Angst vor UnwetterAnwohner bekommen zehn Sandsäcke pro Haushalt

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Der Andrang auf den Sand am Freizeitpark in Rheinbach war groß.

  • Seit Donnerstagmorgen können sich Meckenheimer Bürger auf dem Bauhof der Stadt mit Sandsäcken versorgen.
  • Der Andrang ist groß. Nach der Unwetterkatastrophe vom Juli 2021 sind auch die Meckenheimer extrem sensibiliert.
  • Für Freitag kündigt der Deutsche Wetterdienst für Köln und die gesamte Region erneut eine Gewitterfront mit großen Regenmengen und extremen Windböen an.

Meckenheim – Die ersten Regentropfen fallen, als am Donnerstag kurz nach 13 Uhr am Sportplatz in Ersdorf Sandsäcke abgeladen werden. Die Unwetterwarnungen haben viele Menschen wegen der Katastrophe im vorigen Juli höchst sensibel gemacht. Der Meckenheimer Bauhofleiter Ulrich Hagedorn überwacht selbst die Abgabe der Säcke, denn jeder Bürger muss erstmal per Ausweis nachweisen, dass er wirklich in gefährlicher Nähe zu einem Bach wohnt und eine Quittung ausfüllen, bevor Selbstbedienung an den drei Paletten zu je 50 Sack der ersten Lieferung erlaubt ist. Zehn Säcke voller Sand pro Haushalt gibt es in Meckenheim, fünf weitere zum Selbstbefüllen bei Bedarf.

Der Andrang ist groß, obwohl die Nachricht von der städtischen Sandsackabgabe gerade erst im Dorf die Runde gemacht hat. Ortsvorsteher Ferdinand Koll: „Ich habe selbst erst um 11.30 Uhr eine Mail dazu bekommen.“ Trotzdem scheint jeder im Dorf Bescheid zu wissen.

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Abgeschnittene Pylonen dienen im Bauhof von Meckenheim als Trichter.

Innerhalb von Minuten bildet sich am Sportplatz eine Autoschlange. Hans-Peter Heinrichs ist auch dabei, obwohl er als Gärtner ständig das Regenradar beobachtet und glaubt, dass sich die Wolken rechtzeitig auflösen könnten. Wie weit er mit zehn Säcken kommt? Heinrichs lacht und antwortet als stellvertretender Wehrleiter von Meckenheim: „Jeder Hauseigentümer ist selbst zuständig.“

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Peter Buchholz holt sich ebenfalls seine zehn Säcke. Der 77-Jährige aus dem Krötenpfuhl will nicht noch einmal 1,7 Meter hohes Wasser im Keller haben: „Der Verbundestrich ist erst seit 14 Tagen drin.“ Nach gefüllten Sandsäcken hat er im Internet geschaut. „339 Euro wollten die haben“, sagt er. Ein Nachbar eilt zum Wagen und ärgert sich: „Das sind ja nur kleine Säcke.“ Ein anderer, Benjamin Böhm, diskutiert gerade mit Ulrich Hagedorn, ob er für sein Geschäft in Bachnähe Säcke haben darf, auch wenn er nicht gefährdet wohnt. Er darf.

Mehr Interessierte in Meckenheim als Sandsäcke vorhanden

1500 Säcke hatte Hagedorn auf Lager. Acht Leute zog er aus dem Reinigungsdienst ab, um weitere 1500 Säcke zu füllen. Das ging an einer Leiter mit zwei abgeschnittenen Pylonen als Fülltrichtern ruckzuck. Hagedorn musste am Vormittag am Baubetriebshof in Meckenheim schon mehr Interessierte wegschicken, als er Säcke ausgab, weil die Leute aus Sicht der Stadt nicht im Gefahrenbereich wohnen. „Wir wissen genau, welche Bereiche gefährdet sind. Wir verstehen auch, dass die Leute sensibilisiert sind. Was der Wetterdienst sagt, ist auch richtig, aber die Nachrichten suggerieren, dass wieder so etwas wie bei der Flut im Juli passieren könnte. Aber das kann ich mir nur schwer vorstellen.“

In Rheinbach verläuft indes alles völlig unbürokratisch. Im Rathaus geht es zu wie im Taubenschlag: Die Palette mit 5000 Sandsäcken aus Beständen der Feuerwehr ist am frühen Nachmittag fast leer. „Dann besorgen wir eben noch eine Palette“, sagt Stadtsprecher Norbert Sauren: „Alle Kräfte, die wir bei Starkregen benötigen, inklusive Baggern, stehen in Alarmbereitschaft. Es ist aber wichtig, dass jeder privat Vorsorge betreibt.“ Darum ist die Stadt froh, wenn jeder, dem das Wasser ins Haus laufen könnte, Sandsäcke hat.

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Hans-Peter Heinrichs, stellvertretender Wehrleiter in Meckenheim, holt sich in Ersdorf selbst zehn Säcke.

Auch das eigenständige Befüllen schien in Rheinbach kein Problem. Eine Mutter flitzte gerade ins Rathaus, während ihr drei Jahre altes Kind im Auto wartete, Steffi Schaller (40) packte ihre zehn Säcke in den Kindersitz am Fahrrad. „Die Kinder sind 3, 5 und 7 Jahre alt. Der Große hat nach der Erfahrung im vorigen Jahr am Montag geweint, als es wieder so regnete. Ich konnte ihn beruhigen, dass wir jetzt ein Stromaggregat für eine Pumpe haben. Gleich nehme ich die Kinder mit zum Sandschaufeln. Vermutlich mit dem Fahrradanhänger, sonst per Auto.“

Am Sandhaufen vor dem Freizeitpark herrschte schon Hochbetrieb. „Es hat mich gewundert, dass es so einfach geht“, staunte Theo Gütten aus Niederdrees. Mit der eigenen Schaufel hatte er schnell alle zehn Säcke vollgeschippt. „Voriges Jahr hatten wir das Wasser mehr als einen halben Meter im Haus und mussten alle Möbel wegwerfen. Meine Frau fühlt sich nun sicherer, wenn wir die Säcke haben.“

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Vor seinem Laden „dreamlike liquids“ lässt René Fischer 200 Sandsäcke auf Folien über den Lichtschächten des Kellers auslegen. „Der Vermieter hat sie angeschafft. Wir haben sie gefüllt.“ Sein Lokal in Euskirchen ist noch immer zerstört, das in Rheinbach gerade wieder betriebsbereit.

In Odendorf gab es 1500 Sandsäcke. Schon um 14.40 Uhr waren alle weg, obwohl auch dort niemand mehr als zehn haben durfte.

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