vergangenen Jahre ist aus seiner Sicht erst der Anfang einer Völkerwanderung. „Wir müssen Afrika an der Wertschöpfung beteiligen, Zugang zu Kapital und Infrastruktur ermöglichen“, fordert er. Europas Probleme könnten erst gelöst werden, wenn Afrikas Probleme gelöst sind. „Wenn wir das nicht schaffen, wird es eng. Wie hoch müsste denn ein Zaun werden, wenn 500 bis 800 Millionen Flüchtlinge im Jahr 2050 an unseren Grenzen stehen?“

Land fordert: „Wir brauchen neues Denken.“ Alte Muster müssten aufgebrochen werden, man müsse sich davon lösen, dass das Leben aus Schule und Ausbildung für nur einen Beruf besteht, dem der Mensch dann ein Leben lang nachgeht. „Wir müssen uns auf ein System lebenslangen Lernens einstellen.“

Sechs Fragen an Karl-Heinz Land

Ist der Otto Normalverbraucher bereit für den Wandel?

Da sind wir bei der Digitalisierung. Durch  die Aufklärung über Internet und Social Media erkennt er, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann. Der Wandel kommt. Er muss ja nicht gleich mit Elon Musk (Tesla-Gründer, die Redaktion) auf den Mars. Aber an Ernährungsumstellung und weniger Konsum führt kein Weg vorbei. 

Wie aufgeschlossen ist die Jugend für Ihre Ideen?

Sie hat andere Wertesysteme. Soziale Aspekte und fairer Umgang sind wichtig. „Das Kind als Baumeister seiner selbst“, wie  Maria Montessori sagte, gewinnt an Bedeutung. Wir müssen erkennen, dass die Kinder unsere Probleme lösen werden, und müssen aufhören, kleine Egoisten zu erziehen.

Wie wollen Sie Autokraten oder Diktatoren überzeugen, die sich gegen Ihr Ansinnen stellen?

Ungleichheit und jedes soziale oder politische Gefälle erzeugen Energie und führen zu Widerstand. Digitalisierung erhöht die Transparenz, deshalb lässt sie sich nicht stoppen.

Laufen Sie mit Ihrer Dematerialisierung nicht gegen Wände?

Tatsächlich gibt es bisweilen massive Widerstände. Die glauben nicht daran, was mir wiederum zeigt, dass sie die Software in der Wertschöpfungskette nicht verstanden haben.

Kann mit Digitalisierung dem Klimawandel begegnet werden?

Digitalisierung impliziert umfassende Vernetzung zum Beispiel aller dezentralen Anlagen. Die Zukunft führt zu intelligenten Städten, die im Vergleich zu heute 90 Prozent weniger Energie verbrauchen werden.

Sie wollen später ein Studium anfangen. Woran denken Sie?

Philosophie. Ich glaube, dass sich mir dadurch noch viele Zusammenhänge erschließen werden. Mein Philosophielehrer am Gymnasium hatte recht, als er sagte: „Irgendwann wirst du Philosophie brauchen.“

KStA abonnieren