TraditionAlt eingesessene Gasthäuser in Lohmar suchen nach neuen Wegen

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gasthaus scheiderhöhe

Ohne Hotelneubau kein Gasthaus Scheiderhöhe: Nikolai von Solodkoff hofft auf ein schnelles Verfahren. Seit dem Tod des Pächters 2018 gibt es nur noch Wochenendbetrieb.

  • Alt eingesessene Gasthäuser in Lohmar sind auf der Suche nach neuen Wegen, um Gäste anzulocken.
  • Treue Gäste sollen gehalten, neue Gäste hinzugewonnen werden.
  • Cordula Orphal stellt drei Häuser und ihre Ideen vor.

Lohmar – Alt eingesessene Gasthäuser in Lohmar suchen nach neuen Wegen, um alte Gäste zu halten und neue zu gewinnen. Cordula Orphal stellt drei Häuser und ihre Ideen vor.

Gasthaus Scheiderhöhe

Die Höhe verspricht einen tollen Ausblick: In seiner Vorstellung sitzt Nikolai von Solodkoff mit einem Glas Sekt in der Bella-Vista-Bar, „rechts der Kölner Dom, in der Mitte die Landebahn des Flugplatzes, links der Michaelsberg“. Doch noch gibt es weder Bar noch Hotel, und das traditionsreiche Gasthaus Scheiderhöhe öffnet derzeit nur am Wochenende für geschlossene Gesellschaften. Aber es gibt hochfliegende Pläne, die allerdings im Stadtentwicklungsausschuss einen kleinen Dämpfer erhielten. Solodkoff, Interimsverwalter im Auftrag der Besitzerfamilie Blum, sieht das Projekt nach den Signalen aus der nicht öffentlichen Ausschusssitzung gefährdet: ein moderner Hotelbau mit 50 Betten hinter dem historischen Pfarrhaus, das die Investoren renovieren und miteinbeziehen wollen.

Die Kirche sei interessiert, ihnen das um 1900 errichtete Bruchsteingebäude und das Grundstück dahinter per Erbpacht zu überlassen. Das Hotel würde den Fortbestand des malerischen Fachwerk-Gasthauses mit Festsaal samt Bühne sichern, so Solodkoff. Nach dem plötzlichen Tod des Pächters im Dezember 2018 habe sich niemand gefunden, der den Restaurationsbetrieb habe übernehmen wollen. Größtes Problem: der Personalmangel. Für das Gesamtpaket Hotel und Gastro hingegen gebe es einen ernsthaften Interessenten, einen Hotelier, der eine ländlich gelegene Dependance eröffnen wolle. „Wir könnten sofort loslegen.“

Die Stadt begrüßt die Pläne grundsätzlich, die Kommunalpolitik sei sich einig gewesen, „das Gasthaus und damit das Leben in Scheiderhöhe zu halten“, sagte Kerstin Tillmann, Leiterin des Bauaufsichts- und Planungsamtes, auf Anfrage. Doch für einen Hotelneubau im vereinfachten, schnellen Verfahren mit Baubeginn noch in diesem Jahr gebe es aufgrund der geltenden Innenbereichssatzung „planungsrechtlich keinen Spielraum“. Der Verweis der Investoren auf das Ortsbild entlang der Scheiderhöher Straße mit „zahllosen hässlichen Zweckbauten“ verfange nicht.

Tillmann: „Sicherlich ist die frühere Firma Sulzer ein Fremdkörper“, die Gebäude hätten aber Bestandsschutz. Dort, wo es gehe, wolle die Verwaltung das Verfahren beschleunigen. „Ein Jahr dauert es aber mindestens.“ Die Pläne für das Hotel müssten jedoch noch hinsichtlich Volumen und Lage überarbeitet werden. „Es muss sich besser ins Ortsbild einfügen.“ Sie habe schon ein ausführliches Gespräch mit der Architektin geführt.

Nikolai von Solodkoff befürchtet, dass die Erste-Hilfe-Aktion zur Wiederbelebung der Gaststätte zu spät kommt. „Das Haus steht nicht unter Denkmalschutz. Es wäre doch jammerschade, wenn es abgerissen und Wohngebäude auf dem Grundstück errichtet würden.“

Gasthof Fielenbach

Vor fünf Jahren sollte Schluss sein. Zum 65. Geburtstag von Norbert Fielenbach wollten der passionierte Koch und seine Frau Doris die Gastwirtschaft an einen Nachfolger übergeben, an den Sohn oder einen Pächter. Kürzlich wurde Fielenbach 70 – und das Paar gönnte sich den Dienstag als zweiten Ruhetag.

Der Sohn hat sich beruflich anders orientiert. Und die Suche nach einem Nachfolger für die Traditionsgaststätte gegenüber der Kirche verlief bislang im Sande. Einfach dicht machen, das kommt für die Fielenbachs nicht infrage. „Wir wollen dem Dorf doch etwas zurückgeben.“ Den Sportlern, Sängern und Karnevalisten, den Keglern, den Skatspielern, den Stammgästen, auch die jungen Leute hätten die Kneipe als Treffpunkt und als Ort guter Gastlichkeit wiederentdeckt. „2018 war bislang unser stärkstes Jahr“, sagt die gelernte Friseurin. Die Schwiegereltern hatten die erste Wirtschaft im Ort, um 1850 gegründet, im Jahr 1950 gekauft. Der Sohn und ein Freund wollten den Betrieb führen, doch der Kumpel wurde 28-jährig noch zur Bundeswehr einberufen.

Die Kneipe war gesellschaftlicher Mittelpunkt: Im Saal wurde geturnt und Tischtennis gespielt, im Hof waren die Duschen für die Fußballer. Nach wie vor finden Hochzeiten statt, Geburtstage, Beerdigungen.

Einiges müsse in den Brandschutz investiert werden bei einem Betriebsübergang, Fielenbachs haben sich vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) beraten lassen. „Damit würden wir den Nachfolger nicht allein lassen.“ Das Paar will vorerst weiter durchhalten, sie stellen für das neue Birker Prinzenpaar wieder die Hochburg. Falls sich nichts ergibt, planen sie danach einen dritten Ruhetag.

Franzhäuschen

Hier hielten einst die Postkutschen und kehrten gern die Franziskaner ein, die sich aus dem Seligenthal per Pedes nach Heide aufmachten. An der Fassade des früheren „Franziskaner-Häuschens“ prangt die Jahreszahl 1834, das heutige „Franzhäuschen“ schlägt nach 185 Jahren ein neues Kapitel Gastro-Geschichte auf.

Kerstin Salgert und Udo Jedamkski haben den großen Saal umgebaut zum Ladenlokal und Bistro. Nicht mangels Nachfrage, sondern weil die Bewirtschaftung einfach nicht mehr zu schaffen war. „Die Feiern gingen oft bis in den frühen Morgen. Und wir konnten uns nur kurz schütteln, bevor wir unseren Übernachtungsgästen das Frühstück servierten“, erzählt der 52-Jährige. „Das halten wir gesundheitlich nicht mehr durch.“ Personal sei kaum zu finden, auch Auszubildende nicht. „Wer überhaupt noch in die Branche will, geht in die großen Häuser nach Bonn.“

„Feinkost-Franz“ heißt das neue Standbein des Familienbetriebs. Mit Spezialitäten, die es im Umkreis nicht gibt, Weine, Destillaten, Saumagen aus der Pfalz, Lammbratwurst von Sylt, Dips, Suppen und der Gänsesoße aus der eigenen Küche , „die war zehn Stunden auf dem Herd“. Mittwochs bis freitags ist von 16 bis 18 Uhr geöffnet, samstags von 11 bis 17 Uhr, am Sonntag nur das Bistro.

Als Anton und Anna Salgert, Urgroßeltern von Kerstin Salgert (50) , 1913 das Haus von den Gründern Anna und Wilhelm Roth übernahmen, gehörten nach Landwirtschaft und eine Poststelle (bis 1993) dazu. Damals gab es keinen Arbeitskräftemangel. Sohn Heinrich Salgert stieg mit Frau Josefa 1938 ein, von 1970 bis 2003 erweiterten und renovierten Anita und Karl-Heinz Salgert den Betrieb. Dann übernahmen Tochter und Schwiegersohn, sie Erziehungswissenschaftlerin, er Jura-Student mit Kochlehre. Das Franzhäuschen ist für seine ausgezeichnete Küche bekannt, wurde zuletzt mit zwei Kochlöffeln im Schlemmer-Atlas ausgezeichnet.

Die Gastronomie sei landauf, landab im Umbruch, sagen Salgert und Jedamski, die gemeinsam vier Kinder haben. Sie wollten den neuen Weg beschreiten, ohne die Vergangenheit aus dem Blick zu verlieren: Das steinerne Kreuz an der Westseite gab Generationen von Wanderern Geleit.

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