Vergewaltigung am Allner SeeMann schildert Gewalt gegen Frau als Kampf gegen Drachen

Lesezeit 3 Minuten
Vor Gericht musste sich der Angeklagte wegen Vergewaltigung einer Frau am Allner See verantworten.

Vor Gericht musste sich der Angeklagte wegen Vergewaltigung einer Frau am Allner See verantworten.

Hennef/Bonn – Als der Angeklagte in Handschellen vorgeführt wurde, streckte er minutenlang die Zunge raus. Dann setzte er sich, begrüßte alle mit bösem Blick, schnäuzte ins Taschentuch, verschränkte die Arme auf dem Tisch und legte seinen Kopf darauf. In die seltsame Stille hinein trug die Staatsanwältin die Antragsschrift vor. Sie berichtete von dem Grauen, das einer 34-Jährigen in der Nacht des 18. Mai am Allner See widerfahren sein soll, nachdem sie dem „Obdachlosen mit dem Einkaufswagen“ begegnet war.

Die Spaziergängerin ging mit ihren beiden Hunden am See spazieren. Der Angeklagte soll sie dort verschleppt, wiederholt vergewaltigt, misshandelt, gedemütigt, an die Hundeleine gelegt und bedroht haben. Fast zehn qualvolle Stunden soll der Mann, der offenbar seit langem zwischen Wahn-Welten unterwegs ist, sie an seinem Zeltplatz festgehalten haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

In dem Prozess vor der 2. Großen Strafkammer des Bonner Gerichts geht es vor allem um die Frage, ob der 53-jährige Diplom-Ingenieur, der seit vielen Jahren an Schizophrenie leidet, zum Zeitpunkt der Taten – Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung lauten die Vorwürfe – eingeschränkt schuldfähig oder sogar schuldunfähig war. Es wird auch darum gehen, ob er dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden muss.

In welchen irrealen Welten der Angeklagte zuhause ist, obwohl er starke Medikamente bekommt, dokumentierte der 53-Jährige gestern mit einem Brief, den er der psychiatrischen Gutachterin kurz vor Prozessbeginn überreicht hatte und der vom Gericht verlesen wurde. Hierin schildert der Grenzgänger seine Begegnung mit der Spaziergängerin. „An diesem sonnigen Maitag hatte ich vor, die Sumpffiebermücke zu studieren“, als ihm „zwei Riesenungeheuer entgegenkamen, zwei Drachen mit je zwei Hundeköpfen“.

Schriftliche Erklärung

Während die Hundeköpfe sich über seine Fleischvorräte hermachten, genüsslich sein Bier tranken und ihm unbemerkt 50 Euro aus der Tasche zogen, musste er sich „tierisch anstrengen, die Gutmütigkeit des Drachen nicht zu verlieren“. Aber es sei alles anders gekommen: „Die ganze Nacht habe ich mit dem Drachen gekämpft“, dabei habe ihm keiner geholfen. Am Morgen sei es ihm gelungen, das Ungeheuer an die Hundeleine zu legen. „Aber ich habe nicht mit der Wildheit des Drachen gerechnet. Plötzlich war er weg.“

„Kann der Drache vielleicht auch eine Frau gewesen sei?“, fragte Kammervorsitzender Wolfgang Schmitz-Justen. Aber der Angeklagte schüttelte den Kopf. Er wollte mit niemandem sprechen. Ab und zu schrieb er kleine Pamphlete, die er dem Gericht reichte. Aber sie sollten nicht mehr verlesen werden.

Nach dem nächtlichen Martyrium war es der 34-Jährigen gegen 5 Uhr gelungen, sich von der Leine zu reißen und ihren zwei Hunden zu folgen, die das Zelt zweier Nachtangler angesteuert hatten. Die beiden 23-Jährigen hatten bereits ihren Hilferuf gehört und erlebten eine Frau unter Schock. „Zwar hat sie versucht, die Sache herunterzuspielen, aber sie hatte einen ganz leeren Blick, auch blaue Flecken im Gesicht, sie zitterte“, berichtete einer der Angler als Zeuge in dem Gerichtsprozess. Ihre Kleidung sei nass und verdreckt gewesen. Von dem Obdachlosen fand man zunächst keine Spur. Er konnte erst drei Tage später festgenommen werden.

KStA abonnieren