„Schade, dass Hauptschulen verschwinden“Interview mit Schulleiter aus Niederkassel

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Der Letzte macht die Tür zu: Rektor Michael Huben vor der Hauptschule.

Der Letzte macht die Tür zu: Rektor Michael Huben vor der Hauptschule.

Niederkassel – Eine Ära ging jetzt in Niederkassel-Lülsdorf zu Ende. Mit dem Ende des Schuljahrs löste sich die Hauptschule auf, der letzte Jahrgang erhielt seine Zeugnisse. Annette Schroeder sprach darüber mit Michael Huben, dem letzten Rektor der Schule.

Wie ist Ihnen nach der letzten Zeugnisabgabe zumute?

Michael Huben: Ich habe schon zwiespältige Gefühle. Nach der Abschlussfeier im Schulgarten, zu der auch Bürgermeister Stefan Vehreschild kam, musste ich schlucken. Das war sehr emotional. Andererseits ist es gut, dass dieser Prozess der Auflösung, der ja sechs Jahre lang gedauert hat, zu Ende ist.

Wie viele Jugendliche haben ihr Zeugnis erhalten?

Huben: Es waren 17 Schülerinnen und Schüler. Die Feier fiel denn auch besonders persönlich aus, alle erhielten Geschenke, und alle haben ihre Unterschrift auf das abmontierte Schild unserer Schule gesetzt. Um die Jahrtausendwende hatten wir noch etwa 600 Schülerinnen und Schüler. Im Laufe der Zeit änderte sich jedoch das Anmeldeverhalten der Eltern, dadurch nahm die Zahl immer weiter ab. 2013 beschloss der Stadtrat, dass die Schule auslaufen soll. Seit Gründung der Gesamtschule wurden dann keine Kinder mehr an der Hauptschule aufgenommen. Wichtig war für uns aber, dass die Stadt Niederkassel uns immer unterstützt und wirklich bis zum letzten Tag als gleichwertige Schule behandelt hat.

Haben dann letztlich die Eltern mit ihrem Anmeldeverhalten über das Ende der Hauptschule abgestimmt?

Huben: So ist es. Die Hauptschule ist nicht mehr gewollt. Ganz allgemein hat sie kein gutes Image – zu Unrecht. Denn alle, die mit dieser Institution zu tun haben, wissen, dass hier gute Arbeit geleistet wird. Aber den Trend zu immer höheren Schulabschlüssen sehe ich als eine gesellschaftliche Entwicklung, die man akzeptieren muss. Und die Gesamtschule hilft mit dem langen gemeinsamen Lernen und der großen Durchlässigkeit allen Kindern. Wobei viel zu wenig bekannt ist, dass man an der Hauptschule auch die Fachoberschulreife ablegen konnte.

Worin lagen die Vorzüge der Hauptschule Lülsdorf?

Huben: Wir hatten ein gutes Klima, die Kinder und Jugendlichen haben sich wohlgefühlt, begünstigt auch durch die kleine Klassengröße von etwa 20 bis 25 Schülerinnen und Schülern. Der Praxisbezug war hoch. So haben wir viele Kooperationen mit Betrieben aus Niederkassel gepflegt. Es gab für jede und jeden in der Schulzeit drei verbindliche Praktika in den Jahrgangsstufen 8 bis 10. Wir hatten eine Garten AG, ein Schwarzlicht-Theater und eine Samba-AG, die bei Festen in der Stadt aufgetreten ist. Wir haben gemeinnützige Aktionen gestartet, wie etwa die Reinigung von Denkmälern im Stadtgebiet. 2005 hat die Hauptschule außerdem den Sonderpreis beim Wettbewerb der deutschen Hauptschulen gewonnen.

Zur Person

Michael Huben (53) ist in Köln geboren. Er studierte an der TH Aachen und wurde Bauingenieur. Zum Lehrerberuf kam er als Quereinsteiger. Er unterrichtet Mathematik und Technik.

Seit 2009 war er Konrektor der Hauptschule Niederkassel-Lülsdorf, 2016 übernahm er die Schulleitung. (as)

Können Sie sich an ein besonders schönes Erlebnis in dieser Zeit erinnern?

Huben: Das waren eigentlich immer die Abschlussfeiern. Denn dann zeigte sich, wie sich die Kinder über die Zeit entwickelt haben. Durch eine intensive Berufsvorbereitung sind wir froh, dass im aktuellen Jahrgang bis auf zwei Jugendliche alle schon ganz genau wissen, wie es für sie weitergeht. Viele gehen aufs Berufskolleg, um sich weiter zu qualifizieren, andere beginnen eine Ausbildung.

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Wie geht es für Sie und die Lehrerinnen der Hauptschule weiter?

Huben: Die drei noch bis zuletzt verbliebenen Kolleginnen gehen in den Ruhestand. Die Wechselwünsche der früheren Lehrerinnen und Lehrer konnten fast alle erfüllt werden. Sehr viele unterrichten inzwischen an Gesamtschulen, denn der Bedarf ist dort groß, da es sich häufig um Schulen im Aufbau handelt. Für mich geht es nahtlos weiter, weil ich schon seit zwei Jahren eine Doppelfunktion habe: Ich bin an der Gesamtschule Niederkassel Abteilungsleiter II, das heißt zuständig für die Stufen 8 bis 10, und habe zusätzlich die Hauptschule geleitet. Ich war mit Leib und Seele Lehrer an der Hauptschule, nun bin ich es für die Gesamtschule.

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