Ohne Tal und FlussPottscheid-Brücke im Siebengebirge ist Erbstück der „4711“-Dynastie

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Aus dem Dornröschenschlaf erwacht: Die Pottscheid-Brücke wurde von Bewuchs und Erde befreit, so dass sie heute wieder erkennbar ist. 

Königswinter – Vögel zwitschern, der Wind wiegt sanft die Äste der hoch stehenden Bäume, ein Schmetterling flattert im warmen Licht der Sonne umher – eine frühlingshafte Idylle im Siebengebirge, gut einen Kilometer entfernt von der viel befahrenen Landstraße 331. Und mitten in dieser Waldeinsamkeit steht der Wanderer plötzlich vor einer Brücke, die über keinen Fluss und kein Tal führt. Nanu, was soll das?

Die Antwort: Dieses scheinbare Phänomen ist ein Erbstück der „4711“-Dynastie Mülhens, die im Siebengebirge zahlreiche Spuren hinterlassen hat.

Die Pottscheid-Brücke überspannte ein Feuchtgebiet

Dazu lohnt ein Blick in die Familiengeschichte. 1840 erwarb Peter Joseph Mülhens (1801-1873), der den Kölnisch Wasser-Hersteller in zweiter Generation leitete, als Hochzeitsgeschenk für seine Frau Emily Hannah Ries den Wintermühlenhof bei Königswinter, der ursprünglich zum Kloster Heisterbach gehörte.

Kurz nach dem Kauf setzte er sich, auch mit viel eigenem Geld, dafür ein, den Fahrweg, der am Gut vorbei nach Ittenbach führte, zu verbreitern. So entstand die L 331, heute eine der wichtigsten Verbindungsstrecken zwischen Königswinters Berg- und Talbereich.

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Der Bad Honnefer Architekt Ottomar Stein hat die gut 50 Meter lange und sieben Meter hohe Brücke über den Sumpf entworfen. 

Sein Sohn und Erbe Ferdinand Mülhens (1844-1923), der als Parfümeur den Spitznamen „de Naas von Kölle“ bekam, verbrachte „die schönsten Zeiten meiner Jugend“ im Siebengebirge, wie er sich später erinnerte. Besonders der Wintermühlenhof, auf dem er sich zur Ruhe gesetzt hatte, nachdem er 1900 die Geschäfte in Köln an die nächste Generation übergeben hatte, lag ihm am Herzen. Er ließ ihn um- und ausbauen, gestaltete die weitläufige Park- und Gartenanlage.

Im Jahre 1908 erteilte er den Auftrag, von dem herrschaftlichen Wohnsitz aus eine Fahrstraße für Kutschen zum Elsigerfeld anzulegen. Dort stand ein Bauernhof, heute das beliebte Ausflugslokal Milchhäuschen, der damals der Milchversorgung auch des Mülhenschen Grundbesitzes diente. Der geplante Weg führte vorbei an der zum Wintermühlenhof gehörenden dreiflügeligen Anlage des Guts Pottscheid und kurz danach querte die Trasse sumpfiges Gelände, einen Siefen – kein Problem für den Bauherrn: Eine Brücke sollte das Feuchtgebiet überspannen.

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Der Bad Honnefer Architekt Ottomar Stein, der in der Kurstadt unter anderem die Brücke zur Insel Grafenwerth, die evangelische Pfarrkirche, die Lungenheilstätte Hohenhonnef und zahlreiche Villen geplant hatte, entwarf eine gut 50 Meter lange und sieben Meter hohe Brücke über den Sumpf. Der Bauplan mit handschriftlichen Notizen und dem Siegel des Architekten und Baumeisters befindet sich im Archiv des Wintermühlenhofs.

Die fünf Stützpfeiler wurden aus Drachenfelser Trachyt errichtet, den die Steinmetze einst auch beim Bau des Kölner Doms und des Bonner Münsters verwendeten. In den Steinen sind noch die für den Trachyt typischen weiß-grünen Einschlüsse der Sanidin-Kristalle zu sehen.

Für die 6,20 Meter breite Fahrbahn, die auch für Kutschen nutzbar sein sollte, wurden Eichenbohlen verlegt, die längst verwittert sind. Dicke Schrauben, die aus Steinquadern ragen, zeugen noch von den Planken. 1909 war der Übergang fertig.

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Überlegt, eine Tafel anzubringen, die über das Baudenkmal informiert: Fiona Streve-Mülhens Achenbach.

Der neue Wirtschaftsweg zum Elsigerfeld diente auch dazu, die Region für den wachsenden Tourismus zu erschließen. Dessen Potenzial habe ihr Ur-Ur-Großvater früh erkannt, dabei aber stets den Naturschutz im Auge gehabt. „Er hat unternehmerisch und global gedacht – und lokal gehandelt“, sagt Fiona Streve-Mülhens Achenbach, die Geschäftsführerin der Wintermühlenhof GbR und Miteigentümerin der Bergbahnen im Siebengebirge AG.

1896 erwarb Ferdinand Mülhens die südwestliche Hälfte des Petersberges mit dem Plateau und den aufstehenden Gebäuden, wo 1914 ein Kurhotel eröffnet wurde – später das Gästehaus der Bundesregierung und heute wieder ein Nobelhotel. 1913 kaufte Mülhens die Petersberg- und die Drachenfelsbahn. Der Betrieb der Petersbergbahn wurde 1958 eingestellt, die Drachenfelsbahn bringt immer noch Touristen auf den Berg.

Wie kommt man hin?

Zu Fuß: Von der Margarethenhöhe (Parkplätze) führt ein Rundweg am Forsthaus Lohrberg vorbei über den Nasseplatz zum Milchhäuschen. Von dort weiter Richtung Pottscheid.

Mit dem Auto: An der Landstraße 331 verläuft parallel der Kutschenweg, an dem Autos parken dürfen. Zu Fuß ein Stück bergauf, rechts Richtung Gut Pottscheid (Schilder weisen auf den Heel-Verlag hin), etwa 200 Meter in den Wald gehen, und die Brücke ist erreicht. (dbr)

Und die Pottscheid-Brücke? Im Laufe der Jahre wurde der Siefen zugeschüttet, die Natur eroberte sich das Bauwerk zurück, so dass eine Umgehung angelegt wurde, über die Wanderer zum Milchhäuschen gelangen.

Im vergangenen Sommer schließlich befreite Waldemar Köheim, ein früherer Mitarbeiter des Wintermühlenhofs, die Brücke von Bewuchs und Erde, so dass sie heute wieder erkennbar ist – als wäre sie aus dem Dornröschenschlaf erwacht.

Fiona Achenbach überlegt, eine Tafel anzubringen, um auf die Geschichte dieses Baudenkmals im Wald des Siebengebirges hinzuweisen.  

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