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Warteliste für Wohnheim ist langSo wohnen Studenten in Sankt Augustin

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30 Quadratmeter Zuhause: Nikita Jarocky aus Moldawien zeigt seine Wohnung.

30 Quadratmeter Zuhause: Nikita Jarocky aus Moldawien zeigt seine Wohnung.

  • Auch im Rhein-Sieg-Kreis haben viele Studenten Probleme, an günstigen Wohnraum zu kommen. Wir haben einige von ihnen gefragt, wie und wo sie wohnen.

Sankt Augustin – „Der großartige Nikita. Fitnesstrainer“ steht auf der Visitenkarte, die an der Tür der Wohnung im vierten Stock hängt – eines von 49 Appartements im Heim des Studierendenwerks Bonn. Alle sind belegt, zurzeit stehen 89 Studenten auf der Warteliste. „Ich hatte Glück“, berichtet Nikita Jarocky. „Am Tag meiner Anfrage wurde unerwartet ein Platz frei.“

Der gebürtige Moldawier lebt seit 2012 hier, an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg absolviert er ein Masterstudium Elektrotechnik und Maschinenbau. „Ich habe einen langen Weg hinter mir“, berichtet Jarocky, der um die Jahrtausendwende nach Deutschland kam, zunächst eine Lehre zum Elektriker machte und das Fachabitur nachholte.

Lang war auch seine tägliche Fahrtstrecke nach Sankt Augustin, bevor er einen Wohnheimplatz ergatterte „Ich lebte damals in Köln-Chorweiler und bin jeden Tag gependelt. Bis zu drei Stunden täglich war ich unterwegs. An eine Nacharbeitung der Vorlesungen war abends kaum zu denken.“

Er suchte in der Nähe des Campus eine Wohnung. Kaltmieten „von 600 bis 700 Euro“ schreckten den Studenten ab, doch nach einem Jahr intensiver Suche ergatterte er das 30 Quadratmeter große Appartement mit Balkon, das rund 370 Euro im Monat kostet. Die Mehrzahl der Wohnungen sind kleiner und kosten rund 300 Euro. „Alles inklusive Heizung, Strom und Highspeed-Internet“, sagt Alina Rudi-Syed, Vize-Pressesprecherin des Studierendenwerks. Die Wohndauer ist üblicherweise auf drei Jahre begrenzt, doch Jarocky hat ein Privileg, hier für die Dauer seines Studiums wohnen zu dürfen.

Als Tutor engagiert

Denn der 32-Jährige, der nebenher als Werkstudent im Fraunhofer FKIE-Institut arbeitet und sogar noch ein Fernstudium Psychologie absolviert, engagiert sich als Tutor auf verschiedenen Gebieten: Zuerst als „Study Buddy“, der ausländische Studenten bei Behördengängen und Wohnungssuche hilft. „Zurzeit betreue ich zwei Marokkaner“, berichtet Jarocky. Dass der Lehrstoff in einigen Fächern auch in englischer Sprache vermittelt wird, ist zwar ein Vorteil. „Doch die Kommilitonen, die außer »hallo« und »tschüss« noch kein deutsches Wort können, haben ohne Bürgschaft keine Chance, eine Wohnung auf dem Markt zu finden.“ Auch deshalb ist das Heim am Europaring begehrt. Zwar gibt es noch ein privat betriebenes Studentenwohnheim auf der anderen Seite des Campus, doch allein für die Kaltmiete müssen die Studenten etwa 100 Euro mehr bezahlen.

Aus Spenden und eigener Initiative hat Jarocky als Fitness-Tutor einen Bestand von Geräten angeschafft und bietet auf der Dachterrasse vor seinem Appartement sonntags Capoeira, Yoga und Aikido an. In Pflanzgefäßen hat er Basilikum, Petersilie, Thymian, Schnittlauch und Spinat gesät – Vitamine für die Kommilitonen, die sich bedienen können. Jede Wohnung hat eine Küchenzeile.

Für Jarocky ist es ein „kleines Paradies“, für das Studentenwerk Ergebnis eines „Kraftaktes“, so Rudi-Syed. „Wir bekommen keine Landesmittel für den Bau von Studentenwohnheimen.“ Das soll sich ändern. Darauf zielt die neue Kampagne „Kopf braucht Dach“ des Deutsche Studentenwerks, die mit Unterschriften von Studierenden und Eltern Druck auf die Politik ausüben will.

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