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JubiläumGeorgsglocke mit Klang von 500 Jahren in Neunkirchen-Seelscheid

Lesezeit 3 Minuten
Rainer Thoma ist Mitglied des Ortsausschusses des Pfarrgemeinderates. Er erfuhr von Heimatforscher Helmut Amelung aus Overath vom Alter der Glocke.

Rainer Thoma ist Mitglied des Ortsausschusses des Pfarrgemeinderates. Er erfuhr von Heimatforscher Helmut Amelung aus Overath vom Alter der Glocke.

  • Die Georgsglocke ist in in Nationalsozialismus der Einschmelzung nur knapp entgangen.
  • Bevor die Glocke 1942 abmontiert wurde, hielt der damalige Pfarrer eine ergreifende Rede.
  • Geläut und Rede ließ er auf eine Schallplatte pressen - es gibt noch ein Exemplar.
  • Sehen Sie hier das Video und lesen Sie, wie die einzige Schellack-Platte aufgetaucht ist.

Neunkirchen-Seelscheid –  Könnte die Georgsglocke Geschichten aus ihrem langen Dasein erzählen, es würde ein nicht enden wollendes Buch. Sie hat alle Epochen nach dem Mittelalter überstanden, hat Kriegen getrotzt, ist in der Nazizeit der Einschmelzung nur knapp entgangen, und sogar Martin Luther könnte sie persönlich läuten gehört haben.

Die Glocke, die in der katholischen Pfarrkirche in Seelscheid neben fünf weiteren hängt, ist 1519 gegossen worden und feiert damit in diesem Jahr ihr 500-jähriges Bestehen.

Zum Einschmelzen von den Nazis abgeholt

Die Glocke wurde von dem aus Overath stammenden Heinrich II von Overroid vermutlich in Seelscheid vor Ort gegossen (siehe „Bedeutendes Handwerkergeschlecht“). Sie hat einen Durchmesser von 108 Zentimetern und ein Gewicht von 775 Kilogramm.

Der Text auf der Glocke lautet „Georgius Heischen ich – In Marien Ere Luiden ich – De Doden Beschrien Ich – Heinrich Overroid goss Mich – Anno Dom M V XIX“. Das heißt übersetzt: „Georgius heiße ich – in Maria Ehren läute ich – Den Toten läute ich – Heinrich Overroid hat mich gegossen.“

Pfarrer hoffte, das Glocke verschont bleiben würde

Es hätte nicht viel gefehlt, dann hätte ihr Dasein 1942 geendet. Der damalige Pfarrer Peter Simons musste schon 1940 den Meldebogen für Bronzeglocken der Kirchen ausfüllen. In Deutschland wurden in der Zeit des Nationalsozialismus 90.000 Glocken mit einem Gesamtgewicht von 27.750 Tonnen für Kriegszwecke eingeschmolzen.

Der Pfarrer hatte einfach das Gewicht um 100 Kilo höher angesetzt, in der Hoffnung, dass die Glocke verschont bliebe. Es nützte nichts. Bevor die Glocke 1942 abmontiert wurde, ließ Pfarrer Simons alle Glocken noch einmal läuten und hielt eine ergreifende fünfminütige Abschiedsrede. 

Als die Platten geliefert wurden, standen die Nazis bereit

Beides ließ er auf Vorder- und Rückseite einer Schellack-Schallplatte in einer Auflage von 500 Stück von der Plattenfirma Telefunken aus Berlin pressen. Als die Platten geliefert wurden, standen die Nazi-Schergen vor dem Pastorat schon bereit und machten jede einzelne Platte mit einem Nagel unbrauchbar.

Die einzige Platte, die noch existiert, besitzt der Ur-Seelscheider Paul Frielingsdorf (82). „Ich habe sie im Nachlass meines Großvaters gefunden“, berichtet er. Stets war er sich des Wertes der Platte bewusst. Für 500 Mark digitalisierte er das Stück im Jahr 2001 in einem Bonner Tonstudio. „Das hat 14 Tage gedauert. Ich hab’ mir 20 Kopien gemacht, die ich verkauft habe, um die Kosten zu reduzieren“, fügt er an.

Gemeinde feiert mit dem Cäcilienfest das Jubiläum

Die Glocke wurde derweil 1942 auf den riesigen Glockenfriedhof in Hamburg gebracht – und nicht eingeschmolzen. Am 25. September 1947 quittierte Pfarrer Simons nach dem Rücktransport den Erhalt des Geläuts.

An diesem Sonntag um 10.30 Uhr feiert die Gemeinde im Zusammenhang mit dem Cäcilienfest das Jubiläum. Die Chorgemeinschaft singt, die Predigt geht auf die Geschichte der Glocke ein, und auch die originalen Ton-Dokumente werden abgespielt. Im Anschluss an den Gottesdienst beiern die Jugendlichen die 500 Jahre alte Glocke, ein alter Brauch des manuellen Anschlagens.

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