Neues Hennef-BuchVon Philosoph Dietzgen, Familie Menkel und der Bröhlbahn

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Das Brölbähnchen um 1930: In den Nachkriegsjahren nutzten viele notleidende Städter den Zug für Hamsterfahrten aufs Land.

Das Brölbähnchen um 1930: In den Nachkriegsjahren nutzten viele notleidende Städter den Zug für Hamsterfahrten aufs Land.

Hennef – „Seit Jahr und Tag stecke ich wieder tief in philosophischen Studien. Aller geschäftliche und freundschaftliche Verkehr muss darunter leiden. Im Wirtshaus höre ich nur zu, was andere sagen, und gehe nach kurzem Genuss wieder heim.“ Das schrieb Josef Dietzgen vor 137 Jahren seinem Bruder. Aus dem Brief des bekannten „Arbeiterphilosophen“, der sich auch mit Karl Marx und Friedrich Engels schrieb, wird im neuesten Band der „Beiträge zur Geschichte der Stadt Hennef“ zitiert. Dr. Helmut Fischer zeichnet ein Lebensbild des Lohgerbers aus Uckerath, der mehrmals nach Amerika auswanderte und 1888 im Alter von 59 Jahren in Chicago starb.

Josef Dietzgen taucht natürlich auch in Fischers zweitem Beitrag über „demokratische Regungen“ in Uckerath im Revolutionsjahr 1849 auf. „Die Demokraten scheuten keine Mühen, ihre Ideen bis in das kleinste Dorf zu tragen“, schreibt Fischer und gibt wieder, was in einer Versammlung des Demokratischen Vereins mit dem damals erst 20-Jährigen als „Präsidenten“ im Saal des Wirtshauses von Karl Rübhausen passierte.

Uckerath mehrfach im Fokus

Das „Wochenblatt für den Siegkreis“ berichtete damals von „Freiheitsaposteln“, die das „Evangelium der rothen Republik“ predigten. Dietzgen habe den Bürgermeister und den Pfarrer aufs Korn genommen: „Er rügte es, dass der Pfarrer den Beichtstuhl dazu benutze, um die Demokratie zu verdächtigen.“ Thema sind auch die amtlichen Untersuchungen, ob Uckerather an der Erstürmung des Zeughauses in Siegburg beteiligt waren.

Und noch einmal steht Uckerath im Fokus, nämlich bei Bernd Posts ausführlicher Abhandlung über die kommunale Neuordnung vor 50 Jahren. Der unbeugsame Wille der Uckerather, selbstständig zu bleiben, wird mit den entsprechenden Ratsbeschlüssen aus den 60er Jahren dokumentiert wie auch die verschiedenen Neuordnungspläne. Interessant sind die angehängten Vergleichstabellen, die zum Beispiel Vermögen und Schulden pro Einwohner in den drei zusammengelegten Gemeinden Hennef, Lauthausen und Uckerath seinerzeit zeigen.

Wie stark die einzelnen Ortschaften gewachsen oder – in wenigen Fällen – geschrumpft sind, ist einer Gegenüberstellung der Wohnplatz-Einwohner-Verzeichnisse von 1970 und 2018 zu entnehmen. Posts Fazit: „Blicken wir auf die Entwicklung von Hennef zurück, so kann man trotz der schweren Geburtswehen die Neugliederungsmaßnahme heute als Erfolg betrachten.“

Ein Besuch des jüdischen Friedhofs in Geistingen, ein Zeitungsartikel über eine in San Francisco lebende Urenkelin der dort bestatteten Eheleute Marcus und Sabina Menkel sowie ein zufälliger Kontakt über ein amerikanisches Internetforum für Ahnenforschung führten zu dem Kapitel, das Rudolf Möhlenbruch beigesteuert hat. Er hat das Schicksal der jüdischen Familie Menkel aufgearbeitet, die zwar in Eitorf lebte, aber der Geistinger Synagogengemeinde angehörte.

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Ein Teil der Familie überlebte den Holocaust; andere Angehörige wie Rola Menkel und Hans Menkel, der heute in der katholischen Kirche als Märtyrer gilt wird, wurden in Vernichtungslagern ermordet. „Wir können die Erinnerung an die Opfer und ihre Lebensgeschichten bewahren“, appelliert Möhlenbruch, der auch dazu ermuntert, Brücken zu Nachkommen der Verfolgten zu schlagen. „Solche Kontakte erleichtern unser ,Gedenken’ und führen in den meisten Fällen zu sehr freundschaftlichen Begegnungen.“

Hamsterfahrten mit dem Zug

Dampflok Nr. 17 schnauft mit drei Personen- und einem Gepäckwagen durchs Bröltal. Das Bild verspricht Eisenbahnromantik, doch genau darum geht es Friedhelm Pützstück im Schlusskapitel nicht. Bei aller Nostalgie, die sich heute um das frühere Brölbähnchen rankt, geht es dem 82-Jährigen darum, dessen Rolle als Retter in der Not zu schildern.

Pützstück erinnert an die Hamsterfahrten in den Nachkriegsjahren. Rappelvoll seien die Züge gewesen, „in den Gängen sowie auf den Plattformen drängelten sich die ausgehungerten Fahrgäste, die hauptsächlich in den nahe gelegenen Städten lebten“ – und auf dem Land etwas zu essen „hamstern“ wollten. Trotz veröffentlichter Aufrufe war es dem Autor leider nicht gelungen, alte Fotografien aufzutreiben, die auch diese Facette der Brölbahn zeigen.

Band 13 der Beiträge zur Geschichte der Stadt Hennef, Neue Folge, 227 Seiten, herausgegeben von Helmut Fischer, Gisela Rupprath und Markus Heiligers im Auftrag des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Hennef, ist für 16 Euro im örtlichen Buchhandel erhältlich.

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