Speeddating mit der StadtverwaltungLohmarer Schüler debattieren mit Lohmarer Politik

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Till Degen, Azra Sayan, Emily Kinstler und Florian Bladt (v. l.) bildeten eine der Gesprächsgruppen beim Speed-Debating.

Till Degen, Azra Sayan, Emily Kinstler und Florian Bladt (v. l.) bildeten eine der Gesprächsgruppen beim Speed-Debating.

Lohmar – „Wie trennt ihr in der Schule Müll?“, wollte Matthias Schmitz, Vorsitzender des Umweltausschusses von den vier Jugendlichen wissen, mit denen er und Christian Simons vom Lohmarer Umweltamt sich rege austauschten. „Wir können eigentlich nicht trennen, weil es jeweils nur einzelne Mülleimer gibt“, erwiderten Till Degen, Azra Sayan, Emily Kinstler und Florian Bladt aus der Jahrgangsstufe 11 der Gesamtschule unisono. Das rief beim Politiker und beim städtischen Mitarbeiter Verwunderung hervor. „Wir nehmen das mal mit“, sagten sie.

Solche Reaktionen dürfte sich Fabian Feldmann, Abteilungsleiter im Amt für Jugend und Familie beim ersten Lohmarer Speed-Debating gewünscht haben. „Jugendliche sind vielmehr Experten, wenn es um die Fragen ihrer Lebenswirklichkeit geht“, unterstrich Feldmann, der Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums und der Gesamtschule zum „schnellen Debattieren“ eingeladen hatte. „Wir wollen mit den Ergebnissen weiterarbeiten, alle Beiträge sammeln und aufbereiten“, sagte der Erste Beigeordnete Peter Madel.

Rund 80 Schüler hatten sich freiwillig gemeldet, um mit Vertretern aus Stadtverwaltung, Stadtrat und Behörden „ins Gespräch zu kommen und mit ihnen über ihre Fragen, Anregungen und Wünsche zu sprechen“, wie es in der Einladung geheißen hatte. An zehn Tischen hatten die Experten aus den oberen Hierarchieebenen Platz genommen, stellten sich in zwei Durchgängen für jeweils zehn mal zehn Minuten den Fragen der Dreier- und Vierer-Gruppen in nahezu allen kommunal- und schulpolitischen Themenfeldern, aber auch zu den Aufgaben von Ordnungs- und Jugendamt oder zu scheinbaren Randgebieten wie Trennwände zwischen den Urinalen in den Toiletten.

Schulpädagogin Radana Krebs und Peter Sondermann vom Jugendzentrum Lohmar wachten mit Stoppuhr über die Einhaltung der Zeit. Der Gong beendete jeweils die Gesprächsrunde und zeigte den Wechsel zum nächsten Tisch und Thema an.

Überfüllte Busse

Beigeordneter Michael Hildebrand und Landtagsabgeordneter Horst Becker debattierten mit den jungen Bürgern über überfüllte Busse oder Fahrradkonzepte, wobei die Jugendlichen auch die Sicht ihrer Eltern einbrachten. Hildebrand fand es „erstaunlich, wie zufrieden die Schüler mit dem Leben auf dem Land sind“.

Auch Bürgermeister Horst Krybus ließ sich löchern. Erik Kammer, Sebastian Goeke, Vanessa Sperling und Necihan Sandicki waren gut vorbereitet, sogar darauf, „je nach dem“ die Fragen umzustellen. Krybus wollte sich nicht dazu äußern, wen er für einen geeigneten Nachfolger hält. „Der Wähler wird es entscheiden“, sagte er.

Begrenzte Zeit

Das Speed-Debating hat seinen Ursprung im Speed-Dating, das Ende der 90er Jahre in den USA seinen Ausgang nahm und zunächst dazu diente, mögliche Beziehungspartner kennenzulernen. Bald wurde das systematische Vorgehen in anderen Lebensbereichen angewendet, etwa bei der Job- oder Wohnungssuche, bei Diskussionen oder bei Arbeitsagenturen und Betrieben für Mitarbeitersuche. In einer eng begrenzten Zeit tauschen sich Gesprächspartner oder Gruppen aus und wechseln nach einem akustischen Signal in die nächste Gruppe oder zum nächsten Gesprächspartner.

Am „Umwelttisch“ bei Schmitz und Simons ging es derweil hin und her. „Was halten Sie von Greta?“, fragte Emily Kinstler. „Warum stehen die Heizkörper neben der Eingangstür, wo die Wirkung sofort verpufft?“, wollte Azra Saya wissen, die kurz darauf auf Schmitz Frage „Was könnte man aktiv für den Umweltschutz machen?“, den Vorschlag parat hatte: „Den öffentlichen Nahverkehr stärken.“

Die ausführlichen und sehr offenen Antworten der Experten sollten bei den Schülern auch Verständnis wecken für die komplexen Vorgänge und gegenseitigen Abhängigkeiten im politischen und verwaltungstechnischen Prozess, das war ein Motiv für die Veranstaltung. Beide Seiten äußerten sich zufrieden über die junge Form der Debatte. „Wir wurden sehr ernst genommen“, resümierte Till Degen. Er fand, dass „Nichtrealisierbares verständlich gemacht wurde“.

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Emily Kinstler nahm aus der Veranstaltung die Erkenntnis mit, „dass alle nur Menschen sind“ und „sich viel Mühe geben“. Horst Becker pflichtete Azra Sayan bei, „so etwas regelmäßig zu veranstalten“, jedoch mit weniger Gruppen und 15 statt zehn Minuten, „da fünf weg waren, bis sich die Hemmungen gelegt hatten.“

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