Mehr Räume, mehr PersonalKommunen in Rhein-Sieg bereiten sich auf Geflüchtete vor

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Waschmaschinen werden im Souterrain der ehemaligen Bundesbahnschule aufgestellt.

Rhein-Sieg-Kreis – Die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus der Ukraine stellt die Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises vor immense Herausforderungen.

Die Verteilung

Ist inzwischen bekannt, mit wie vielen Menschen zu rechnen ist? „Nein“ laute die Antwort der Pressestelle auf die Frage, ob eine Gesamtzahl genannt werden könne. „Geflüchtete aus der Ukraine können visumsfrei nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten“, so die Pressestelle auf Anfrage. „Nicht alle wenden sich an die Kommunen.“ Deren Aufgabe sei auch die Unterbringung der Geflüchteten. Der Rhein-Sieg-Kreis sei dann für die Registrierung beim Ausländeramt zuständig.

In Niederkassel leben nach Angaben von Stadt-Sprecher Markus Thüren inzwischen mindesten 200 Geflüchtete aus der Ukraine. So hoch ist zumindest die Zahl der offiziell registrierten Ukrainer. 45 von ihnen leben inzwischen in einer kleinen Sporthalle neben dem Lülsdorfer Hallenbad.

Derweil bereitet sich die Stadt mit Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes auf die Aufnahme weiterer Geflüchteter vor. Seit Mittwoch laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um in der Dreifach-Sporthalle an der Mondorfer Alfred-Delp-Realschule weitere Menschen unterbringen zu können. Niederkassel muss laut dem sogenannten Königsteiner Verteil-Schlüssel pro 100.000 Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen 300 Personen aufnehmen.

Unterkünfte von 2015 noch vorhanden

Siegburg übererfüllt diese Quote: Dem zuständigen Dezernenten Bernd Lehmann zufolge sind derzeit 260 Menschen in der Kreisstadt. Lege man den Königsteiner Schlüssel zugrunde, entspreche dies einer Gesamtzahl von zwei Millionen Flüchtlingen in der Bundesrepublik. Lehmann will nach Möglichkeit eine Sammelunterbringung in Turnhallen vermeiden.

Dabei profitiere die Stadt davon, dass Unterkünfte wie am Walter-Mundorf-Stadion, die 2015/2016 eingerichtet wurden, nicht aufgelöst wurden. Als damals Menschen in der Turnhalle im Schulzentrum untergebracht wurde, habe es sich um eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes gehandelt. Leistungen, die die Stadt bereits an Geflüchtete rechtmäßig ausgezahlt habe, hofft er zurückzubekommen: „Wir rechnen für den April mit einem komplett geregelten Verfahren.“

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In Troisdorf sind inzwischen 370 bis 400 Geflüchtete angekommen, die „bislang alle privat“ untergekommen seien, sagte Ulrike Hanke, Leiterin des Sozial- und Wohnungsamts, zu deren Fachbereich auch die Ausländerbehörde gehört. Erste Zuweisungen nach dem Königsteiner Schlüssel hat es bereits gegeben, in der kommenden Woche sollen es 38 Personen sein. Wer jetzt schon da ist, solle später angerechnet werden, so Hanke.

Die Unterbringung

In Lohmar, wo rund 100 geflohene Ukrainer untergebracht sind und insgesamt 400 erwartet werden, richtet man das Forum Wahlscheid her. In Eitorf wird ein freies Gebäude für 70 Menschen vorbereitet. In Troisdorf soll Haus 7 der ehemaligen Bundesbahnschule in Oberlar 100 Menschen aufnehmen, etwa noch einmal so viele werden in einem weiteren Gebäude auf dem Gelände untergebracht.

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Die ersten Zimmer im ehemaligen Internatsgebäude der Bundesbahnschule sind bereits bezugsfertig.

Die ersten Zimmer im ehemaligen Internatsgebäude sind bereits bezugsfertig, hier fehlen nur noch die kleinen Kühlschränke und Tischchen. Im Souterrain werden Waschmaschinen und Elektroherde angeschlossen. Für zunächst ein Jahr hat die Stadt die Immobilie gemietet, dort plant der Eigentümer eigentlich ein Projekt mit Wohnungen und einem Altenheim.

Troisdorf stockt personell auf

Um diese und weitere Unterkünfte betreuen zu können – Mitte April wird die ehemalige Schule Im Laach als Unterkunft in Betrieb gehen, in Oberlar gibt es die Option auf ein drittes und viertes Gebäude –, stockt die Stadt Troisdorf auch personell auf: Die Zahl der städtischen Hausmeister wird auf sechs verdoppelt, zudem gibt es zusätzliche Stellen für die soziale Betreuung. „Es läuft sehr gut“, betont die Amtsleiterin. Zwar sei die Zahl der Flüchtenden fünfmal so hoch wie 2015/16, aber: „Wir sind viel weiter als damals.“

Die niedrige Impfquote in der Ukraine von lediglich 34,5 Prozent sieht Manu Gardeweg von der Initiative „Lohmar hilft“ als problematisch an, auch mit Blick auf Unterbringung in Turnhallen. „Da sehe ich ganz viel Fragezeichen.“ Besonders wichtig wäre nach ihrer Erfahrung eine  Haftpflichtversicherung für Geflüchtete, und sei es nur für den Fall, dass ein Kind beim Fahrradfahren einen Kratzer an einem Auto verursacht: Es könne doch nicht so schwer sein, dafür einen Sammelvertrag mit einer Versicherung abzuschließen.

Genau hinsehen müsse man auch bei Privatunterbringungen, etwa um auszuschließen, dass Kinder Pädophilen ausgesetzt würden. Sie rechnet mit noch weit höheren Zahlen von Geflüchteten: „Der Rhein-Sieg-Kreis weiß noch gar nicht, was auf ihn zukommt.“

Die Rechtslage

Grundsätzlich hätten Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit den Status von Touristen, dürften aber sechs statt nur drei Monate im Land bleiben, erläutert der Siegburger Dezernent Bernd Lehmann. Das ändere sich aber, wenn sie „in irgendeiner Form öffentliche Leistungen bekommen“. Besonders wichtig sei daher eine Anmeldung bei der Stadt, auch wenn Menschen privat untergebracht seien. „Das funktioniert aber noch nicht.“

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Die Initiative „Lohmar hilft“ sammelt Hilfsgüter für die Ukraine. Manu Gardeweg stimmt den Bedarf mit dortigen Kliniken ab.

Wichtig sei auch die Weiterleitung der Registrierung an das Ausländeramt. Die Bezüge der Geflüchteten deckten den Grundbedarf ab und lägen damit annähernd bei Hartz IV.

Auch Manu Gardeweg sieht die umgehende Registrierung der Geflüchteten als besonders wichtig an. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen sei da sehr gut.

Besonders wichtig sei eine Erreichbarkeit der Kommunen rund um die Uhr, auch am Wochenende, wenn Menschen gerade eingetroffen seien. Binnen einer Stunde müsse ein Rückruf schon möglich sein. „Lohmar hilft“ und andere Initiativen seien sehr gut vernetzt. „Im Rhein-Sieg-Kreis wird niemand hungern“, ist sie sicher.

Die Hilfsangebote

Der Siegburger Dezernent Bernd Lehmann lobt die hohe Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger. Aber: „Es kommen immer mehr Leute hinzu, und wir wissen gar nicht mehr, wohin damit.“ Er rät privaten Helfern, die an die ukrainische Grenze fahren, dringend, sich zuvor mit der Stadt abzustimmen. Sollten die Siegburger Kapazitäten nicht mehr reichen, müsse man Geflüchtete zur zentralen Aufnahmestelle nach Bochum schicken.

Helfer bezahlen Miete für Lagerhalle

Manu Gardeweg freut sich ebenfalls über das hohe Engagement ehrenamtlicher Helfer, bemängelt aber, dass sie aus den Spendenmitteln nach wie vor die Miete für das große Hilfsgüter-Lager an der Gierlichsstraße in Troisdorf zahlen müsse – leider habe der Rhein-Sieg-Kreis keine großen Lagerkapazitäten.

Der Verein hilft Geflüchteten und Helfern vor Ort, schickt Güter aber auch in die Ukraine. „Auf Bestellung“: Mit Krankenhäusern beispielsweise werde abgestimmt, was gebraucht werde. Derzeit halte man 3500 Hygienepakete für Erwachsene und 500 für Kinder bereit.

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