Mit Abstand gemeinsam lernenSchulen bereiten sich auf schrittweise Wiederöffnung vor

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Nur noch fünf Schüler je Klassenraum sollen demnächst im Kunstkolleg sitzen. Dr. Marcus Wüst (links) und Raimund Pabst schafften Platz für Abstand.

Nur noch fünf Schüler je Klassenraum sollen demnächst im Kunstkolleg sitzen. Dr. Marcus Wüst (links) und Raimund Pabst schafften Platz für Abstand.

Rhein-Sieg-Kreis – Von Donnerstag an geht der Unterricht weiter. Wie sind die Schulen auf die Rückkehr der Kinder und Jugendlichen vorbereitet?

Siegburg

„Immer rechts an der Wand lang“, heißt es für die 125 Abiturkandidaten und die Lehrkräfte des Anno-Gymnasiums. Die Anweisung, die für Abstand auf den Fluren sorgen soll, ist eine von zahlreichen Maßnahmen, die Schulleiter Sebastian Kaas nach einer Begehung mit Vertretern der Stadtverwaltung erläuterte.

Abstandsmarkierungen am Boden werden dafür sorgen, „dass man zum Vordermann zwei Meter Abstand lässt“, und auch in den Pausen wird auf die nötige Distanz geachtet: „Der Schulhof wird in vier Bereiche eingeteilt“, nach Möglichkeit sollen die Jugendlichen nur mit den Mitschülern die Pause zu zweit verbringen, mit denen sie auch sonst Kontakt haben.

Probleme bei Personal und Busunternehmen

In den vier Berufskollegs in Siegburg, Hennef, Troisdorf und Bonn-Duisdorf erwartet Kreis-Schulamtsleiter Hans Clasen für Donnerstag eine „unheimliche hohe Zahl von Schülern“.

Allein in Siegburg stünden bald Abschlüsse in acht Klassen der höheren Handelsschule an, auch die einjährige Ausbildungsvorbereitung bietet „zahlreiche Klassen“ und endet mit einer Prüfung, was Schulpflicht für die Teilnehmer bedeutet. Insgesamt würden es wohl 300 junge Leute an jedem der vier Standorte, sagte Clasen.

Auf der anderen Seite ist nicht das komplette Personal einsatzfähig: wegen Vorerkrankungen, Schwangerschaft oder wegen des Alters. „Es kann sein, dass wir weniger als 70 Prozent der Lehrkräfte haben“, so der Amtsleiter. Dann werde es schwierig, weil die Klassen nicht mehr aufgeteilt werden könnten.

Vor einem anderen Problem könnte die Kreisverwaltung stehen, wenn am Montag, 4. Mai, die Förderschulen wieder an den Start gehen: Die Kleinbusunternehmer für den Schülerspezialverkehr sieht Clasen derzeit in „großen finanziellen Nöten“ aufgrund der fast vollständig ausgefallenen Fahrten zum Unterricht. Über mögliche Hilfen des Rhein-Sieg-Kreises werde derzeit beraten. „Wir hoffen, dass sie durchhalten bis zum 4. Mai“, sagte der Kreis-Schulamtsleiter. (dk)

Wer das Angebot zur Abiturvorbereitung nutzt – verpflichtend ist der Schulbesuch für die Q2 nicht – muss umdenken: „Normalerweise stellen wir die Stühle hoch für die Bodenreinigung“, berichtet Schulleiter Kaas. Nun bleiben sie unten, damit alle Oberflächen täglich gereinigt werden können. Eine Maskenpflicht wird es nicht geben, aber „wir schließen uns der Empfehlung der Kanzlerin an“. Schulhund Haley geht derweil mit gutem Beispiel voran, für zweibeinige Kollegen hat Kunstlehrerin Christine Sebe-Opfermann Masken genäht. (dk)

Windeck

„Ich fühle mich auf jeden Fall sicher“, sagt Melanie Grabowy. Angst habe sie nicht; dass die Schule wieder anläuft, hält die Leiterin der Gesamtschule Windeck für eine richtige Entscheidung. „Denn ich weiß auch, dass Normalität für die psychische Gesundheit ganz wichtig ist.“ Insgesamt elf Kolleginnen und Kollegen werden die Zehntklässler am Standort Herchen unterrichten, und sie in Zehnergruppen „fit machen in den Fächern der Zentralen Prüfung (ZP)“: In Mathematik, Deutsch und Englisch. Dass die Zehner in diesem Jahr statt der ZP eine „Prüfungsarbeit“ schreiben, die von Lehrern der Schule gestellt wird, „nimmt natürlich ein bisschen Druck raus“.

Die meisten Schülerinnen und Schüler bleiben ja zunächst noch zuhause, für sie hat aber schon am Montag der Unterricht wieder begonnen. Die „müssen wir aus den Ferien holen und motivieren“, betont Grabowy – durch direkte Ansprache per Telefon, schriftlich oder digital. Standards für das Homeschooling erarbeiteten die Windecker in einer Besprechung am Montag. Bei geöffneten Fenstern, mit Abstand und desinfizierten Türgriffen. (dk)

Hennef

Hausmeister Raimund Pabst und Oberstufenleiter Dr. Marcus Wüst tragen am Dienstagvormittag den ersten Tisch hinaus. Mehr als zwei Meter Abstand will Schulleiter Tobias Lingen zwischen den verbleibenden Plätzen haben. Am Kunstkolleg Hennef müssen vier Klassenzimmer für den zehnten Jahrgang hergerichtet werden, so dass jeweils nur noch fünf Schüler in einem Raum Unterricht haben. Das erfordert einen vierfachen Lehrereinsatz. 20 Jungen und Mädchen beträgt die reguläre Klassenstärke an der Gesamtschule mit künstlerischem Schwerpunkt. „Wir kommen zurecht“, erklärt Lingen, alle Regeln könnten eingehalten werden.

„Wir bitten darum, dass alle Masken mitbringen.“ Gleichwohl hätte Lingen die zehnte Klasse lieber weiter digital unterrichtet, so wie es für die übrigen der insgesamt 260 Schüler und grundsätzlich für alle jungen Leute mit Vorerkrankungen per Videokonferenz läuft. Auch auf die Rückkehr der 13. Klasse – die Oberstufe wird als Berufliches Gymnasium geführt – ist man vorbereitet. „Da müssen wir abwarten, wie viele kommen, um zu sehen, welche Kurse möglich sind“, sagt Lingen mit Blick auf die Freiwilligkeit. Gewiss ist, dass es vorerst keinen Sportunterricht gibt, der für die Kunstkolleg-Schüler sonst in gemieteten Hallen stattfindet.

Protest gegen Prüfungen

Mit Plakaten am Schultor hatten Abiturkandidaten im Troisdorfer Heinrich-Böll-Gymnasium für eine Absage der Prüfung und ein Abiturzeugnis auf der Basis der Vornoten geworben. „Unfair, unzumutbar und unverantwortlich“, so die Initiatorin Ayla von Kageneck, fanden es die Schülerinnen und Schüler, in der angespannten Situation Prüfungen ablegen zu müssen. Auch die Ungewissheit habe die Vorbereitung belastet. Aber: „Wenn wir schon schreiben müssen, ist es gut, dass es wenigstens Vorbereitungszeit in der Schule gibt.“ (dk)

Die Wiederaufnahme des Studienbetriebs an der Rhein-Sieg-Akademie für realistische bildende Kunst und Design steht erst im Mai an. Zurzeit sind Semesterferien. (kh)

Neunkirchen-Seelscheid

„Auf Sicht fahren“, ist das oberste Gebot für Barbara Altmann, stellvertretende Schulleiterin am Antoniuskolleg. Eigentlich sind die 143 Abiturienten schon fertig vorbereitet, so Altmann. Der Schulbesuch sei ein zusätzliches freiwilliges Lernangebot. Zunächst sind acht bis neun Lehrer im Einsatz. Die Zahl wird ab Montag auf über 30 steigen.

„Es steht noch nicht fest, ob wirklich alle Fächer angeboten werden. Das hängt auch davon ab, wer von den Schülern kommt und welche Lehrkräfte zur Verfügung stehen“, fügt Altmann an. Ein Mund-Nasen-Schutz ist Pflicht am AK, auf der Internetseite gibt es eine Bastelanleitung. „Das habe ich auch ausprobiert. Funktioniert prima“. Die Räume sind mit dem nötigen Tischabstand vorbereitet, die Verkehrswege werden im Gebäude als Einbahnwege gekennzeichnet.

Arbeits- und Kontaktflächen werden nach jeder Einheit mit selbst hergestellten Desinfektionsmittel gereinigt und die Räume gelüftet. „Unsere Bitte ist es, dass sich alle von sich aus an die Abstands- und Hygieneregeln halten“, betont die Konrektorin. Der Schulbetrieb in den anderen Klassen ist auch hier ab dem 4. Mai geplant. Dann sollen die zehnten Klassen im G9-Bildungsweg beginnen. In Gruppen wird es vor allem Wiederholung in Deutsch, Mathematik und Englisch geben. (que)

Troisdorf

Nur zwei Wochen hat Ralf Wermter „seine“ Schule im Normalbetrieb erlebt: Seit dem 1. März erst leitet er die Rupert-Neudeck-Hauptschule in Troisdorf. 45 Schülerinnen und Schüler aus dem Abschlussjahrgang erwartet man dort, fünf Lerngruppen wurden aus den zwei Klassen gebildet. „Alle sitzen allein an einem Doppeltisch“, sagt der Rektor. Statt der Schüler wechseln nun wieder die Lehrer zwischen den Unterrichtsstunden das Klassenzimmer, „damit immer nur einer auf dem Flur ist“. Zeitversetzt kommen am Morgen die Schüler, auf dem Hof sorgen Markierungen für den richtigen Abstand. (dk)

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